qhm: Es gibt einen grauslich klingenden Grundsatz in der Küche, der sicher nicht absolut zu nehmen ist, auf dessen wahren Kern aber zu achten lohnt: Saubere Küche schmeckt nicht. Seiner Wahrheit nähere ich mich, wenn ich mir klar mache, weshalb ein langsam in einem keramischen Gefäß gegartes Essen oft besonders gut schmeckt: Keramisches Geschirr hat eine poröse Oberfläche und saugt immer etwas von der Kochflüssigkeit auf. Über längere Zeiträume immer wieder benutzt steckt es voller winziger Spuren von Aromen anderer Essen, die es als unendlich subtile Würze an das gerade bereitete Essen zurückgibt. Genau deshalb darf ich ein solches Kochgeschirr niemals mit Seife reinigen, man würde etwas von der Seife schmecken. Ähnliches gilt für hölzerne Kochlöffel. Auch sie nehmen ihren Teil von den Essenssäften auf, riechen gut, und geben ein kaum wahrnehmbares gewisses Etwas zur Speise hinzu, das ein Plastelöffel niemals hinzugeben könnte. Um die Anwendung auf das tägliche Kochen zu machen: Ich muss mir überlegen, welchen Topf oder welche Pfanne ich nach Benutzung sofort wasche und welchen ich, ohne ihn zu waschen, weiter benutzen sollte.
Ich komme darauf, weil ich vor kurzem grüne breite Bohnen gegessen habe. Vielleicht sollte ich im Winter keine grünen Bohnen kaufen, die erst von Spanien oder Marokko nach Deutschland transportiert werden müssen. Aber so recht gab es im Supermarkt nichts, was mir Appetit machte. Und manches von dem, was besser zur Jahreszeit gepasst hätte, war trotzdem über hunderte Kilometer heran gekutscht worden. Wahrscheinlich verrottet der regional geerntete Blumen- oder Spitzkohl gerade irgendwo zehn Kilometer von meinem Wohnort entfernt, weil es für ihn keine Vertriebswege gibt. Wie auch immer, ich aß die Bohnen, wie man sie im Mittelmeerraum oft als Vorspeise isst, in dick eingekochter, mit Zwiebeln, Knoblauch, Kreuzkümmel, Muskat und scharfem Paprika gewürzter Tomatensoße. Ich versündigte mich außerdem doch noch am Tierreich und kaufte, fürs Wochenende, eine Dorade und eine Packung Miesmuscheln dazu.
Den Rest Bohnen gab es zur Dorade – der Fisch im Ofen gebacken, mit Zitrone und Fenchelsamen, im Bauch einen Zweig Dill – der leere Bohnentopf war innen rot von dicker, scharfer Tomate. Wenn ich nun aber ein Tier kaufe, um es zu essen, dann versuche ich, diesen Genuss möglichst zu dehnen. Daher die Muscheln: Doradenverlängerung für eine Vorspeise. Denn ich kann den Fisch selbst nur einmal essen, aber aus seinen Resten, Kopf, Flossen, Haut und Gräten, kann ich eine Brühe kochen. In dieser Brühe die Muscheln dämpfen, wodurch sie noch intensiver wird, und aus der so angereicherten Brühe eine Fischsuppe, wie ein Cruet (siehe Blog vom 09.01.21), in der dann in Stückform nichts mehr Tierisches sein muss, nur noch die Essenz davon in der Brühe. Die Gräten der Dorade aber hatte ich in den ungewaschenen, tomatenroten Topf der Bohnen geworfen und unter Wasser gesetzt, was gleich Farbe und Geschmack hinein schwemmte – dann mit Lorbeer, Weißwein, einem Hauch von dem und jenen gewürzt, eine Prise Zimt war dabei und stand dem Ganzen sehr gut.
Weitere Essen: Wieder einmal dünn aufgeschnittene Beeten mit Knoblauch, Kräutern, Nüssen etc. als Salat. Ich hatte die gekochten Beeten drei Tage ungeschält im Kühlschrank aufbewahrt, bevor ich sie verwendete, und fand, sie schmeckten viel intensiver und süßer als die beim letzten Mal, die ich relativ frisch gekocht aufgetischt hatte. Ihre Farbe war auch viel schwärzer. Ich nehme an, das Beste, was man mit einer Beete machen kann, ist sie in der heißen Asche oder in der Röhre eines Kachelofens zu garen. Ich denke das auch, weil ich des öfteren vergessene und deshalb eingeschrumpelte, angetrocknete Beeten verarbeitet habe. Sie sind gekocht dann mühsam zu schälen, aber sehr intensiv im Geschmack.
Tags zuvor: Faule-Köche-Essen: Kürbisspalten, Zwiebelringe und Kartoffeln auf dem Backblech; Feta auf dem Kürbis. Mir ist gebackener Kürbis leicht zu pappig-mehlig-süß, aber mit einem Spritzer Zitronensaft, einer Prise Baharat oder Curry und frischen Kräutern (Petersilie, Koriander, Dill, …), in die etwas Zitronenschale mit verhackt ist, kann ich ihn genießen. Eine Joghurtsoße würde es auch auch tun.
qhm = wwg. Am Montag war eine Lauchtorte dran; ein schnelles Essen, wenn man den spanischen Empanada-Teig kennt: zwei Handvoll Mehl mit Paprikagewürz und Salz vermischt, mit drei, vier Esslöffeln fast rauchend heißem Öl verrührt, mit warmen Wasser geschmeidig gemacht. Der so entstehende Teig lässt sich gut verarbeiten und sehr dünn ausrollen. Ich nahm Vollkornmehl und geräucherten Paprika (Pimentón de la Vera). Bei der Füllung aus in der Pfanne angeschmorten Lauch, Ei und Käse gibt es kein Geheimnis.
Am Dienstag fand ich ein Rezept, das sich darin gefiel, in Streifen geschnittene Blätter vom Spitzkohl als Bandnudeln zu behandeln. Das ist leichter gesagt als getan. Die Blätter vom Spitzkohl sind in seinem Innern stark gekräuselt und sie splittern auch leicht. Also zweimal essen vom selben Kohl: die glatteren, äußeren Blätter in anmutige Streifen geschnitten, den strunkigen, kräusligen, splittrigen Rest aufgehoben für einen der nächsten Tage. Die Kohlbänder werden bei sanfter Hitze in etwas Butter weich gebraten, wie bei einer Carbonada vor dem Servieren mit einer Ei-Käse-Mischung verrührt und mit gebratenen Pilzen, gerösteten Nüssen und ein wenig frischen Kräutern bestreut aufgetragen. Gewürze: Knoblauch (an den Pilzen), etwas Zitronenschale (an der Käse-Ei-Mischung) – letztere unverzichtbar, ohne sie wäre das Gericht dumpf geblieben.
Nebenbei eine verblüffende Feststellung bei der Durchsicht meiner Kochbücher; ich habe einige, von denen einige vor einigen Jahren sogar gebestsellt haben. In allen dasselbe: Kohl scheint außer Mode zu sein. Bei zweihundert Rezepten pro Buch lassen sich die Autorinnen und Autoren vielleicht einmal oder zweimal zu Kohl herab, genauer zu Schwarzkohl, Grünkohl, Wirsing, Spitzkohl. Nie zum schlichten Weißkohl. Am ehesten lassen sich Rezepte zu Blumenkohl und Brokkoli finden, aber auch hier kein Vergleich zu der Fülle von Rezepten mit Auberginen, Champignons oder Spinat. In allen Kochbüchern, selbst in vegetarischen, veganen und deutlich mit einer Prise Weltverbesserung gewürzten, wird vorausgesetzt, dass mir jederzeit Lebensmittel aus aller Welt zur Verfügung stehen. Weshalb ein lokales Produkt wie der bescheidene Kohlkopf nirgendwo öfter vorkommen muss als Mango oder Kokosnuss. Man hat ja. Geld, Supermarkt und Obstflieger nämlich.
Apropos Blumenkohl und Brokkoli: Er gerät, wie ich festgestellt habe (nachdem ich es Jahrzehnte anders gemacht hatte), blanchiert, also in Salzwasser kurz gekocht und dann abgeschreckt, sehr viel besser als gedämpft.
Qhm, wwg. Manche Buchtitel liebe ich, auch wenn ich das Buch nie gelesen habe. Ein Buchtitel hat manchmal ein Leben für sich. (Es wäre deshalb auch möglich einen Buchtitel zu haben und das Buch nie zu schreiben.) Qhm kommt von Què hem menjat, ein berühmter Titel des katalanischen Autors Josep Pla. Wirklich nie gelesen, nicht mal in der Hand gehabt. Aber ein Buch so zu nennen, erschien mir immer zauberhaft. Die Übersetzung ist zu lang: Was wir gegessen haben. Zum Glück war im achtzehnten Jahrhundert das Hilfsverb hier noch entbehrlich. Was wir gegessen, wwg.
wwg: Die andere Hälfte vom Kohlkopf, grob geschnitten und mit einem Klecks Butter im Eigensaft gar geschmort, dann in eine dick eingekochte, pikante Tomatensoße gegeben, die ein ordentliches Soffrito aus klein gehackten Möhren, Zwiebeln und Stangensellerie hatte. Außerdem mit hinein: eine kleine Dose Kichererbsen. Dazu: Polenta.
wwg: Bislang alle Werktage ohne auch nur ein Fitzelchen Fisch, Fleisch oder Wurst. Ich habe auch schon vorher Fleischliches öfter als Gewürz eingesetzt denn als Hauptzutat der Mahlzeit, aber um den Fleischkonsum verantwortlich einzuschränken, reicht das nicht aus: zu viele Hintertürchen. Vor allem, wenn im Haushalt Schlemmer leben, so wie in diesem. Schwerer als das Fleisch wegzulassen, würde mir fallen, auf Käse wie Parmesan oder Pecorino zu verzichten. Gibt es nicht Kultur-Landschaften in Europa, deren ökologischer Reichtum nur durch extensive Beweidung zu erhalten ist? Es wäre sehr zu wünschen.
Parmesan und Reisnudeln waren die beiden Zutaten für den Rest Spitzkohl mit Kichererbsen in Tomatensoße. In einer offenen Pfanne zubereitet, weil dann der Boden ein wenig anbräunt; der Käse kommt natürlich erst gegen Ende der Bereitung hinzu.
Am Donnerstag habe ich mich dann daran erinnert, dass im Iran die Aubergine auch Arme-Leute-Fleisch heißt, im Sinn von Fleisch für arme Leute nicht Fleisch von armen Leuten, einen Unterschied, der im Deutschen schwer klar zu machen ist, wie jeder geschnitzelte Jäger aus unzähligen Kalauern weiß. Ich hielt mich an die Rezepte für Keshmesh Polow, färbte den Reis aber mit frischer Kurkuma und würzte die gebratenen Auberginen mit Baharat, etwas Zimt, Knoblauch. Weitere Zutat: geröstete Pinienkerne. Die Rosinen ließ ich nicht weg. Wichtig ist, die Auberginen vorab gut mit Salz zu entwässern und danach sehr weich zu braten. Sie sind dann im Biss nicht wie Fleisch, aber saftig-cremig-weich doch sehr angenehm auf der Zunge.
wwg: Zum Wochenende dann: Biohähnchen. Ein letztes Stück Kurkumawurzel brachte mich dazu, es einmal mit einem Kurkuma-Koriander-Hähnchen zu versuchen. Da man die im Mörser gestampfte Würzmischung mit etwas Fett verrührt in jedem Fall mit den Fingern unter die Haut des Vogels bringen muss, gibt das Finger wie die eines Kettenrauchers. In der Würzmischung außerdem: Knoblauch, Kerbel (der übrig war und nicht übrig bleiben sollte), etwas Zitronenschale, Salz. Im Sud: ein Restchen Mirin (japanischer Reiswein) der süßeren Sorte, trockener Weißwein, Wasser, Salz und ein ganz paar trockene Gewürze wie Lorbeer, Zimtblüte, Fenchel Nelke … nichts davon in Mengen. Im Bauchraum des Tiers Ras-al-Hanout. Das Resultat war durchaus ein Curryhühnchen, aber da wirs bei Kerzenschein aßen, konnten wir nicht sehen, wie wunderbar gelb es eingefärbt war.
Aus den Knochen, Knorpeln und Hausüberbleibseln gewann ich einen Liter Brühe. Zutaten: ein paar äußere Blätter dreier Lauchstangen, getrocknete Pilze, wieder ein paar trockene Gewürze, auch eine Spur Anis sowie etwas Ingwer. Nun werde ich also den Rest der Woche nicht vegetarisch sein können, da ich meine Gemüse mit lang gekochter Hühnerbrühe zubereiten kann und werde.
Samstag: Coca, wie die valencianische, käselose Pizza heißt. Mit grünen (TK-)Erbsen, weich geschmorten Zwiebeln und etwa 100 Gramm Chorizo in kleinen Würfeln. Auf dem Hähnchen fand sich die Angabe 1380 Gramm. Mit ein paar Scheiben Schinken oder Lachs dazu beim Frühstück sind wir dann bei 800 Gramm Fleischiges pro Nase und Woche, 42 Kilo im Jahr. Ist das viel? Es ist bloß ein knappes Drittel weniger als der Durchschnittsverbrauch. Bei dem allerdings der Fisch separat gezählt wird und die Knochen, die ich zuhause auskoche, meistens im Laden bzw. noch öfter in der Fleischfabrik bleiben. Sie müssten eigentlich in Gummibärchen und Tortenguss zurück in die Bilanz genommen werden.
Sonntag dann der gelbe Rest von Hähnchen und Sud zusammen mit geschmorten Fenchel, etwas Pastinake und roten Spirelli aus Linsen, so zubereitet, dass der Sud nahezu die einzige Kochflüssigkeit darstellte und fast vollständig von den neuen Zutaten aufgesogen wurde. Ein leichtes und mildes, doch aus der Tiefe würziges Gericht, an das ich nur der Farbtupfer wegen noch ein paar grüne Blättchen Petersilie gab.