vonChristian Ihle 19.01.2011

Monarchie & Alltag

Neue Bands und wichtige Filme: „As long as the music’s loud enough, we won’t hear the world falling apart“.

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Die FAZ schreibt über die Künstlerin Vanessa Beecroft, die mit tableaux vivants nackter Menschen zu einigem Ruhm gekommen ist:

“Die Künstlerin Vanessa Beecroft kann, wie der Schlagerkomponist Dieter Bohlen, auf ein Werk zurückblicken, das im Wesentlichen auf der Endlosvariation eines recht einfachen Grundmotivs beruht. In ihrem Fall sind das Auftritte von mehr oder weniger nackten Frauen, die bedeutungsvoll schweigend in Museumsräumen liegen oder stehen. (…)

Wo immer Beecroft anrückt, ist auch eine Armee von Interpreten nicht weit, die den Auftritt der Frauen als bewusstseinsschärfendes Kunsterlebnis feiern: Beecrofts meist unbekleidete Frauen, heißt es etwa in dem von Uta Grosenick herausgegebenen Kunstführer „Art Now“, „stellen eine Reihe beunruhigender Fragen bezüglich Voyeurismus, Sexualität“, anderswo heißt es, Beecroft „hinterfrage“ unsere Schönheitsideale. Aber: Was war zum Beispiel die „Hinterfragung“, der kritische Erkenntnisgewinn (und was folgte an Bewusstseins- und Handlungsänderungen daraus), als Vanessa Beecroft im Auftrag des Luxusherstellers Louis Vuitton 2006 zur Eröffnung eines neuen Ladens hell- und dunkelhäutige nackte Modells so drapierte, dass ihre Körper die Initialen „LV“ ergaben?

Jeder Schaufensterdekorateur wäre, hätte er eine solche Idee ernsthaft vorgetragen, zu Recht hochkant rausgeschmissen worden. Bei Beecroft aber hieß es: Nein, nein – das hier sieht vielleicht aus wie eine rassistische, frauenfeindliche Dekoration, ist aber ein Kunstwerk, das einen rassistischen und frauenfeindlichen Umgang mit dem weiblichen Körper kritisch reflektiert! Nur: Wo genau ist noch mal das kritische Potential hier?

Und könnte es sein, dass die Kritik in jenem Moment verpufft, wo sie zum Ornament jenes Systems wird, dem sie gilt: dass die Kunst Teil jener Misere ist, die sie kritisch zu reflektieren behauptet; dass die angeblich kritische und avantgardistische Performance umschlägt und zur Dekokirsche jenes Mainstream wird, gegen den sie angeblich antritt? Und dass am Ende aller interpretatorischen Veredelungsgirlanden für Beecrofts „Kunst“ nur das übrig bleibt: ein paar Frauen, die von voyeuristischen alten Säcken endlich mal gefahrlos in aller Öffentlichkeit angestarrt werden dürfen – weil ihr Blick auf die Brüste ja nur das Bewusstsein für die Problematik des Blicks auf Brüste schärfen soll; oder irgendwie so.”

(Niklas Maak in der FAZ)

Inhaltsverzeichnis:
* Die ersten 300 Folgen Schmähkritik
* Wer disst wen?

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