7inch #recordoftheday
Charles Aznavour – Du läßt dich gehn
1962, Ariola / Charts: D #14
Auf das erste Hören klingt Charles Aznavours Hit von 1962 (deutsche Version) wie von Al Bundy co-geschrieben:
Du bildest dir doch wohl nicht ein
Du könntest reizvoll für mich sein
Mit deinen unbedeckten Knien
Wenn deine Strümpfe Wasser ziehn
Du läufst im Morgenrock herum
Ziehst dich zum Essen nicht mal um
Dein Haar da baumeln kreuz und quer
Die Lockenwickler hin und her
Und schiefe Hacken obendrein
Wie fiel ich nur auf sowas rein
Zuerst hatte ich vermutet, dass hier vielleicht die deutsche Übersetzung des französischen Originals „Tu t’laisses aller“ es mit der Misogynie vielleicht etwas zu gut gemeint hat, aber dieser Ton ist durchaus schon in Aznavours Chanson so angelegt gewesen.
Im Gegenteil, die deutsche Plattenfirma hat sogar zunächst gezögert, eine deutschsprachige Version davon als Single zu veröffentlichen. Was aber zunächst erstaunlich sensibel für Ariola in 1960 klingt, relativiert sich wieder, wenn man die Begründung liest: „Das können wir nicht machen. Wir haben in Deutschland ziemlich viele dicke Frauen“.
Jedenfalls, ungefähr mittig dreht Aznavour seinen Chanson von Frauenbeschimpfung zu einer Skizze einer kaputten Ehe und bringt in der letzten Strophe wieder Wärme in seinen Text, wenn klar wird, dass sein sein lyrisches Ich „nur“ aus verletztem Stolz und vermisster Liebe um sich schlägt:
Sei doch ein bißchen nett zu mir
Damit ich dich nicht ganz verlier
Denk an die schöne Zeit zurück
Die Liebe auf dem ersten Blick
Wie ich am Abend zu dir kam
Und dich in meine Arme nahm
An meinem Herzen, dass wär schön
Da lass dich gehn, da lass dich gehn
Na gut, es waren die frühen 60er.
Heute würden sich ein lyrisches Ich so etwas natürlich nicht mehr herausnehmen!
P.S.: Später, 2003, wagten sich auch Die Kassierer an eine deutsche Version heran. Ich sag mal so, das lässt sich eher so gehn:
Ah danke – den kannte ich noch nicht!