Cuckoo (Regie: Tilman Singer)
Ein wenig Lynch & Argento, ordentlich Cronenberg (David UND Brandon) sowie viel originäre Weirdness bringt Tilman Singer in seinen Horrormysteryfilm „Cuckoo“ ein.
Nachdem Singer mit „Luz“ einen ungewöhnilchen deutschen Genre-Film als Debüt gedreht hat, kann er nun eine erstaunlich namhafte Besetzung mit Hunter Schafer (stark in ihrer Bockigkeit) und Dan Stevens (dem Overacting nicht abgewandt) aufweisen.
“Cuckoo“ erzählt eine rätselhafte Geschichte um familiäre Bande und die Frage, ob das Blut dicker als Wasser ist. Wir sehen aber auf jeden Fall mehr Blut als Wasser, so viel sei verraten. Weder darf man also zart besaitet sein, noch seine Geschichten allzu sehr in unserer Realität haben wollen, denn „Cuckoo“ ist sehr eigen, hart am Rand. Aber Singers Alpen-Cronenberg ist noch einmal beeindruckender als „Luz“, kann man sich auf die ungewöhnliche Geschichte einlassen.
Sicherlich ein Love/Hate-Film.
La Cocina (Regisseur: Alonso Ruizpalacios)
Wer die zurecht gefeierte TV-Serie „The Bear“ gesehen hat, kennt die Magie der Hektik einer Profiküche: die Aufregung, den Rausch, aber auch den Anschlag auf alle Sinne, der den Zuschauer so ausgelaugt zurücklässt wie die Protagonisten auf dem Bildschirm. Auch „La Cocina“ gelingt dieses Kunststück, reichert aber dieses Setting mit einer Erzählung über die Ausgestoßenen, Abgehängten, gerade Eingewanderten an, so dass die Großküche am Times Square zur Umsetzug des berühmten Spruchs an der New Yorker Freiheitsstatue wird: “Give me your tired, your poor/Your huddled masses yearning to breathe free”.
In quadratischem Schwarz-Weiß-Bild, das die Enge der Küche auch visuell spürbar macht, führt Regisseur Alonso Ruizpalacios ein großes Figurenensemble ein und vermag dennoch seine einzelnen Protagonisten mit wenigen Strichen eindrucksvoll zu gestalten. Trotz seiner Länge von 140 Minuten hat „La Cocina“ die Zuschauer fest im Griff wie ein guter Chef seine Küche. Ein richtig starker Film, dem auf kleinem Raum eine große Erzählung gelingt.
Shahid (Regie: Narges Kalhor)
Narges Kalhors „Shahid“ ist eine metafiktionale Erzählung über die Beschwerlichkeiten, die die deutsche Bürokratie Einwanderern bereitet, über die iranische Geschichte, über den feministischen Kampf, über Rich-Kids-Selbstkritik, übers Filmemachen. Erzählt in mockumentarischen Episoden wie in Tanz-Sequenzen, via Hinter-dem-Vorhang-Diskussionen und Spielfilmszenen. Kurz: sehr viel, zu viel. Kalhors Film ist kurzweilig, aber verzettelt sich in so vielen Ideen, dass der Kern kaum noch auszumachen ist und tendiert dazu, sich selbst ständig vorab zur Diskussion zu stellen, was mir neuerdings als eine Art Habacht-Trend vor möglicher Twitter-Kritik vorkommt.