Bloc Party – Intimacy
In Würde wird Kele Okereke wohl nicht altern. Bereits jetzt ergießen sich Spott und Häme über sein Haupt, nachdem er und seine Band Bloc Party vor knapp drei Jahren noch als Retter des Post Punks gefeiert wurden. Aber so ist das eben: wenn man mit einem Bein knietief in experimentellen Sümpfen watet und gleichzeitig Gitarrenbretter für den Dancefloor schreibt, darf man nicht erwarten, beide Lager irgendwie miteinander zu versöhnen. Die einen wollen ihr „Banquet“, ihr „Silent Alarm“ zurück. Für die anderen ist die neue Experimentierwut der jungen Briten nicht ausufernd und avantgardistisch genug. Und dann macht Kele mit Album Nummer drei, „Intimacy“, auch noch zwei Kardinalfehler. Zum einen versucht der schüchterne, ernste Songwriter, einfach jeden Bloc Party Verehrer zufriedenzustellen. Zum anderen gräbt er durch die krude Veröffentlichungspolitik auch noch jedem potenziellen Medienrummel vorzeitig (und unnötig) das Wasser ab.
Die Würde, selbstverständlich, müsste sich Kele aber gar nicht händeringend erkämpfen. Denn „Intimacy“ ist ein wirklich gutes Album geworden, das jedem Kritiker das Maul stopfen würde, wäre die Journaille nur nicht so selbstgerecht. Zugegeben, so ganz zusammenpassen wollen ein Stück wie „Ares“, mit seinen Prodigy-Drums und Aphex Twin Vocoder-Stimmchen, und ein geradliniges (langweiliges) „One Month Off“ nicht. Aber eine bloße Albumband, das sollte man bedenken, waren Bloc Party noch nie. Songs wie „Two More Years“ oder „Flux“ erschienen mal eben zwischen den Alben als Appetithappen und was sich seit „A Weekend In The City“ alles an B-Seiten angesammelt hat, füllt mindestens ein Doppel-Album. Bloc Party werden unterschätzt – oder besser: falsch eingeschätzt. Denn Songs wie „Ares“ und „One Month Off“ müssen gar nicht zusammenpassen. Sie sind Wegmarken. Mal experimentell wie die Single „Mercury“, mal episch wie das Schlussstück „Ion Square“. Wegmarken zu einer der besten Rockbands Englands. Bis dahin sollte man Kele Okereke die Würde nicht nehmen. Und abschreiben schon gar nicht.
Anhören!
*Mercury (hier)
*Ion Square
*Signs (hier)
Im Netz:
* Indiepedia
* Homepage
* MySpace
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Bob Dylan – Tell Tale Signs
Im Grunde wurde schon alles gesagt. Bob Dylans Platz an der Sonne ist gesichert, die popkulturellen Lobeshymnen wurden von allen renommierten Magazinen, Fernsehkanälen, Filmstudios und Verlagen in hunderttausendfacher Ausführung bereits seit Ende der 1960er Jahre verfasst. Nun müsste eben auch mal genug sein. 2008 wird wohl bis in alle Ewigkeit als Dylan-Jahr in die Musikgeschichte eingehen. Und das, obwohl der Großmeister nichtmal ein neues Album veröffentlicht hat. Da reicht schon eine vermeintlich schnöde Ansammlung von Raritäten, Live-Versionen und unveröffentlichte Songs aus den letzten knapp zehn Jahren, um das öffentliche Interesse einmal mehr anzuheizen.
„Tell Tale Signs – The Bootleg Series Vol. 8“ wäre bei einer Band wie U2 oder einem Songwriter wie Neil Young wohl zu einem eher überflüssigen Appendix in der Diskographie geworden. Und, das muss man mal sagen, weil man es gern vergisst, auch bei Dylan ist oft viel Murks dabei gewesen. Nicht umsonst hatte der in der Zwischenzeit zum Christentum konvertierte Songwriter eine künstlerische Talfahrt von fast zwanzig Jahren zu bewältigen. Dylan hatte eigentlich schon jeder abgeschrieben. Und wer heute, im Jahr 2008, tatsächlich noch einen Beweis dafür braucht, dass Dylan zu alter (eher: neuer) Stärke gefunden hat, wer allen ernstes noch nicht das fast 30 Jahre eigener Musikkarriere überstrahlende Spätwerk „Modern Times“ gehört hat, nun, der kann jetzt eben mit „Tell Tale Signs“ auf Entdeckungsreise gehen. Das lohnt sich, weil auch die spartanische Alternativ-Version des ohnehin schon perfekten „Mississippi“ kreuzgenial ist, dass sich jeder weitere Kommentar eigentlich verbietet.
Anhören!
*Mississippi
*Dignity
*Most Of The Time
Im Netz:
* Indiepedia
* Homepage
* MySpace
Mehr über Bloc Party:
* Konzert in Berlin-Tempelhof, Oktober 2008
* Die Enttäuschungen 2007
(Texte: Robert Heldner)