Das Reeperbahnfestival ist das wichtigste Showcase-Festival in Kontinentaleuropa und deshalb weniger aufgrund seiner großen Acts besuchenswert (wobei Billy Bragg & The Pretenders natürlich bei mir auf dem Zettel stehen), sondern vor allem wegen der vielen jungen Bands, die sich hier vorstellen.
13 Tipps aus dem riesigen Programm:
* Cucamaras
Eine der spannendsten britischen Post-Punk-Bands, deren „Death Of The Social“ bereits 2022 den Sprung auf unsere „Best of British Pop“-Jahesplaylist geschafft hat. Die älteren Lieder erinnern an The Fall at The Witch Trials, die jüngeren an Yard Act.
* deathcrash
Slowcore crashing down. Mächtige Soundwände baut die Londoner Band deathcrash auf, schafft es aber, sich dabei nicht in Post-Rock-Verästelungen zu verlieren. Ich bin großer Fan der 15-Minuten langen Version von „People Thought My Windows Were Stars“ von 2020.
* Penelope Scott
Ein wenig verblüffend ist es schon, schaut man Penelope Scotts Spotify-Plays an. Wer hätte gedacht, dass dieser Kimya Dawson / Casiotone For The Painfully Alone – Hybrid für die TikTok-Generation die Spotify-Abrufe im neunstelligen (!) Bereich einfährt wie für ihren wirklich fantastischen Hit „Rät“, ein “breakup letter to the tech cult that is Silicon Valley”, das zuerst den Namen “Elongated Muskrat” trug in Referenz zu Duweißtschonwen – und zwar übrigens bereits 2020, als der Rest der Welt noch freudig-progressiv die Teslas auf und nieder fuhr.
* Sprints
2021 landete „How Does The Story Go“ der Post-Punk-Band Sprints bereits auf #4 in den hiesigen Songs des Jahres. Nach weiteren restlos ausverkauften Singles hat City Slang nun die Iren unter Vertrag genommen.
Picture Parlour
Stars in the making. Mit gerade mal einem veröffentlichten Song hat die in Manchester gegründete, sich nun in der Brixton-Szene befindliche Band für ordentliches Aufsehen gesorgt. „Norwegian Wood“ (kein Cover) ist so ein mächtiger Rock-Song, dass Bonnie Tyler die Ohren schlackern und die Manic Street Preachers ihre „Motorcycle Emptiness“-Gitarre ausleihen. Kein Wunder, dass Courtney Love schon bekennender Fan it. So viel Rockröhren-Sound mit Attitude war in Großbritannien nicht mehr seit seligen Catatonia.
* Etran de L’Air
Aus dem nordischen Niger stammen Etran de L’Air (übersetzt „Sterne des Himmels), eine Working Class Band, die psychedelischen Wüstenblues spielt. „Hit“: „Agrim Agadez“.
* Die Selektion
Die deutsch-schweizer EBM/ Synth-Wave-Band Die Selektion veröffentlicht gerade ihr neuestes Album, entdeckt mit der Leadsingle „Ascheregen“ auf einmal Pop – und klingt dabei wie ein verlorener Pet Shop Boys Track von 1985.
* Kynsy
Im Januar 2021 hatte ich mich über Kynsy hier erstmals begeistert und sie einen „weiblichen Julian Casablancas für die 2020er Jahre“ genannt. Bin sehr gespannt, wie sich das zweieinhalb Jahre später anhören wird!
* Tränen
Gwen Dolyn hat mit ihrer alten Band im letzten Jahr mit einem Synthpopcover von EA80s „Dr Murkes gesammeltes Schweigen“ für Aufsehen gesorgt. Nun bildet sie mit dem Kraftklub-Gitarristen Steffen Israel die Tränen und hat dank „Stures Dummes Herz“ gleich einen Neue Neue Deutsche Welle Hit mitgebracht, wie ihn vor 20 Jahren noch Mia. geschrieben hätten.
Big Special
Auch interessante Frage: wie würden wohl die Sleaford Mods klingen, wenn sie nicht vom Punk-Hip-Hop, sondern vom Breitseiten-Rock via LCD Soundsystem kämen? Big Special beantworten die Frage deutlich überzeugender als man denken würde. Die Single „Shithouse“ (ihre Debütsingle aus diesem Sommer) hält die „Fuck“-Dichte hoch wie James Williamson, der Sound spielt wie eine simplifizierte LCD-Variante. Würde mich nicht wundern, wenn das hier durch die Decke geht.
* English Teacher
Seit die britische Band English Teacher mit „Wallace“, der b-Seite ihrer Debütsingle „R&B“, einen Konzeptsong über einen „apocalyptic monologue about what happens when people listen to Wallace Hartley, the band-leader of the Titanic, as a distraction to the sinking of the ship“ veröffentlicht haben und dort in die Indierock-Soundwand das letzte auf der Titanic gespielte Lied „Nеarer, my God to thee“ eingebunden hatten, bin ich Fan.
* Ebow
Ebow – auch ein Teil der Gaddafi Gals – war bereits im letzten Jahr einer der Höhepunkte des Reeperbahnfestivals mit ihrer Hip-Hop-Show, die ganz klassisch-minimalistisch auf Ebows Skills und eine DJane an den Turntables setzte.
* Poulish Kid
Elektronischer Pop, der gleichzeitig Bedroom wie Hip-Hop fühlt und auf dem Label der Partyatzen mit Attitude, Audiolith, erscheint. Interessant ist auch „Paradise“, seine Verbeugung von „Where Is My Mind“ der Pixies.
…und wem obige Tipps nicht zusagen, hier noch eine längere Liste an spannenden Acts, die auf meiner Long List stehen:
* Altin Gün
** Arab Strap
Arlo Parks
Asbest
AUGN
AVEC
** Bärchen und die Milchbubis
Bartees Strange
Bayuk
Big Special
** Billy Bragg
* Bipolar Feminin
Black Honey
* Bob Vylan
Bon Enfant
Brockhoff
** Burnout Ostwest
Carlo Karacho
* Chalk
* Cousines Like Shit
CVC
Daisy The Great
Desiree Dawson
Die Cigaretten
Featurette
Flyying Colours
Fuffifufzich
Geese
Get Jealous
** Gewalt
Girl Scout
Girlwoman
Hot Wax
iedereen
* Joe Unknown
Kara Jackson
K.Flay
La Securité
Lynks
Lyschko
* MadMadMad
Mise En Scene
Noisy
Nova Twins
NYSSA
** Paula Paula
* Picture Parlour
** Pogendroblem
Puma Blue
Sam Quealy
* Shitney Beers
Sophia Blenda
* Sparkling
* Team Scheisse
Teleman
Temples
The Bug Club
* The Hives
** The Last Dinner Party
** The Mary Wallopers
The Pretenders
The Staves
Tiflis Transit
Tramhaus
Uche Yara
** Viji
* Zustra