vonChristian Ihle 29.11.2018

Monarchie & Alltag

Neue Bands und wichtige Filme: „As long as the music’s loud enough, we won’t hear the world falling apart“.

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Zum vierten Mal fand am Wochenende das Synästhesie-Festival statt, das sich als eines der wenigen deutschen Festivals als Kurator einer relativ klar definierten Szene versteht. Die Veranstalter des Synästhesie-Festivals sind die Betreiber der 8mmBar und des dazu gehörigen 8mmMusik-Plattenlabels. Bar wie Label sind im elektroaffinen Berlin beinah Solitäre: eine Umgebung für Bands, die gleichermaßen von Krautrock wie Post-Punk, Psych- wie Noiserock beeinflußt sind.

Demzufolge bietet auch das diesjährige Synästhesie-Festival einen Querschnitt aus diesen Musikrichtungen. Blue Angel Lounge und The Underground Youth können ihre Vorliebe für Velvet Underground nicht verneinen, erstere mischen dazu Sturm-und-Drang-Romantik, letztere düsteren Jesus & Mary Chain – Chic. Beide überzeugen.
Höhepunkt des ersten Tages waren die kompromisslosen Gewalt, deren neueste Single wir ja gerade bereits empfohlen haben.

Eine kleine Sensation war die Verpflichtung der britischen Band Spritialized um Jason Pierce als Headliner. Auftritte von Spiritualized sind generell rah gesät und wenn mich meine Internetrecherche nicht trügt ist Pierce letzter Berlinbesuch bereits mehr als zehn Jahre her.

Spiritualized, Synästhesie Festival 2018

Im ausverkauften Kesselhaus in der Kulturbrauerei spielen Spiritualized ein tief beeindruckendes Set mit atemberaubend gutem Sound, der gerade das Leise und das Laute in einer Dynamik präsentiert, die ich bei einem Konzert lange nicht mehr gehört habe. Spiritualized spielen dank ihrer neun Personen starken Besetzung in einem eigenen Genre, das ich nur als Shoegaze-Gospel bezeichnen kann. Drei Gitarren duellieren mit drei Gospelsängerinnen in Harmonie wie Lärm, um eine sonic cathedral zu erbauen.
Erstaunlicherweise sind es gerade die Stücke des neuen Albums, die live beeindrucken – wohl weil die Gitarren im Gegensatz zur Platte nicht in Kakophonie gleiten, sondern in Zusammen- oder Gegenspiel mit dem Chor sich immer in Harmonien lösen.

Dass Spiritualized ihren Jahrzehntsong „Ladies & Gentlemen, We Are Floating In Space“ nicht einmal spielen, ist zwar schwer zu verzeihen, aber unterstreicht nur die Güte des Konzerts als solches. Ein Spiritualized-Gig ist eben keine Parade an Einzelsongs einer beinah dreißig Jahre alten Band, sondern als „Gesamtkunstwerk“ konzipiert.

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