vonChristian Ihle 23.03.2009

Monarchie & Alltag

Neue Bands und wichtige Filme: „As long as the music’s loud enough, we won’t hear the world falling apart“.

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Das Leben kann schon eine Schlampe sein. Da ist man ein wunderhübsches, belesenes, durch die Untiefen der Popkultur traumwandelndes Mädchen und gerät dann doch nur an doofe Typen. Hört man sich Emmy The Greats Debütalbum „First Love“ an, so hofft man doch sehr, dass all die Geschichtchen, die sie von verflossenen Liebschaften erzählt, der Kraft ihrer Vorstellungskraft entspringen und nicht tatsächlich allesamt durchlitten wurden. Was hat sie aber auch für Idioten kennengelernt! Der eine gibt damit an, dass er postmittelalterliche italienische Literatur liest („Like reading an Italian book / From the 13th century / Is not that hard to do!“ – und man hört Emmy regelrecht wütend aufstampfen!), der nächste will seine Vorliebe für Dylan nicht teilen und der dritte hat seine Prioritäten wie folgt gesetzt: 1. Countrymusik, 2. Emmy („is country music / what your life is for?“).

First Love

Dass man da schon mal gehässig werden kann, versteht sich von selbst. Denn was kann einen Indieboy oder folky Künstler mehr treffen als mit Jack Bauer („the man on the screen he has done more in a minute / than you have achieved in your whole entire life“) verglichen zu werden, dem männlichsten aller Männer ? Auch das Bohème-Leben mag ja erstmal auf die Girls attraktiv wirken, aber letzten Endes will das Mädchen eben dann doch auch mal hübsche Kleider gekauft bekommen („I would marry you for money / but I don’t suppose you’ll ever have enough“)! Auch muss sich Emmy fragen lassen, ob wirklich ausgerechnet die Single-Hauptstadt Berlin der beste Ort ist, um eine Beziehung wiederzubeleben („we were thinking that maybe / Berlin was the place to renew“)?

Im Vergleich zur anderen jungen Singer/Songwriterin Laura Marling, die ja im letzten Jahr unsere „Album des Jahres“ Trophäe mit nach Hause nahm, bewegen sich Emmys Texte zumeist auf dem Level tagebuchartiger Skizzen, was einerseits für den jeweiligen Song genommen immer wieder erfolgreich umgesetzt wird, auf Albumlänge dann doch ein wenig eindimensional wirkt. So wundert es auch nicht, dass textlich die beiden herausragenden Momente des Albums sich gerade von dieser Blaupause entfernen. „M.I.A.“ erzählt in drastischen Worten – aber beinahe absurd ruhigem Ton – von einem Autounfall, bei dem der Freund stirbt, während die selbst blutbefleckte Emmy im Unfallauto noch neben ihm liegt und das Autoradio das ihr vom Freund aufgenommene Compilationtape abspielt. Der zweite Höhepunkt (übrigens beide vor eineinhalb Jahren in anderen Versionen auf der „My Bad“ EP enthalten) ist „Easter Parade“, eine Reflexion über Vergänglichkeit, die auch den romantizierenden Blick auf dear old Blighty kritisiert und William Blakes inoffizielles Nationalgedicht „Jerusalem“ als Referenz einer Strophe benutzt:

„And I am grateful for the things
That you’ve tried to show to me dear
But there’s no Arcadia
No Albion and there’s no Jerusalem here
And underneath your pastures green
There’s earth and there’s ash
And there’s bone
And there are things that dissapear
Into it and then they are gone.”

Dass „Easter Parade“ ihr bester Song ist, scheint auch Emmy selbst zu wissen und nimmt ihn dankenswerter Weise gleich zweimal auf ihr Debütalbum. Im Vergleich zu den bekannten Versionen der alten Vinylsingles und Internetdemotapes ist „First Love“ überraschend reich instrumentiert, was bei oberflächlichem Hören das Album zu süßlich geraten lässt und erst bei eingehender Beschäftigung sich in allem Reichtum erschließt. Abwechslungsreicher wird die Platte dadurch allemal und für den letzten Song hat sich Emmy dann doch noch eine reine akustische Skizze aufgehoben, die alles vorhergehende überstrahlt: ihr „City Song“, den man schon jetzt getrost als eines der bitterschönsten Lieder des Jahres notieren kann. (Christian Ihle)

Anm.: Das Album ist bisher nicht in Deutschland erschienen, was hoffentlich noch folgen wird. Solange muss man sich beim Importeur, Internetversandhandel oder iTunes-Shop des Vertrauens bedienen! Sollte man auch!

Anhören!
* Easter Parade 1
* City Song
* Dylan
* 24
* Museum Island (hier)

Emmy The Great im Popblog:

* My Facourite Records mit Emmy The Great
* Die besten Songs des Jahres 2007
* I Predict A Riot 2008: Jahresvorausschau Singer/Songwriter
* I Predict A Riot 2009: Jahresvorausschau Singer/Songwriter

Emmy The Great im Netz:

* MySpace
* Indiepedia
* Emmy The Great im mp3-Blog Abenteuer & Freiheit

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https://blogs.taz.de/popblog/2009/03/23/album_des_monats_februar_platz_1_emmy_the_great_-_first_love/

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kommentare

  • Sollte es nicht spätmittelalterlich heissen? Ist schließlich erst 13. Jhdt..

    Schön, dass das Debut endlich da ist.

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