Partner
Der wahre Triumph der Gleichberechtigung zeigt sich nicht nur im Guten, Wahren, Schönen, sondern im Zugang zu allen Bereichen – und in diesem Sinn ist die kanadische Band Partner die späte weibliche Antwort auf „Beavis & Butthead“, auf eine Generation kiffender Trinker, deren Lebenselixir Filme wie „FUBAR (Fucked Up Beyond All Recognition)“ oder „Heavy Metal Parking Lot“ war.
Folgerichtig haben die beiden Kanadierinnen aus Sackville, New Brunswick, weder Berührungsängste mit derbem Humor noch mit cheesy 80ies-Gitarren, drehen dabei aber diese Einflüsse immer etwas auf links – wie das beispielsweise auch einem Rivers Cuomo auf Weezers drittem Album gelang.
Pauls Jets
Der erst 21-jährige Sänger von Pauls Jets, Paul Buschnegg, vereint die Attitüde des Außenseiters mit einem Gefühl für Pop, das weiter trägt als die übliche Indie-Nische und die Band in Radio-Playlists führen kann. Pauls Jets haben keine Angst vor dem eingängigen, großen Refrain, sind aber dank Buschneggs nasal-schnoddriger Intonation und seinen Sturm-und-Drang-Lyrics davor gefeit, in den Kitsch abzurutschen und haben so mit “Alle Songs Bisher” eines der besten Alben des Jahres veröffentlicht.
Black Country, New Road
Die spannendste neue Band Englands vereint Prog- mit Post-Rock, Folk mit Punk, Saxophon mit Gitarre wie Synthies und irre guten Texten wie diesem hier:
I am invincible in these sunglasses
I am the Fonz‚ I am the Jack of Hearts
I am looking at you and you cannot tell I am more than the sum of my parts
I am looking at you with my best eyes and I wish you could tell
I wish all my kids would stop dressing up like Richard Hell
I am locked away in a high-tech, wraparound, translucent, blue-tinted fortress, and you cannot touch me
I am invincible in these sunglasses
I’m modern Scott Walker
I’m a surprisingly smooth talker and I am invincible in these sunglasses
(…)
I’m more than adequate
Leave Kanye out of this
Leave your Sertraline in the cabinet
And fuck me like you mean it this time, Isaac
Squid
Squid sind Labelkollegen von Black Country, New Roads und der allerorts gefeierten Black Midi – und damit ist auch schon ihr Sound gut umrissen, der manchmal, wie auf der Single “Houseplants” stärker in Richtung hektischer Post-Punk lehnt als bei den beiden Kollegenbands.
Mattiel
Die junge Amerikanerin aus Atlanta, Georgia, ist derzeitiger Support auf Jack Whites Tour und dementsprechend klingt die Musik auf Mattiels zweitem, gerade veröffentlichten Album „Satis Factory“ auch nach den handgemachten Sounds der 50er und 60er, die White so schätzt. Stampfender Soul zu schwitzigem Garagenrock heißt die Devise.
Gently Tender
Gently Tender, das Gemeinschaftsprojekt der Mitglieder von Palma Violets und The Big Moon, ist ganz dem Namen entsprechend deutlich harmonischer und weniger räudig als die Mutterbands unterwegs. Insbesondere die Debütsingle “2 Chords Good” beeindruckt mit psych-folkigen Harmonien.
Drahla
Eiskalten Post-Punk servieren Drahla und erinnern damit an das erste Album der Savages und natürlich an all die Ur-Mütter/Väter des No Wave wie ESG und Liquid Liquid.
Ja, ein Saxophon gibt es auch zu hören.
BILK
Reduzierten Post-Punk spielen auch Bilk aus Essex, die in ihrem eher skelettar instrumentierten Hit “Spiked” an die ganz jungen Arctic Monkeys minus deren Gitarrenheftigkeit erinnern.
Miss June
Die neuseeländische Band Miss June um Frontfrau Annabel Liddell spielen kräftig-treibenden Indierock, der ordentlichen Lärm macht und an eine ungezügeltere Version von Wolf Alice erinnern mag.
Culk
Eine der erstaunlichsten neuen Bands Österreichs sind Culk, die in Songs wie “Begierde/Scham” intime Themen vor einem Sound verhandeln, der Dream-Pop-Melodien in verstörende Indierock-Arrangements kleidet.
Ebow
Ebow ist ein Drittel der Gaddafi Gals und in Farces “I Hate Berlin” für mein liebstes Featuring des Vorjahres verantwortlich. Gerade ist das dritte Soloalbum der Wahlwienerin aus München erschienen, “Schmeck mein Blut” ist darauf der Höhepunkt.
Sofia Portanet
Auf ihrem treibenden Synthie-New-Wave-Hit “Wanderratte” spielt Sofia Portanet eine Mischung aus Nina Hagen und Siouxsie & The Banshees mit einem Drangsal-ähnlichen Früh-80er-Popvibe.
Die Theatralik Sofia Portanets muss man allerdings abkönnen – aber gut, wer auf die drei Drama Queen red flags „Nina Hagen“, „Siouxsie“ und „Drangsal“ noch mit einem Klick aufs Video reagiert, der wird sich daran sicher nicht stören!
Ali Barter
Ähnlich wie ihre australische Nachbarin Alex Lahey spielt Ali Barter frischen Indierock, der in Richtung Pop-Punk schielt, meinetwegen einer cooleren Avril Lavigne gleich. Wie Ali Barter in ihrer Außenseiterhymne “Ur A Piece Of Shit” textet: “Put your hands up if your dad had an affair / Put your hands up if your mother never cared / Put your hands up for eating disorders, yeah / I love you ’cause you’re fucked / You’re my BFF for life / Your life is a mess and so is mine / You’re a piece of shit and so am I”
Les Big Byrd
Auf ihrem letztjährigen Album “Iran Irak Ikea” erinnert die schwedische Band Les Big Byrd in “A Little More Numb” aufs Wunderbarste an Klaus Dingers Post-Neu!-Band La Düsseldorf. Leicht schwebender Krautrock, wie er MGMT auf ihren späteren Alben zuweilen glückte. Fun Fact: Big Byrd Jocke Åhlund hat eine Vergangenheit bei der Indiepop-Band Caesars, die vor gut 15 Jahren jeden Dancefloor mit “Jerk It Out” füllten.
Sparkling
Schon auf der Debüt-EP „This is not the paradise they told us we would live in“ signalisierte die Kölner Band dass mit ihr zu rechnen ist. Im Gegensatz zur EP, die in Songs wie “I Am Here To Stay” noch nah an Strokes-Epigonen wie den Kilians war, ist auf dem gerade erschinenen Debütalbum ein eigenständigerer Sound zu bemerken. Bestes Beispiel ist “We Don’t Want It”.
Say Sue Me
Das Klischee über Südkorea ist natürlich: K-Pop. Weniger erwartet man dagegen so versierten Twee-Indie-Pop wie ihn Say Sue Me spielen, die in Hits wie “Old Town” an Alvvays und vor allem an das erste Album der Pains Of Being Pure At Heart erinnern.
The Stroppies
Die australische Indiepop-Band The Stroppies spielt Jingle-Jangle-Pop, der ganz offensichtlich Flying Nun – Bands wie The Clean verehrt oder – um von Neuseeland gleich nach Australien zurückzugehen – eben die frühen Singles der Go-Betweens.
Anja Rützel
SpiegelOnlines liebste Trash-TV-Kolumnistin Anja Rützel, die in diesem Jahr dank einer Kritik – mit dem sehr schönen Titel “Und wie lit ist dein Avocadotoast?” – über eine Influencer-Awards-Veranstaltung einen absurden Shitstorm zu durchleiden hatte (siehe unter anderem hier), liest aus ihrem neuesten Buch über Take That.