vonChristian Ihle 01.12.2016

Monarchie & Alltag

Neue Bands und wichtige Filme: „As long as the music’s loud enough, we won’t hear the world falling apart“.

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Arrival (Regie: Dennis Villeneuve)

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Der Kanadier Dennis Villeneuve ist nicht zu stoppen. In den letzten sechs Jahren hat Villeneuve fünf Filme gedreht, die ohne Abstriche empfehlenswert waren. Nach dem letztjährigen Drogenthriller „Sicario“ kehrt Villeneuve nun mit einem großen Science-Fiction-Film zurück. „Arrival“ mag mit Aliens und über Städten schwebenden Riesenraumschiffen wie ein „Independence Day“ aus einer alternativen Realität aussehen, könnte aber natürlich nicht weiter von Emmerichs Zerstörungsorgien entfernt sein. „Arrival“ steht dagegen in einer in Vergessenheit geratenen Tradition: die des bewundernd nach oben schauenden Science-Fiction-Films. Wissenschaftler sind hier auch weder nerdige Trottel noch durchgeknallte Verrückte, sondern a) Menschen und b) intelligente, deshalb nicht zu Aktionismus neigende Menschen.

Hier ist das Außen das Überlegene, aber eben auch Bessere, Reifere. Ein bisschen fühlt sich Villeneuves „Arrival“ manchmal an, als hätte Terence Malick den „Perry Rhodan“-Auftakt verfilmt – oder wie „Die Unheimliche Begegnung der Dritten Art“ ohne Spielbergkitsch. „Arrival“ ist sehr ruhig, entwickelt aber auf seine Art mehr Wucht als 100 gesprengte Freiheitsstatuen. Als Vergleich könnte man an Christopher Nolans unnötig verkopften „Interstellar“ denken – und merkt dann erst, was für ein Meister des einfachen Erzählens bei gleichzeitig großem visuellen Talent Villeneuve doch ist. „Arrival“ ist ohne Zweifel der bessere „Interstellar“. Die besten Voraussetzungen für Villeneuves angekündigtes „Blade Runner“ – Sequel!

Ich, Daniel Blake (Regie: Ken Loach)

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Der Altmeister des sozialen Realismus. Ken Loach ist bekennender Linker, Verteidiger der Working Class und glühender Anhänger alter sozialistischer Ideale (siehe zum Beispiel sein „Spirit of 45“ Portrait über die britische Labour Party). „Ich, Daniel Blake“ gewann zur großen Überraschung dieses Jahr in Cannes den Hauptpreis (und versaute so Maren Ades großem Favoriten „Toni Erdmann“ die Party) – und ja, so richtig nachvollziehbar ist diese Entscheidung nicht. Denn „Ich, Daniel Blake“ ist ein Beispiel für jenes Phänomen, das Bret Easton Ellis mit „ideology trumps aesthetics“ umschreibt: wenn das Herz am rechten (bzw in diesem Fall: linken) Fleck ist, dann brauchen wir nicht auch noch das Kino neu erfinden.
Doch so sehr „Daniel Blake“ auch eine geradlinig erzählte Polemik gegen soziale Ungerechtigkeit ist und seine beiden behandelten Beispielfälle in klarsten Schwarz/Weiß- und Gut/Böse-Schemata zeichnet, kann ich dennoch nicht umhin, als tatsächlich gerührt zu sein. Denn – und das ist ja nun auch etwas, das Regisseure auszeichnet – Ken Loach gelingt es, bei aller Offensichtlichkeit der Charakterentwicklung und Geschichtenerzählung ein eindrucksvolles Pladoyer für den Zusammenhalt und die helfende Hand zu halten, das in einer Schlußansprache gipfelt, mit der Hillary Clinton die US-Wahl hätte gewinnen können.

Paterson (Regie: Jim Jarmusch)

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Jim Jarmusch ist eine Ikone des lakonischen, langsamen Arthouse-Kinos. Ein Relikt der 80er Jahre, vergleichbar wohl nur mit dem Finnen Aki Kaurismäki, der allerdings mehr Soziorealismus in seinen Filmen thematisiert. Jarmusch dagegen predigt die Poesie des Banalen. Ich mag Jarmusch wirklich gern, gerade auch die Langsamkeit seiner Filme. Wenn Jarmusch ganz zu sich kommt wie im wunderbaren „Broken Flowers“ mit Bill Murray (Murrays career best!), dann liefert der weißhaarige New Yorker, was Peter Hein so schön mit „Ich kenne das Leben, ich bin im Kino gewesen“ besang. Sein neuer Film „Paterson“ über eine Woche im Leben eines busfahrenden Dichters (oder dichtenden Busfahrers) verliert sich aber leider so sehr im Repetitiven, dass er doch in Richtung öde kippt. Natürlich ist „Paterson“ fein beobachtet, mit vielen kleinen Spielereien gespickt. Jarmusch erreicht durchaus sein Ziel, die Alltäglichkeit des Lebens in all seiner Trivialität zu zeigen und darin ab und an die Schönheit der Einfachheit aufblitzen zu lassen – aber für 120 Minuten Film ist das trotzdem einfach nicht genug.

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