Wenn ich mir was wünschen dürfte: dass der Retroagententhriller von „Atomic Blonde“ auch die Zukunft des Actionkinos wird. „Atomic Blonde“ ist ziemlich sexy, durchaus smart, sehr stylish, aber trotz seiner glänzenden Oberfläche hart. Im Rahmen dessen, was man von einem Mainstream-Action-Film erwarten kann, gewinnt „Atomic Blonde“ auf der ganzen Linie. Natürlich finden wir hier die klassischen Tropes des Agentenactionthrillers Marke „James Bond“ oder „Mission Impossible“. Und ja, die zuweilen zu nonchalante Gewalt des Films kann seine Herkunft aus einer graphic novel nicht leugnen, und richtig, Charlize Theron ist sexy and she knows it.
Aber doch: wann gab es zuletzt einen weiblichen Actionhelden, der sich mit dieser Selbstverständlichkeit positioniert? Schon die erste Szene zeigt gut, wie „Atomic Blonde“ einerseits scheinbar Klischees bedient und sie dabei doch auf den Kopf stellt: wir sehen Charlize Theron in all ihrer nackten Schönheit in der Badewanne – aber bemerken dann, dass sie ein Eisbad nimmt, um die Wunden zu kühlen, mit der ihr Körper übersäht ist. Es ist die Härte, die gut aussieht.
„Atomic Blonde“ spielt im Berlin der Wendezeit, verschränkt sich mit realen Ereignissen und spielt mit ihnen, taucht tief in einen Ost/West-Konflikt der Täuschungen, Doppeltäuschungen und doppelter Doppeltäuschungen ein, hat einen pulsierenden 80ies-Synth-Soundtrack (der auch nicht verleugnen kann, dass wir hier in einem Mainstream-Kontext unterwegs sind: es sind eben die 80er von Nena, Bowie, „Blue Monday“ und Depeche Mode), zeigt Berlin als kaputte Stadt am Auseinanderbrechen, in der aber auch alles möglich ist, und taucht seine Geschichte in einen Neon-Style, der 1982 meint, auch wenn er 1989 schreibt.
Das Herz des Films ist neben seinem unbedingten Stilwillen Charlize Theron als allbestimmende Figur, die in fast jeder Szene ist und dabei raucht, säuft, kämpft, fickt, mordet und betrügt als gäbe es kein Morgen mehr in diesen Tagen von 1989: The End Of History featuring Charlize Theron. Selbst die verlotterte Figur des alteingesessenen britischen Berlin-Agenten, der langsam zur Stadt selbst geworden ist (gespielt von James McAvoy), wirkt gegen die kühle Eleganz in der Dekadenz von Therons Charakter verloren.
Selbst die nachvollziehbare Kritik, dass der Film in seiner Königsszene uneben wirkt, hat seine gute Seite: eine fünfzehnminütige Plansequenz ohne (erkennbaren?) Schnitt spielt einen Kampf zwischen Theron und KGB-Agenten in ultra violence aus und setzt einen zunächst befremdlichen Kontrapunkt zur sonstigen easy going, jamesbondigen Gewalt des Films. Das verstört zwar einerseits, weil diese Sequenz kaum zum Ton des restlichen Films passen will, aber macht eben den notwendigen und im Mainstream viel zu selten gesetzten Punkt, dass Gewalt schmerzt und Totschlag nicht lustig ist.
Ich würde mir wirklich wünschen, dass „Atomic Blonde“ ein Leuchtfeuer für den kommenden Actionfilm setzt: smart, stylish, feministisch.