vonCaro 02.11.2010

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„So selbstlos wie die Street Yogis bin ich nicht, auch wenn ich es manchmal gerne wäre.“
Ein Interview
am 25.08.2010 mit Josef, der die Street Yogis bastelt und verklebt

Frage: Hallo „Street Yoga“. Magst Du Dich erstmal vorstellen? Wer bist Du? Wie heißt Du? Was machst Du? Wie trittst Du an die Öffentlichkeit?
Antwort: Hallo. Ich bin Josef, mache Yoga und Akupressuren und Street Yogis und Fotografien. Mit dem Yoga trete ich an die Öffentlichkeit. Mit den Street Yogis, das sind eigentlich eher die Eingeweihten, die es irgendwo gelesen haben oder irgendwie die Internetseite finden oder mich kennen. Die Leute, die zu mir kommen, kommen in der Regel über’s Yoga.

Du hast ja die „Street Yogis“ schon genannt. Was ist das? Was hat es damit auf sich?
Street Yogis sind kleine Korkfiguren, die irgendwelche Asanas, also Yoga-Übungen machen – deshalb Yogis – die ich dann auf Straßenschilder klebe und hoffe, dass die Leute sie sehen und sich freuen.

Seit wann machst Du die Street Yogis?
Ich mache die jetzt seit etwas über ein Jahr. Nächsten Monat haben die ersten drei, die noch leben, Geburtstag. Bin auch sehr gespannt, ob sie das noch erleben. Ich erzähle mal ihre Geschichte. Also, vor circa einem Jahr gab es im Tagesspiegel einen Artikel über Slinkachu, der macht diese kleinen Männchen und da wurde sein Buch vorgestellt. Das fand ich total klasse und dachte „Wow, sowas müsste ich auch machen“. Weil das was Positives transportiert. Ich finde das brauchen wir, weil wir die ganze Zeit ganz viele negative Sachen haben, die reinkommen: Nachrichten, Radio, Zeitung, überall wird man mit so einer negativen Stimmung konfrontiert. Gerade hier in Neukölln, es ist extrem, was hier so für Bilder existieren. Ich lebe hier – das Leben hier ist ok – es ist vielleicht nicht in allen Bereichen so schön wie woanders, aber man kann hier durchaus leben. Aber das Bild, was transportiert wird, das ist einfach ganz schlimm. Und weil die “Little People” ein anderes, ein schönes Bild transportieren, hat mich das sehr angesprochen. Ich habe überlegt, was kann ich machen? Erstens bin ich nicht so ein Künstler wie Slinkachu und zweitens wollte ich auch nicht viel Geld ausgeben – dann sind mir halt irgendwann Korkfiguren eingefallen. Ich habe mir überlegt, wie könnte ich die machen und habe angefangen zu basteln und die erstmal aufgeklebt und geguckt was passiert. Die ersten habe ich mit normalem Holzleim gemacht, die haben sich dann relativ schnell aufgelöst bei der Feuchtigkeit und sind abgestürzt. Dann habe ich gemerkt, ich muss die mit wasserfestem Leim machen und das hat funktioniert. Die ersten, die jetzt Geburtstag haben, die sind mit wasserfestem Leim. Mittlerweile nehme ich ein lösungsmittelfreies Pattex, das auch Minustemperaturen aushält. Es ist aber ein bisschen schwer zu verarbeiten und da frage ich mich, ob manche nicht abstürzen, weil der Kleber nicht genug vorgezogen hat oder so. Man fängt an und macht Erfahrungen. Zum Beispiel habe ich gemerkt, Telefonzellen gehen gar nicht, die sehen zwar toll aus, aber sie werden gewartet. Bei Schulen geht’s auch nicht, weil die Kinder die runterholen. Und über Fahrradwegen geht auch nicht, weil die Radfahrer die runterholen. Und manche Stellen gehen. Ich finde das auch faszinierend zu sehen, manche bleiben ewig hängen, obwohl sie so exponiert sind, dass ich mir sage, dass die am nächsten Morgen schon weg sind. Und bei anderen sage ich mir, die sieht man gar nicht, und die sind dann am nächsten Tag weg. Wie das Leben! Im Prinzip war es die Idee, mit den Yogis etwas Positives in die Welt zu setzen, aus der Erfahrung heraus, dass die Wirkung die wir haben, in die Zukunft geht.

Ich habe auf Deiner Website street-yoga.de gesehen, dass Du ein neues Projekt hast: kleine Brüder und Schwestern der Yogis zu machen. Möchtest Du dazu etwas sagen? Oder sollen die erstmal noch inkognito bleiben?
Ich bin gespannt, ob die irgendwann gesehen werden und wie sich das entwickelt. Ich wollte das nicht so machen, dass das gar nicht bekannt wird. Etwa so wie mit den Korkfiguren, da wußte ich ja auch nicht, ob die gesehen werden oder nicht. Die sind dann relativ schnell gesehen worden. Da war ich auch erstaunt, weil ich erstmal natürlich gar kein Feedback gekriegt habe, nur meine Freundin wußte das. Ihr hatte ich alle Yogis gezeigt, wo ich sie aufgestellt hatte und so. Sie war begeistert und auch ihre WG. Ansonsten habe ich nix mitgekriegt. Und dann kam es auf einmal, dass Leute mich angesprochen haben, wenn ich einen aufgeklebt habe, und das total toll fanden. Dann kamen so Sachen zurück und ich habe gemerkt, es hat ’ne Wirkung. Manchmal denkt man, man ackert und ackert und ackert und da kommt nix bei raus, gar nicht nur nix zurück, sondern gar nix bei raus. Dadurch fand ich das Feedback ganz toll. Auch jetzt mit der Erfahrung mit Dir [mehrere Blogbeiträge zu den Yogis und die Vorstellung der Website], dieses Outen [durch den Kommentar im taz-Blog]…es hat ja doch ein bisschen die Spannung rausgenommen. Von daher habe ich mir gedacht, ich will nochmal ein Projekt machen, wo die Spannung erhalten bleibt. Irgendwann wird es was oder auch nicht, das wird sich zeigen. Deshalb will ich da auch gar nicht allzu viel mehr zu sagen. Nur soviel: Sie sind kleiner. Und der Ausgangspunkt war eigentlich der Skateboarder, den ich entdeckt hatte. Da bin ich so ‘ne Straße langgelaufen und habe geguckt, und plötzlich hups, nochmal geguckt, weil da so ein Skateboarder war, circa 3cm groß, mit Skateboard und Hindernissen und so, an die Hauswand geklebt. Das hat mich auch an Slinkachu erinnert, allein von der Größe her. Ich fand es auch toll, dass ich das so gefunden habe! Das hat mich dann so ein bißchen auf die Idee mit den Yogi Schwester und Brüdern gebracht.

Wo kann man Deine Street Yogis finden?
Auf Straßenschildern ganz allgemein. Vor allem in Neukölln und Schöneberg, weil ich da oft unterwegs bin. Ich freue mich natürlich auch selber, wenn ich sie immer wieder sehe. Wobei es mir auch oft passiert, dass ich denke, ich werde da jetzt vorbeifahren und gucken, ob er noch da klebt…und dann vorbeifahre und an etwas anderes gedacht habe. Jetzt im Moment versuche ich in Bezirke zu gehen, wo ich noch nicht war. In Neukölln sind ganz viele weg. Ich vermute dass das Netz zu dicht ist und Leute dann aufmerksamer werden und die dann schnell runterkommen. Deshalb versuche ich jetzt mehr in die Breite zu streuen. Das ist natürlich aufwändig, weil ich dann nach Wedding, Tiergarten oder Moabit fahre, und wenn ich nachts klebe, am nächsten Tag nochmal hinfahren muss, um tagsüber Bilder zu machen. Ich fahre extra an Orte, um die Yogis dort zu verkleben. Ich verbinde das eigentlich nicht mit anderen Unternehmungen vor Ort. Anfangs hatte ich Freunde, Bekannte, oder auch Yogazentren ausgesucht, denen ich sozusagen Geschenke geklebt habe. Dann hat es sich vor allem in Neukölln und Schöneberg konzentriert und dann habe ich irgendwann festgestellt, dass die zu bekannt sind und so viele verschwinden. Ich weiß nicht, ob es Souvenirjäger oder Ordnungsfanatiker sind. Ich mache mir da so meine Gedanken und finde das eigentlich sehr spannend. Ich sage mir, die Leute, die die runterräumen, haben eine ganz starke Verbindung zu denen. Da kommt auch nochmal eine neue Wirkung raus. Manchmal sind das auch kleine Läden, die ein Imageproblem damit haben, wenn das direkt bei ihnen vor’m Laden klebt. Das ist direkt zu sehen…wenn da eine Neueröffnung ist, dann sind die Yogis weg. Aber ok, die sind ja auch nicht für die Ewigkeit gemacht. Wobei ich ärgere mich, wenn die weg sind, nach wie vor. Andererseits sage ich mir, den Yogis ist es egal. Die sind ja dafür da, anderen Leuten eine Freude zu machen, Und wenn es den Leuten eine Freude macht, sie weg zu machen, dann sind sie eben dafür da. So selbstlos bin ich nicht, auch wenn ich es manchmal gerne wäre.

Hast du je einen Yogi woanders wieder gefunden, an einem anderen Ort, oder bei einem Sammler?
Nein. Einmal ist es mir passiert, da bin ich ‚rumgefahren und habe Yogis verklebt und als ich wiederkam, um Fotos zu machen, da war der eine schon weg. Ich hab dann nochmal ganz genau geschaut und festgestellt, dass er bloß hinten runtergefallen war…er hing da noch so halb dran, stand aber nicht mehr. Das war aber einer, wo mir der UHU ausgegangen war und ich ihn direkt mit Sekundenkleber geklebt hatte…den hab ich wiedergefunden und er war nicht weg. Aber wenn sie weg waren, waren sie bisher weg. Mittlerweile bin ich die Yogis vom letzten Jahr noch einmal abgefahren. Sie sind sichtbar gealtert, aber immerhin haben 13 überlebt. Die anderen gibt es nicht mehr. Von einigen ist noch eine Hand oder ein Fuß sichtbar. Und einer ist sogar zusammen mit dem Straßenschild verschwunden. Keine Ahnung, ob sie heruntergeholt wurden, der Kork spröde wurde oder die Natur ihr Werk getan hat.

Suchst Du die Orte spontan aus?
Das ist unterschiedlich. Ich bin ja schon lange in Berlin und kenne mich relativ gut aus. In Wedding habe ich mal gewohnt, von daher nehme ich erstmal nur die Strecken, die ich noch kenne. Friedrichshain, klar, da bin ich auch ein paar Mal gewesen und bin da auch mal ’ne Runde gefahren und habe geguckt, was da geht. Die Schilder dürfen nicht zu tief sein und auch nicht zu hoch. Ich muss da noch rankommen, und wenn sie zu tief sind, gehen die Yogis zu schnell weg. Das ist auch ein Lernprozess… wenn man mit einem kleinen Hoppser an die rankommt, dann halten die auch nicht lange. Und bei meinem letzten Yoga-Newsletter habe ich eine „Yoga-Frage“ gestellt und habe als Preis drei Yogis ausgesetzt. Da kam dann auch gleich der Wunsch, den Yogi da und dort aufzustellen. Sowas mache ich dann natürlich auch. Oder beim Marathon und beim Karneval der Kulturen habe ich jeweils einen an der Strecke aufgestellt. Auch als die Riesen durch die Stadt gelaufen sind. Der große Riese stand sogar mehrere Stunden in Sichtweite des Yogis auf dem 17 Juni. Das hat mich natürlich ganz besonders gefreut.

Im Blog reagieren die Leser_innen viel auf Deine Yogis… sie schreiben, wie gut sie ihnen gefallen, dass sie da und dort auch welche entdeckt haben.
Ja, das habe ich auch selbst erlebt mit dem „Haftpapier“ [eine Kampagne in Neukölln: an vielen Orten kleine schwarz-weisse geklebte Zettel mit kurzen Sprüchen in Bezug zu “Haftpapier”]. Wenn man da so eine Affinität zu einer bestimmten Sache hat, freut man sich umso mehr, wenn man sie wiederentdeckt. Bei den ersten zweien, die ich gesehen habe, konnte ich damit gar nichts anfangen. Als ich aber gesehen habe, dass das eine Serie ist, ging gleich die Sammelgeschichte los. Das ist bei den Yogis auch so. Bei den verschiedenen Stellungen der Yogis mache ich ja mittlerweile oft Wiederholungen, aber wenn mir wieder eine neue Stellung einfällt, die ich machen könnte, das finde ich immer spannend. Ich überlege mir nicht jedes Mal, dass ich jetzt was Neues machen muss, nein, ich wiederhole dann auch schon die Asanas. Es gibt welche, die kann ich so klein nicht darstellen, das wäre zu aufwändig. Ich kann mich noch erinnern, als das erste Mal jemand mit einer Reaktion auf mich zukam. Das war in der Nähe des Mehringdamms, als ich gerade einen Yogi anklebte, da kam so eine Frau auf mich zu, die total ausflippte und ganz begeistert „ahhh“ rief … Die hatte einen Yogi in der Herrfurthstraße entdeckt und dann gesehen, wie ich den hier aufhänge. Und auch nochmal an der Weserstraße, da ist ’ne Frau hergekommen und hat sich bedankt, als sie das gesehen hat. Und dann hat mich mal ein Barkeeper angesprochen: „Ah, Sie sind das, ich hab auch schon welche davon gesehen“. Also es gibt ganz positive Reaktionen. Ich habe bisher keine Negativen mitgekriegt. Ich denke aber schon, dass sich manche Leute auch sicherlich gestört oder angemacht fühlen werden.

Als ich meine zukünftige Wohnung hier besichtigt habe, hatte ich schnell die Korkmenschchen entdeckt und fand den Kiez sogleich sehr sympathisch. Die Yogis sind ja auch nicht abschreckend oder belästigend, ich kann mir gar nicht vorstellen, was man gegen die haben könnte. Die, die sie nicht sehen wollen, nehmen sie wahrscheinlich auch gar nicht wahr…Da müssten sie ja nach oben gucken.
Ja, ich finde das, auch von einer wissenschaftlichen Seite aus gesehen, ziemlich spannend. Wir nehmen ja alles um uns herum wahr, filtern dann heraus, was wir bewusst wahrnehmen und was wir gleich wieder wegnehmen. Aber es geht ja gleich ins Gehirn rein. Damit macht es dann auch etwas mit uns. [Wenn das jemand näher interessiert, würde ich ihm das Buch “Die blinde Frau, die sehen kann” von Ramachandran, RoRoRo, ISBN 3499613816 empfehlen]. Die Werbung macht ja auch was mit uns und die Bilder, die wir sehen. Ich habe auch lange Streetart nicht gesehen. Ich habe die Tags gesehen, aber die wollte ich nicht sehen, weil ich die ätzend fand. Ich hab mich da auch verändert, nachdem ich mich ein bisschen länger mit Streetart auseinander gesetzt hatte: z.B. mit den JF-Tags in Neukölln [Tags, die sehr häufig in Nekölln zu sehen sind], sehe ich das jetzt so, das ist auch eine Energie, die muss raus und die findet keine andere Bahn als die, erstmal Tags zu machen. Es ist ja trotzdem positiv, dass diese Energie da ist. Die wird auch irgendwann hoffentlich ’ne andere Bahn finden. Gleichzeitig, diese Graffiti ganz oben auf den Dächern, das ist ja ganz massive Energie, die dahinter steckt. Da hoffe ich, dass die Leute nicht irgendwann ganz abstürzen. Aber Jugend muss ja auch an ihre Grenzen gehen, muss die erfahren…das geht ja nicht anders, egal in welchen Bereichen.

Warum machst Du die Street Yogis? Du hattest bereits genannt, dass Du Freude bereiten und Positives in die Zukunft geben möchtest…
Ja, das würde ich so sagen: Freude bereiten und Positives in die Zukunft geben. Man kann da sicher noch Selbstdarstellung hinzufügen und sagen, das sind meine Tags oder Duftspuren, die ich da hinterlasse. Kann man alles reininterpretieren.

Was heißt diese Freude für Dich?
Das heißt für mich, wenn ich so einen Street Yogi, oder ein schönes Graffiti oder Bild sehe, oder, ach es gibt so viele Sachen, die ich schön finde, wenn ich sie sehe. Das können auch Blumen, Wasser oder ein schöner Sonnenuntergang sein. Das ist, glaube ich, was ganz Wichtiges. Auch was das so bewirkt. Unsere Gesellschaft funktioniert ja z.B. größtenteils über Repression. Und ich glaube, dass das nach hinten losgeht. Positive Veränderung geht über etwas Positives. Das heißt auch erstmal akzeptieren, dass Vieles nicht so ist, wie ich es erstmal haben will. Staat funktioniert über die Machtinstrumente. Dorf funktioniert über die soziale Kontrolle. Und wir funktionieren über „ich muss, ich muss, ich muss“. Teilweise müssen wir ja auch, das ist die letzte Selbsterhaltung, weil wir Essen, Trinken, Wohnung, usw. brauchen … im Gegensatz zu den Yogis brauchen wir das einfach. Aber mein Eindruck ist, ähnlich wie bei einer Autoimmunerkrankung, dass dieser Selbsterhaltungstrieb total aufgebläht ist. Der geht sehr viel weiter, als nötig ist. Und daher entsteht diese Gesellschaft, wo jeder haben will und haben will und noch mehr und noch mehr und wir darüber die Relation verlieren, weil es uns im Grunde genommen hier total gut geht. Es gibt vier Sechser im Lotto, das heißt: Hier geboren sein, als Mensch, in dieser Zeit und alles überlebt haben. Im Gegensatz dazu sind die Yogis selbstlos, das ist sicher auch ein Ideal.

Passiert es Dir oft, dass Leute an Dich herantreten durch die Yogis? Wie reagieren die Passanten auf Deine Yogis?
Ich hatte mal ein Interview mit Radio Motor-FM und jetzt Du. Jein, eigentlich nicht sehr häufig, aber immer wieder. Ich krieg aber viel Feedback. Es kommt eher oft vor, dass ich ’nen Yogi aufhänge und dann jemand das direkt sieht und reagiert. Das ist meistens positiv. Ich habe ja schon drei genannt, von meinen Schülern bekomme ich ebenfalls Reaktionen. Bei Flickr gibt’s noch einige Kommentare. Ich habe bisher keine negativen Reaktionen mitgekriegt. Ich sehe manchmal Leute, das finde ich sehr erstaunlich, die in der Straße Werbung oder irgendwelche Zettel abmachen. Da war letztens auf der Sonnenallee oder Karl-Marx-Straße eine relativ alte Frau, die am Straßenschild die Sachen weggemacht hat. Ich mache die alten ja auch manchmal weg, wenn ich meine Yoga-Flyer aufhängen will und es keinen Platz gibt. Aber die wollte einfach Ordnung schaffen. Das finde ich auch irgendwie toll [Danke Josef für diesen Hinweis!].

Wer ist der ärgste Feind der Street Yogis? Die Witterung und Materialprobleme sagtest Du vorhin…
Es gibt gar keine Feinde, glaube ich. Es gibt Kinder, die die runterholen, manchmal habe ich das Gefühl, dass die Korken spröde sind und reißen. Ich bin mir ziemlich sicher mittlerweile, dass es nicht am Kleber liegt, und vielleicht ist das einfach auch schon alles vorbestimmt. Keine Ahnung.

Ist es Dir wichtig, dass Du der Macher der Street Yogis bist? Du hast ja auf Deiner Website auch eine Anleitung stehen, wie man sie macht… Könnte ich die Anleitung auch auf meinem Blog verlinken?
Ich war ganz erfreut, als jemand den Glocken-Yogi gemacht hat und den Weihnachts-Yogi und den Hund. Ich finde es toll, wenn Street Yoga weltweit gemacht wird. Du kannst gerne die Anleitung verlinken und wenn jemand Fragen hat, gebe ich ihm gerne Antworten, zu Klebetechniken und anderen Sachen.

A propos Material… wo kommen die ganzen Korken her?
Ich habe Kontakt zu Leuten, die Korken sammeln und die sie mir dann zur Verfügung stellen… Die werden so oder so gesammelt und sie geben mir dann welche davon ab. Ich trinke seit zwei Jahren überhaupt keinen Alkohol mehr, auch wenn ich vorher gerne ab und zu mal einen Wein getrunken habe. Kennst Du die “15 Minuten Yoga”? Ich verschicke seit zweieinhalb Jahren täglich Yoga-Übungen…Und kurz nachdem ich damit angefangen habe, habe ich aufgehört, Alkohol zu trinken. Ich finde das ganz spannend, wir entwickeln uns ja ganz viel im Leben. Ich denke Yoga und Akupressur haben ganz viel aus meinem Leben gemacht. Die Street Yogis würde es ohne Yoga nicht geben, klar. Es würde vielleicht was anderes geben, aber keine Yogis. Auch dass ich es hingekriegt habe, keinen Alkohol mehr zu trinken, hat Yoga gemacht, so wie die Welt nüchtern zu betrachten und nicht zu verzweifeln.

Sind die Yogis dazu da, den_die Betrachter_in dazu einzuladen, Yoga zu machen? Yoga-Asanas auszuprobieren?
Ja, vielleicht kann das passieren. Ich kann das nicht sagen, wofür sie da sind. Das wird jeder selbst entscheiden. Street Yogis sind eine Projektionsfläche, so sehe ich das. Als Yogalehrer bin ich Projektionsfläche. Wir sind alle Projektionsfläche für alle anderen. So sind es auch die Street Yogis. Ich denke auch, es ist diese (positive) Reaktion. Im Grunde genommen ist es ja bloß ein Korken und ein Schaschlikspieß mit Kleber. Es hat was von einer Puppe, etwas Menschliches und das Yogische. Das ist eine Projektion: Was daraus wird und was daraus passiert.

Auf Deiner Website publizierst Du Fotos von Streetart in Neukölln. Seit wann machst Du das?

Nach dem Motor-FM-Interview. Da hatte ich eine Distanzierung von Streetart, bzw von Graffiti, geäußert und dann überlegt, dass es schlecht ist, so negative Sachen zu sagen. Ich mach mich besser als ich bin, wenn ich mich so abgrenze von denen. Aber, ich bin ja nicht besser oder schlechter als jemand. Nachdem ich diesen Gedankengang direkt nach dem Interview hatte, habe ich mir das richtig überlegt und nochmal dorthin geschrieben, dass sie das nicht veröffentlichen sollen. Dann habe ich zwei Bilder gesehen: den Bassisten und den Wurm von ÜF in der Fuldastraße und mir gedacht „Mensch, es gibt ja tolle Sachen“. Da habe ich dann angefangen zu gucken, was es noch so gibt und habe mir dann einen Fotoapparat geliehen und angefangen zu knipsen. Daraufhin kam dann das Bedürfnis die Bilder zu zeigen. Ich schicke meinen Yoga-Newsletter einmal im Monat herum. Das ist ja wie bei Dir, Du suchst auch immer Bilder oder Themen für Dein Blog. Ich suche immer etwas, das ich meinen Schülern anbieten kann. Das hat sich dann so angeboten. Daraufhin habe ich meine Seite um die Streetart- und die Street-Yogi-Seite erweitert. Keine Ahnung, was daraus wird. Vielleicht wird es irgendwann wieder einschlafen, das werden wir sehen.
Es gibt ein paar Künstler, die mir besonders gefallen. Ich habe mich sehr gefreut endlich den Künstler, der das Mädchen mit den Pusteherzen (hier zu sehen) gemacht hat, entdeckt zu haben. Es ist Flix (Abellin). Und dann habe ich letzte Woche nach und nach 12 “Human Beans” von “Dave the Chimp” in Neukölln entdeckt. Es war wie Ostereier suchen. Deshalb verrate ich auch nicht die Standorte, damit ihr selbst nach ihnen Ausschau halten könnt. Ich finde auch sie bringen sehr viel Freude und Liebe in den Tag!!! Keep your Eyes open – they will open your Heart.

Was ist Streetart für Dich? Was gilt als Streetart und was nicht?
Ich habe wirklich große Probleme, die Tags als Streetart zu betrachten, aber es ist trotzdem auch Streetart! Und im Grunde genommen macht auch die Frau, die die Zettel wegmacht und die Pfeiler saubermacht ebenfalls Streetart. Die hat halt einen anderen Geschmack. Streetart ist Alles. Die Hausfassade ist auch Streetart, Deine Blumen vor’m Fenster auch – die würde ich jetzt nicht auf meiner Webseite vorstellen, aber dennoch, Alles macht etwas.

Siehst Du Dich als Teil einer Berliner-/Neuköllner-/überhaupt- Szene von Streetart?
Ich bin sicherlich Teil von irgendeiner Szene, aber das sind alles nur Schubladen, in die man reingesteckt wird. Ich bin schon sehr individualistisch. Ich organisiere mich nicht in der Hinsicht.

Vielen Dank, Josef!


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