vonChristian Ihle & Horst Motor 09.10.2007

Monarchie & Alltag

Neue Bands und wichtige Filme: „As long as the music’s loud enough, we won’t hear the world falling apart“.

Mehr über diesen Blog

Heute der erste Kontakt: Up The Bracket, die Plattenrezension des Debütalbums, erstmals im Alternakid Fanzine im Oktober 2002 erschienen:

The Libertines – Up The Bracket

Jungs und Mädels, holt das Geld aus den Taschen, kauft dieses Album. Eine Band wie dafür geboren auf Buttons nah am Herzen getragen zu werden und urenglischen Zuschnitts zudem: wie blur zu Parklife-Zeiten, die Beatles kurz nach dem Starclub, The Kinks in den 60ern, The Jam bei Going Underground, The Clash bei ihrem Garage-Punk-Debut. Gäbe es den Union Jack nicht, für die Libertines müsste man ihn erfinden. Mit Up The Bracket haben die Briten endlich wieder einen Contender in der heißesten Szene unserer Zeit, was ja auch dringend notwendig war.
Musikalisch sind die vier Libertines knietief in der britischen Punk-School of ’77 verwurzelt.
Wunderbar trifft es sich da, dass Up The Bracket von Mick Jones, der einen Hälfte des Clash- Songwriter-Duos, produziert wurde. Dabei ist Jones fraglos ein hervorragenden Job zu bescheinigen: das Libertines-Debut ist rau, schräg, schrammelnd und gleichzeitig mit enormer Wucht wie auch einer Ahnung des jederzeit möglichen Chaos behaftet. Deutlich wird das beim Vergleich zwischen der Debutsingle-b-seite „I Get Along“ und der hier vertretenen Albumversion: obwohl bereits auf Single gut von Bernard Butler (of Suede fame) produziert, ist die Albumversion kompakter und noch einige Gänge nach oben geschalten, so dass „I Get Along“ als Schlusssong den Hörer regelrecht aus dem Album herausbläst.
Ebenfalls hervorragend ist der Ablauf des Albums: die ersten vier Songs sind mit ihrem sexy-strokesy Sound ein hervorragender Einstieg, was die vier mit ihrer Kinks-esquen Hymne „Boys In The Band“ noch zu steigern wissen. Die zweite Hälfte des Albums lässt dann eine Ahnung des Chaos zu, das ihren Gigs nachgesagt wird. Insbesondere „Boy Looked At Johnny“, dessen Titel an das berühmte Buch der beiden legendären NME-Punk-Writer Burchill/Parsons angelehnt ist, und „Good Old Days“ scheinen jeden Moment in Unhörbarkeit umzukippen, um sich dann doch wieder rechtzeitig aufzufangen. Wendet man die alte Regel an, dass die b-Seiten der Singles aussagen, wie gut eine Band wirklich ist, dann wird man sich schwer tun, vergleichbares in den letzten fünf Jahren zu finden: auf „I Get Along“ und „Boys In The Band“ („you’re talking like you are handy in a fight / you talk about it every night / But I never saw those flowers in the barrel of your gun / all I ever seen you do is run“), den zusätzlichen Songs der ersten beiden Singles, würden andere Bands Weltherrschaften gründen.
Aufgrund der Leichtigkeit, wie hier mit gottgleichen Melodien um sich geworfen wird, erinnert die Klasse von Up The Bracket dabei mehr an das letztjährige Strokes-Debut als an irgendeine andere Platte der letzten zwei Jahre. Auch wenn sie es nicht ganz schaffen, deren durchgehende, überwältigende Brillianz mit Up The Bracket zu erreichen, so sind doch neun der zwölf Songs instant classics. Bedenkt man dabei, dass sie ihren bis heute besten Song „What A Waster“ noch nicht einmal auf dieses Album genommen haben, ist klar, dass hier Material für die Kategorie „neue Lieblingsband“ vorliegt.
Sloganeering liegt den Libertines dabei besser als allen anderen. In jedem Song findet sich ein Satz den man sich auf Ordner schreiben oder auf die Stirn tätowieren möchte („there’s fewer more distressing signs than that of an Englishman in a baseball cap / now we’ll die in the class we was born / that’s a class of our own / Did you see the stylish kids in the riot?“). Haben die Strokes mit „Take It Or Leave It“ im letzten Song von Is This It ihr Bandcredo verankert, so ziehen The Libertines bei „I Get Along“ mit jener wundervollen Zeile nach: „I get along / just singing my song / people tell me I’m wrong / …fuck ‚em“ (10 / 10) .

Standout-Tracks:
* Boys In The Band * I Get Along * Horrorshow *

(Christian Ihle)

——-

Die Pete-Doherty-Woche? Was soll das bitte?

Die Zweifel, ob Mr Peter Doherty noch eine weitere Platte veröffentlichen würde, begleitet ihn bereits seit Jahren. Noch länger beschäftige ich mich mit dem Phänomen Doherty – genau genommen seit der Veröffentlichung der Libertines-Debütsingle im Jahr 2002.
Über die Jahre sammelten sich für verschiedene Publikationen immer wieder Texte an, die versuchten, den Doherty-Problemkreis zu erörtern. Da nun die dritte Phase des Doherty-Schaffens mit der Veröffentlichung des neuen Albums beginnt (das erste ohne Stammproduzent Mick Jones, das erste bei einem Major-Label, das erste, das tatsächlich in erster Linie erfolgreich sein will) folgt in dieser Woche eine kleine Rückschau auf frühere Texte.

Teil 1: Time For Heroes, Anfang 2005
Teil 2: Up The Bracket, Oktober 2002
Teil 3: The Gang Of Gin. And Milk., April 2006
Teil 4: Why Did You Break My Heart?, Mai 2006
Teil 5: Anywhere In Albion, September 2006
Teil 6: König wider Willen, Februar 2007
Teil 7: Das Ende des Konjunktivs, Oktober 2007

Weiterlesen:
* My Favourite Records… mit Adam Ficek (Babyshambles)

Plattenkritiken:
* The Libertines – Best Of
* Babyshambles – Shotters Nation

Anzeige

Wenn dir der Artikel gefallen hat, dann teile ihn über Facebook oder Twitter. Falls du was zu sagen hast, freuen wir uns über Kommentare

https://blogs.taz.de/popblog/2007/10/09/pete-doherty-woche-2-up-the-bracket/

aktuell auf taz.de

kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert