Seit Sonntag Abend macht eine Schlagzeile des SPIEGEL die Runde. Das zuvor stolz verkündete »Klimapaket« der Bundesregierung ist im Nachgang abgeschwächt worden. Verbindlichkeitserklärungen wurden in Absichtserklärungen geändert. Das Versprechen zum Beispiel, bis 2050 Treibhausneutralität in der Bundesrepublik zu “erreichen”, wurde mit der Formulierung, dass das Ziel jetzt nur noch “verfolgt” werden solle, ersetzt – allen Protesten zum Trotz.
Die Bundesregierung agiert gewohnheitsmäßig nach den Gesetzmäßigkeiten des Kapitals, während Extinction Rebellion im Windschatten von Fridays for Future ihren radikalen Protest des zivilen Ungehorsams, der zu begrüßen ist, begonnen hat.
Gleichzeitig lese ich in der Zeitung von den Aktivitäten des größten Klimakillers: das Militär. Nächstes Jahr sollen mit der militärischen Großübung »Defender 2020« 37.000 US-Streitkräfte über Deutschland nach Polen und ins Baltikum verlegt werden. Das ist die umfangreichste Verlegung von Soldaten aus den USA nach Europa in den vergangenen 25 Jahren. Die Bundesrepublik soll dabei “logistische Drehscheibe” sein. Was wollen die hier? Was wollen sie in Osteuropa?
Zudem wurde bekannt, dass der Umfang von genehmigten Rüstungsexporten durch die Bundesregierung bis Ende September im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um mehr als sechs Milliarden Euro auf einen neuen Rekordwert gestiegen sei. Hauptabnehmer sind Ungarn, wo die Bundesregierung unter der Federführung der rechtskonservativen Fidesz der Abschottung der Festung Europa beihilft, und Ägypten, wo eine Militärdiktatur regiert, denen die Bundesregierung dadurch im Jemen-Krieg und im Krieg auf der Sinai-Halbinsel zum Mord und zu Menschenrechtsverletzungen beihilft. Andere Empfängerländer, die auch am Jemen-Krieg oder an anderen Kriegsplätzen beteiligt sind, will ich gar nicht erst nennen.
Da frage ich mich, warum der politisch farblose Protest von XR nur über das bestehende Wirtschaftssystem spricht, ohne sich gegen es auszusprechen, ist es doch das Kraftfeld der strukturellen Naturausbeutung. Auch frage ich mich, ob Verkehrsblockaden, die den Dieselfahrer eher nerven und seinen Charakter vielmehr verkleinbürgerlichen und verhärten, als sein Verhalten zur Veränderung zu bewegen, die richtigen Orte sind, wenn man mehr als bloß ein Appell an die Herrschenden senden möchte.
Wäre es da nicht in der Sache konsequenter und politisch angemessener, man blockierte etwa nach dem Vorbild der Aktivisten am Hambacher Forst Banken, Betriebstore, Rüstungsproduzenten und Militärstützpunkte, die vom Krieg leben, während die Beherrschten und die Natur daran zugrunde gehen? Der größte Klimakiller, der auch Menschen ermordet und an beidem profitiert, sind Rüstungsindustrie und Krieg.
Diese Truppenübungen werden mit Bruchteilen eines Prozents in unsere CO2-Bilanz eingehen, der zivile Verkehr ist dagegen mit 22% dabei. Da wird also schon an der richtigen Stelle protestiert.
Außerdem ist es nicht so leicht praktikabel, den militärischen Teil z.B. des Frankfurter Flughafens zu besetzen, jenseits der Sicherheitskontrollen.