vonChristian Ihle 28.04.2023

Monarchie & Alltag

Neue Bands und wichtige Filme: „As long as the music’s loud enough, we won’t hear the world falling apart“.

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Infinity Pool (Regie: Brandon Cronenberg)

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James, ein erfolgsloser Autor mit Writers Block (Alexander Skarsgard, herrlich verkrampft), und seine Ehefrau/Verlagserbin/Mäzenin Em verbringen ihren Urlaub in einem Tourismus-Ressort in einem fiktiven „Dritte Welt Land“.

Der Tourismus-Bereich ist eingezäunt, Wachen mit Maschinenpistolen stehen am Eingang und von Ausflügen auf den Rest der Insel wird strengstens abgeraten. Nachdem James & Em sich mit einem anderen Pärchen anfreunden, lassen sie sich natürlich doch zu einem Tag an einem unberührten Strand überreden. Als auf dem Rückweg ein Unglück passiert, nimmt der Horror seinen Anfang…

Was genau in der Folge passiert, soll gar nicht en detail erzählt werden, aber wir haben Doppelgänger, unbekannte Drogen, eine Militärjunta mit eigenen Regeln, Aphrodisiaka, Mia Goth im völligen Freidrehmodus, psychedelische Orgien, die gruseligsten Masken der jüngeren Filmgeschichte und Stellan Skarsgard als Hund.

Kurz: einen völlig wilden Film, der mehr wie ein psychedelischer Trip wirkt als wie eine kohärente Erzählung und mit weiterer Spieldauer zunehmend weniger Sinn ergibt. Das verhindert dann vielleicht auch, dass „Infinity Pool“ nicht ganz den Punch hat, den seine Bilder versprechen, aber andererseits sind eben diese Bilder und Einfälle von Brandon Cronenberg ohne Frage gut genug, dass seine Tourismus-Horror-Klassengesellschafts-Satire immer fasziniert.

In gewisser Weise spielt „Infinity Pool“ so wie das psychedelische Gegenstück zum ausbuchstabierten „Triangle Of Sadness“ von Ruben Östlund.

Roter Himmel (Regie: Christian Petzold)

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Petzolds bester Film seit „Yella“ und „Wolfsburg“!

Der Großmeister der strengen Berliner Schule beginnt „Roter Himmel“ wie eine französische Sommerkomödie. Die Buddies Felix & Leon machen einen Ausflug an die Ostsee, in das Ferienhaus von Felix‘ Eltern, um dort am neuen Buch weiterzuschreiben (Leon) oder ein Portfolio für die UdK (Felix) zusammenzustellen. Doch potzblitz, als sie ankommen, hat sich schon die freigeistige Nadja eingenistet, die als Eisverkäuferin sommerjobt, mit Bademeistern laut die Nächte verbringt und auch sonst für ordentlich Aufregung und Verwirrung vor allem bei Leon, einem Grummelbären vor dem Herrn, sorgt.

Leon (Thomas Schubert) ist die interessanteste Figur: ständig mit irgendetwas unzufrieden, macht es ihn nur noch passiv-aggressiver, dass alle um ihn herum auch noch die Frechheit besitzen, einen guten Tag zu haben und die Sommerfrische an der Ostsee genießen wollen!

Daraus zaubert Petzold richtig lustige Momente der social awkwardness, die umso stärker wirken, weil Nadja (Paula Beer, bezaubernd wie immer) lange durch diesen Film flattert, als könnte nichts ihr Gemüt trüben.

„Roter Himmel“ macht so viel Spaß, dass man gern verdrängt, wie doch von Beginn an immer wieder vom kommenden Unglück im Hintergrund geraunt wird. Die Konzentration auf das eigene Ego verhindert auch bei allen Charakteren, dass sich jemand mit kommenden Katastrophen befassen könnte. Doch Petzold macht daraus keine simple Baum-Umarm-Message, sondern geht tiefer, in das Persönliche: in den Moment, wenn die Gewissenheit über die Wichtigkeit des Selbst durch das Außen erschüttert wird.

„Roter Himmel“ ist zu zwei Dritteln leicht wie eine Sommerbrise und brennt im letzten Drittel wie eine Feuerwalze.

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