vonDetlef Georgia Schulze 02.02.2023

Theorie als Praxis

Hier bloggt Detlef Georgia Schulze über theoretische Aspekte des Politischen.

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Vor gut vierzehn Tagen (Dienstag, den 17.01.2023) fand eine polizeiliche Durchsuchung beim Freiburger Sender „Radio Dreyeckland“ (rdl) und zwei Redaktionsmitgliedern statt. Es sollten „Schriftstücke, Aufzeichnungen und Dateien sichergestellt werden, die auf ei­nen Verstoß gegen ein Vereinigungsverbot [1] gemäß § 85 StGB […] schließen lassen,“ gefunden werden.

Konkret soll es um eine Straftat nach Absatz 2 der genannten Norm gehen (und zwar speziell in der Tatvariante „unterstützt“) – danach werden diejenigen bestraft, die sich

„in einer Partei oder Vereinigung der in Absatz 1 bezeichneten Art als Mitglied betätig[en] oder […] ihren organisatorischen Zusammenhalt oder ihre weitere Betätigung unterstütz[en]“.

Auf S. 3 des Durchsuchungsbeschlusses heißt es:

„Aufgrund der bisherigen Ermittlungen besteht gegen die Beschuldigten […] der An­fangsverdacht sich am 30.07.2022 […] durch Unterstützung der weiteren Betätigung ei­ner unanfechtbar verbotenen Vereinigung gemäß § 85 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2, [§] 25 Abs. 2 StGB strafbar gemacht zu haben.“
(AG Karlsruhe, Beschl. v. 13.12.2022 zum Az. 540 Gs 44796/22, S. 3; Hv. hinzugefügt)

Was sind nun „Vereinigung[en] der in Absatz 1 bezeichneten Art“? – Absatz 1 lautet:

„Wer als Rädelsführer oder Hintermann im räumlichen Geltungsbereich dieses Geset­zes den organisatorischen Zusammenhalt
1. einer Partei oder Vereinigung, von der im Verfahren nach § 33 Abs. 3 des Parteienge­setzes unanfechtbar festgestellt ist, daß sie Ersatzorganisation einer verbotenen Partei ist, oder
2. einer Vereinigung, die unanfechtbar verboten ist, weil sie sich gegen die verfassungs­mäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richtet, oder von der unanfechtbar festgestellt ist, daß sie Ersatzorganisation einer solchen verbotenen Vereinigung ist,
aufrechterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Der Versuch ist strafbar.“ [2]

Im Falle von Radio Dreyeckland soll es sich also um die ‚Unterstützung‘ (i.S.v. § 85 Ab­satz 2 StGB) einer Vereinigung i.S.v. § 85 Absatz 1 Nr. 2 StGB handeln – konkret soll es sich um eine Vereinigung mit dem – für eine Vereinigung etwas befremdlichen – Na­men „www.linksunten.indymedia.org“ handeln. (Sieht irgendwie eher nach einer inter­net-Adresse aus, nicht wahr? – Dieses Problem wurde bereits Teil I der hiesigen Artikel-Serie diskutiert.)

Und die Unterstützungshandlung soll im vorliegenden Fall „mittels Verlinkung eines ‚Ar­chivs‘ der Vereinigung ‚www.linksunten.indymedia.org‘“ (Durchsuchungsbeschluß, S. 2) erfolgt sein. [3] Daß eine bloße Verlinkung (in dem Fall: eines Archivs) die Unterstützung von irgendetwas ist, ist allerdings alles andere als selbstverständlich – das Amtsgericht Karlsruhe selbst deutet es an: Es gleitet in seinem Durchsuchungsbeschluß vom gesetzlichen Begriff der Unterstützung zum Begriff der Werbung hinüber (der aber in § 85 Strafgesetzbuch nicht steht):


Schaubild 3: AG Karlsruhe, Beschl. v. 13.12.2022 zum Az. 540 Gs 44796/22, S. 9

Gesetzgebungsgeschichte des § 85 Strafgesetzbuch

Das Wort „wirbt“ stand zwar im § 90b Strafgesetzbuch, aber es wurde bei der Liberali­sierung des Politischen Strafrechts 1968 nicht in § 85 StGB übernommen – und auch seitdem nicht wieder hinzugefügt:

  • § 90b Absatz 1 und 2 StGB lauteten:

    „(1) [1] Wer eine Vereinigung, die unanfechtbar verboten ist, weil sie sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet, fortführt, ihren organisatorischen Zusammenhalt auf andere Weise aufrechterhält oder für sie eine Ersatzorganisation schafft, wird mit Gefängnis bestraft. [2] Der Versuch ist strafbar.
    (2) Wer sich an einer im Absatz 1 bezeichneten Vereinigung oder an einer für sie ge­schaffenen Ersatzorganisation als Mitglied beteiligt, für sie wirbt oder sie unter­stützt, wird mit Gefängnis bis zu drei Jahren bestraft.“
    (https://lexetius.de/StGB/90b,6; [4]; Numerierung der Sätze durch lexetius; Hv. von mir)

  • An dessen Stelle trat 1968 § 85 StGB, und dessen Absätze 1 und 2 lauteten:

    „(1) [1] Wer als Rädelsführer oder Hintermann im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes den organisatorischen Zusammenhalt
    1. einer Partei oder Vereinigung, von der im Verfahren nach § 33 Abs. 3 des Parteien­gesetzes unanfechtbar festgestellt ist, daß sie Ersatzorganisation einer verbotenen Partei ist, oder
    2. einer Vereinigung, die unanfechtbar verboten ist, weil sie sich gegen die verfas­sungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richtet, oder von der unanfechtbar festgestellt ist, daß sie Ersatzorganisation einer solchen verbotenen Vereinigung ist,
    aufrechterhält, wird mit Gefängnis bestraft. [2] Der Versuch ist strafbar.
    (2) Wer sich in einer Partei oder Vereinigung der in Absatz 1 bezeichneten Art als Mit­glied betätigt oder wer ihren organisatorischen Zusammenhalt unterstützt, wird mit Gefängnis bis zu drei Jahren bestraft.“
    (https://lexetius.de/StGB/85,4 [5]; Numerierung der Sätze durch lexetius; Hv. von mir)

     

  • Nach mehreren Änderungen lautet § 85 StGB inzwischen folgendermaßen:

    „(1) Wer als Rädelsführer oder Hintermann im räumlichen Geltungsbereich dieses Ge­setzes den organisatorischen Zusammenhalt
    1. einer Partei oder Vereinigung, von der im Verfahren nach § 33 Abs. 3 des Parteien­gesetzes unanfechtbar festgestellt ist, daß sie Ersatzorganisation einer verbotenen Partei ist, oder
    2. einer Vereinigung, die unanfechtbar verboten ist, weil sie sich gegen die verfas­sungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richtet, oder von der unanfechtbar festgestellt ist, daß sie Ersatzorganisation einer solchen verbotenen Vereinigung ist,
    aufrechterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Der Versuch ist strafbar.
    (2) Wer sich in einer Partei oder Vereinigung der in Absatz 1 bezeichneten Art als Mit­glied betätigt oder wer ihren organisatorischen Zusammenhalt oder ihre weitere Betätigung unterstützt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“
    (http://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__85.html)

Es waren also ursprünglich zwei unterschiedliche („oder“) Tatbestände („für sie wirbt oder sie unterstützt“), von denen einer (nämlich die Werbung) 1968 weggefallen ist und nur der andere (die Unterstützung) übriggeblieben ist!

Speziell diese Änderung wurde vom damals zuständigen Bundestags-Sonderausschus­ses für die Strafrechtsreform nicht begründet, aber zur generellen der Stoßrichtung der Reform des Politischen Strafrechts schrieb der Ausschuß:

„Zu den entscheidenden Gesichtspunkten, von denen er [der Ausschuß] sich leiten ließ, gehört einmal die Orientierung am Grundgesetz, insbesondere eine dem Bestimmtheitsgrundsatz (Art. 103 Abs. 2 GG) stärker Rechnung tragende Präzisierung der Tatbestän­de. Sodann ist die Aufgabe zu nennen, das zukünftige StGB von Bestimmungen zu ent­lasten, die begrüßenswerte Kontakte zwischen den Menschen aus beiden Teilen Deutschlands oder die geistige Auseinandersetzung mit dem Kommunismus behindern würden.“
(BTag-Drs. V/2860; https://dserver.bundestag.de/btd/05/028/0502860.pdf, S. 1)

Außerdem begründete der Sonderausschuß die – der Weglassung in § 85 StGB ent­sprechende – Weglassung der Werbung im Bereich des § 84 StGB (Fortführung einer für verfassungswidrig erklärten Partei):

„Davon abgesehen kann […] bei der beschlossenen Fassung nicht zweifelhaft sein, daß die Begehungsform des Unterstützens nur dann gegeben ist, wenn mit ihr ein wirklicher organisatorischer Effekt erzielt worden ist. Verzichtet wurde auf die im RegE [6] noch ge­nannte Begehungsform des Werbens. Da sie nur als ohne Unterstützungserfolg geblie­bene Propaganda zu verstehen ist, würde sie nicht mehr den anderen Handlungsformen nach deren stärkerer Qualifizierung entsprechen. Durch die Wiederholung des Wortes ‚wer‘ vor der Formulierung ‚ihren organisatorischen Zusammenhalt unterstützt‘ wird ver­deutlicht, daß diese Begehungsweise nur bei Nichtmitgliedern vorliegen kann.“
(BTag-Drs. V/2860; https://dserver.bundestag.de/btd/05/028/0502860.pdf, S. 6)

Der Bereich des Strafbaren sollte also jedenfalls eingeschränkt werden, und der „Präzi­sierung der Tatbestände“ dient das Weglassen der ideologischen ‚Werbung‘ und die Be­grenzung der Strafbarkeit auf die – folglich übrigbleibende [7] – materielle ‚Unterstützung‘ auch. Ein „Unterstützungserfolg“ ist bei Äußerungs- bzw. publizistischen Handlungen praktisch nicht nachweisbar; jedenfalls ist nicht absehbar, welche Schlußfolgerungen RezipientInnen von Texten im allgemeinen und auch von Texten, die von einer verbote­nen Vereinigung herausgegeben wurden, aus der etwaigen Lektüre dieser Texte ziehen.

2002: Streichung der Sympathiewerbung aus §§ 129, 129a StGB

Ein weiteres starkes Argument ergibt sich aus den §§ 129, 129a StGB, in denen noch bis 2002 der (allgemeine) Werbungs-Tatbestand stand. Zur Zeit der Schröder/Fischer-Regierung wurde er aber gestrichen.

Von 1975 bis 2002 lautete § 129 Absatz 1 StGB:

„Wer eine Vereinigung gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind, Straftaten zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied be­teiligt, für sie wirbt oder sie unterstützt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“
(https://lexetius.de/StGB/129,7)

2002 kamen in Bezug auf die Werbung die Wörter „um Mitglieder oder Unterstützer“ hinzu – also nunmehr: „um Mitglieder oder Unterstützer wirbt“ [8] (ebd.).

Der Werbungs-Tatbestand war 1964 in den § 129 StGB eingefügt worden:

1951 [9] – 1964

1964 – 1969

neue Fassung in Folge von Änderungen 1969 und 1970 [10]

Wer eine Vereinigung grün­det, deren Zwecke oder de­ren Tätigkeit darauf gerich­tet sind, strafbare Handlun­gen zu begehen, oder wer sich an einer solchen Verei­nigung als Mitglied beteiligt, sie sonst unterstützt oder zu ihrer Gründung auffor­dert, wird mit Gefängnis be­straft. Wer eine Vereinigung grün­det, deren Zwecke oder de­ren Tätigkeit darauf gerich­tet sind, strafbare Handlun­gen zu begehen, oder wer sich an einer solchen Verei­nigung als Mitglied beteiligt, für sie wirbt oder sie unter­stützt, wird mit Gefängnis bestraft. Wer eine Vereinigung grün­det, deren Zwecke oder de­ren Tätigkeit darauf gerich­tet sind, Straftaten zu bege­hen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mit­glied beteiligt, für sie wirbt oder sie unterstützt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Entsprechend hieß es in dem – als Norm bezüglich „Bildung terroristischer Vereinigun­gen“ erst 1976 eingefügten – § 129a StGB in Absatz 1 zunächst:

„wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, für sie wirbt oder sie unter­stützt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft“

1987 kam es dann zu einer Ausgliederung der Werbung und Unterstützung (aus Absatz 1) in einen neuen Absatz 3:

„Wer eine in Absatz 1 bezeichnete Vereinigung unterstützt oder für sie wirbt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.“
(https://lexetius.de/StGB/129a,8)

(Hintergrund der Ausgliederung war, daß in Absatz 1 der Strafrahmen für die verbliebe­nen Tatbestände der Gründung einer oder Beteiligung an einer terroristischen Vereini­gung auf „ein Jahr bis zu zehn Jahren“ erhöht wurde.)

2002 wurden dann – analog zur gleichzeitigen Änderung von § 129 StGB – auch in § 129a StGB die Wörter „um Mitglieder oder Unterstützer“ eingefügt:

„Wer eine in Absatz 1 bezeichnete Vereinigung unterstützt oder für sie um Mitglieder oder Unterstützer wirbt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.“
(https://lexetius.de/StGB/129a,5)

Zur Begründung schrieb der Rechtsausschuß des Bundestages unter anderem:

„Die Tathandlung des Werbens soll deshalb auf das gezielte Werben um Mitglieder und um Unterstützer beschränkt werden. Die Sympathiewerbung, der die Rechtsprechung einen vergleichsweise geringen Unrechtsgehalt zuweist (vgl. BGHSt 33, 16 <18>), kann hingegen ohne Einbuße für bedeutsame Rechtsgüter aus dem Tatbestand ausgeschie­den werden. Die Werbung um Mitglieder zielt auf die Gewinnung von Personen, die be­reit sind, sich mitgliedschaftlich in die Organisation der Vereinigung einzufügen. Die Werbung um Unterstützer richtet sich entweder auf die Anstiftung zu einer konkreten Beihilfehandlung oder auf die Gewinnung von Anhängern, die zu einer über den Einzel­fall hinausgehenden Zusammenarbeit, etwa als Quartiergeber oder Nachrichtenmittler, bereit sind. […]. Die Änderung räumt psychische Hindernisse, die der kritischen Bericht­erstattung über wirklich oder vermeintlich rechtswidrige Zustände im In- und Ausland entgegenstehen mögen, beiseite, indem sie werbende Meinungsäußerungen umfas­send und zweifelsfrei vom strafrechtlichen Risiko freistellt.“
(BTag-Drs. 14/8893; https://dserver.bundestag.de/btd/14/088/1408893.pdf, S. 8) [11]

2003 kam es zu einer weiteren Änderung: Der Absatz 3 von 2002 wurde nun Absatz 5 und dabei erneut umformuliert (es blieb aber bei der Beschränkung der Werbung auf die Werbung „um Mitglieder oder Unterstützer“):

„[1] Wer eine in Absatz 1, 2 oder Absatz 3 bezeichnete Vereinigung unterstützt, wird in den Fällen der Absätze 1 und 2 mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jah­ren, in den Fällen des Absatzes 3 mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Gelds­trafe bestraft. [2] Wer für eine in Absatz 1 oder Absatz 2 bezeichnete Vereinigung um Mitglieder oder Unterstützer wirbt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.“
(https://lexetius.de/StGB/129a,4; meine Hv.)

Zu dieser Änderung hat der Bundesgerichtshof entschieden (wichtig ist der dritte Absatz des folgenden Zitates, während die ersten beiden Absätze die nunmehr hinfällige Rechtsprechung darstellen):

Nach bisheriger Rechtsprechung und vorherrschender Ansicht im Schrifttum (s. insg. Miebach/Schäfer in MünchKomm § 129a Rdn. 60 i. V. m. § 129 Rdn. 81 ff. m. zahlr. w. N.) unterstützt eine terroristische Vereinigung, wer, ohne selbst Mitglied der Organisati­on zu sein, deren Tätigkeit und terroristische Bestrebungen direkt oder über eines ihrer Mitglieder fördert. Dabei kann sich die Förderung richten auf die innere Organisation der Vereinigung und deren Zusammenhalt, auf die Erleichterung einzelner von ihr geplanter Straftaten, aber auch allgemein auf die Erhöhung ihrer Aktionsmöglichkeiten oder die Stärkung ihrer kriminellen Zielsetzung. Nicht erforderlich ist, dass der Organisation durch die Tathandlung ein messbarer Nutzen entsteht. Vielmehr genügt es, wenn die Förderungshandlung an sich wirksam ist und der Organisation irgendeinen Vorteil bringt; ob dieser Vorteil genutzt wird und daher etwa eine konkrete, aus der Organisation her­aus begangene Straftat oder auch nur eine organisationsbezogene Handlung eines ih­rer Mitglieder mitprägt, ist dagegen ohne Belang.
Diese Maßstäbe, die trotz einer gewissen – unvermeidlichen – begrifflichen Unschärfe (vgl. Miebach/Schäfer aaO Rdn. 82), das tatbestandliche Unrecht ausreichend bestimmt umschreiben, würden es für sich nicht ausschließen, auch solche Betätigungen, die der Sache nach Werbung um Mitglieder oder Unterstützer für eine terroristi­sche Vereinigung, aber auch um ‚Sympathie‘ für deren Ideologie oder Ziele dar­stellen, dem Tatbestandsmerkmal der Unterstützung zu subsumieren. Dementspre­chend hat der Senat unter der Geltung des alten Rechts etwa die Verbreitung einer Schrift, in der vergangene und zukünftige terroristische Aktivitäten der ‚Rote Armee Fraktion‘ zustimmend dargestellt und kommentiert wurden, als Unterstützung dieser ter­roristischen Vereinigung bewertet, weil hierdurch deren Stellung in der Gesellschaft günstig beeinflusst, ihre Aktionsmöglichkeiten und eventuell ihr Rekrutierungsfeld erwei­tert und damit insgesamt ihr Gefährdungspotential gestärkt werden könnte (BGH NJW 1988, 1677 f. = BGHR StGB § 129a Abs. 3 Unterstützen 1).
Hieran kann im Hinblick auf die neue Gesetzeslage nicht festgehalten werden. Der Gesetzgeber hat ausdrücklich alle Handlungen, die sich in einem Werben für die Ideolo­gie und die Ziele einer terroristischen Vereinigung erschöpfen, aus der Strafbarkeit her­ausnehmen wollen; das Werben um Mitglieder oder Unterstützer hat er nur noch für be­stimmte besonders gefährliche terroristische Vereinigungen unter Strafe gestellt und es insoweit bei einem gegenüber dem Unterstützen niedrigeren Strafrahmen belassen. Es hieße, diesen im Gesetzeswortlaut und in der Gesetzessystematik objektivierten Willen des Gesetzgebers zu missachten, wollte man derartige Aktivitäten weiter­hin als Unterstützen im Sinne des § 129a Abs. 5 Satz 1 StGB ansehen, weil ihnen die abstrakte Eignung zukommt, das Gefährdungspotential der beworbenen Verei­nigung zu stärken.
(BGH HRRS 2007 Nr. 800 [Beschl. v. 16.05.2007 AK 6/07 und StB 3/07]; https://www.hrr-strafrecht.de/hrr/2/07/ak-6-07.php, Textziffer 11 – 13)

In einer noch neueren Entscheidung griff der BGH dann zwar doch wieder seine – schon bei der damaligen Gesetzeslage – skandalöse Formulierung aus dem Jahre 1964 wieder auf,

„der Begriff des Unterstützens [setzt] nicht voraus, daß der Organisation nachweisbar ein durch den Täter verursachter meßbarer Nutzen in bezug auf ihr politisches Ziel oder ihre Tätigkeit entstanden ist“.
(BGHSt 20, 89 – 90 [90]; https://research.wolterskluwer-online.de/document/c522b10d-3140-4ca7-a12e-9877d341c804)

Diesem Unsinn ist entgegenzuhalten, daß, wenn der Organisation kein nachweisbarer (oder meinetwegen: „meßbarer“) Nutzen entstanden ist, auch keine Unterstützung der Organisation nachgewiesen ist. Es mag – subjektiv – ein Unterstützungversuch vorgele­gen haben. Aber gerade objektiv (s. dazu unten) ist der Organisation keine nachweisba­re Unterstützung zugekommen.

Nun mag gesagt werden: Auch wenn die Unterstützung nicht nachgewiesen werden kann, habe es sie vielleicht trotzdem gegeben. Dies ist zutreffend, aber damit befinden wir uns nicht mehr im Bereich des materiellen Strafrechts, sondern im Bereich des (for­mellen) Strafprozeßrechts – nämlich der Regel, daß die Beweislast für den Nachweis der Tat (hier: der Unterstützung) bei der Anklagebehörde (Staatsanwaltschaft) liegt: „Jede Person, die einer Straftat angeklagt ist, gilt bis zum gesetzlichen Beweis ihrer Schuld als unschuldig.“ (Artikel 6 Absatz 2 Europäische Menschenrechtskonvention [12])

Nicht der/die Angeklagte (im Ermittlungsverfahren: Beschuldigte) muß seine/ihre Nicht-TäterInnenschaft oder zumindest Unschuld [13] beweisen, sondern die Staatsanwaltschaft muß die Tat sowie die Rechtswidrigkeit und die Schuldhaftigkeit der Tat beweisen:

In dubio pro reo
im Zweifel für den Angeklagten (und: für die Angeklagte ebenfalls).

 

Möchte das zuständige Gericht den oder die Angeklagte verurteilen, muß es von der Schuld (und dem, was der Schuld strafrechtssystematisch vorausliegt: von der Tatbe­standlichkeit [14] und Rechtswidrigkeit des Verhaltens des/der Angeklagten) überzeugt [15] sein. Bleiben Zweifel, darf das Gericht den/die Angeklagten nicht verurteilen.

Diese formelle Beweislast-Regel zugunsten der Einzelnen (= BürgerInnen), die der Staatsmacht im Strafverfahren gegenüberstehen, darf nicht dadurch umgangen werden, daß das materielle Strafrecht durch die Gerichte ins Uferlose ausgedehnt wird. Denn die Strafbarkeit muß durch die (in der Bundesrepublik: parlamentarisch-demokratisch legitimierten) Gesetzgebungsorgane bestimmt sein: „Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.“ (Artikel 103 Absatz 2 GG [16]; meine Hv.) Mit anderen Worten: Der/die Angeklagte darf nicht be­straft werden, wenn das Gericht die Strafbarkeit erst ad hoc erfindet, um der in Beweis­schwierigkeiten steckenden Staatsanwaltschaft aus der Patsche zu helfen.

Nun zurück zu der Entscheidung BGHSt 20, 89 – 90 aus dem Jahre 1964: Die oben zi­tierte Formulierung [17] griff der BGH 2012 zwar wieder auf:

„der Begriff des Unterstützens einer Vereinigung […] bezieht sich auch und – wie schon der Wortlaut des Gesetzes zeigt – sogar in erster Linie auf die Vereinigung als solche, ohne dass im konkreten Fall die Aktivität des Nichtmitglieds zu einer einzelnen organisa­tionsbezogenen Tätigkeit eines Organisationsmitglieds hilfreich beitragen muss […]. Auch muss das Wirken des Nichtmitgliedes nicht zu einem von diesem erstrebten Erfolg führen, es genügt, wenn sein Tun für die Organisation objektiv nützlich ist, ohne dass ein messbarer Nutzen für diese eintritt“.
(BGH HRRS 2013 Nr. 101 [Beschl. v. 20.09.2012 zum Az. 3 StR 314/12], Textziffer 9)

Das Verhältnis zwischen „objektiv“, aber ‚nicht meßbar‘ bleibt weiterhin diffus; immerhin fügte der BGH aber 2012 zu der alten Formulierungen – aus Zeit vor der Gesetzesän­derung von 1968 – diesmal hinzu:

„Diese im Ausgangspunkt weite Begriffsbestimmung des Unterstützens darf indes nicht dahin missverstanden werden, dass jedes Handeln eines Nichtmitgliedes im Sinne der Vereinigung als tatbestandsmäßig einzustufen wäre, ohne dass es auf die konkreten Wirkungen seines Tuns ankäme. Die vorausgesetzte Nützlichkeit für die Vereinigung muss anhand belegter Fakten nachgewiesen sein und darf sich nicht nur auf vermeintliche Erfahrungswerte oder allgemeine Vermutungen stützen. Außerdem darf nicht aus dem Blick verloren werden, dass der Gesetzgeber mit dem 34. Straf­rechtsänderungsgesetz (vom 22. August 2002, BGBI. I S. 3390) und dem Gesetz zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses des Rates vom 13. Juni 2002 zur Terrorismusbe­kämpfung und zur Änderung anderer Gesetze (vom 22. Dezember 2003, BGBI. I S. 2836) die Strafbarkeit des propagandistischen Wirkens eines Nichtmitglieds im Sinne der Vereinigung auf die Fälle des Werbens um Mitglieder oder Unterstützer für die Orga­nisation beschränkt und das lediglich befürwortende Eintreten für eine terroristische Ver­einigung, die Rechtfertigung ihrer Ziele oder der aus ihr heraus begangenen Straftaten straffrei gestellt hat. Diese gesetzgeberische Grundentscheidung ist zu beachten. Es ist nicht zulässig, sie dadurch zu umgehen, dass propagandistisches Handeln eines Nicht­mitgliedes, das sich nicht als Werben um Mitglieder oder Unterstützer für die Vereini­gung darstellt, allein wegen der psychologischen Folgen die es – insbesondere etwa im Falle der Rechtfertigung oder Verherrlichung von Gewalttaten der Organisation – auf die angesprochenen Adressatenkreise haben kann, als Unterstützen der Vereinigung einzu­stufen (BGH, Beschlüsse vom 19. Juli 2012 – 3 StR 218/12, juris Rn. 5; vom 16. Mai 2007 – AK 6/07, BGHSt 51, 345, 349 f.). Anderes kommt nur dann in Betracht, wenn im konkreten Einzelfall festgestellt werden kann, dass das Handeln des Nichtmitgliedes über die propagandistische Wirkung hinaus einen objektiv nützlichen Effekt für die mitgliedschaftliche Betätigung eines Angehörigen der Organisation bewirkt oder sonst für diese förderlich ist.“
(ebd., Textziffer 10; meine Hv.)

Irgendwelche Feststellungen, daß die Verlinkung des Archivs von linksunten.indymedia durch Radio Dreyeckland „über die propagandistische Wirkung hinaus einen objektiv nützlichen Effekt“ für den ehemaligen BetreiberInnenkreis von linksunten.indymedia (oder was sich das Amtsgericht Karlsruhe ansonsten unter der „Vereinigung ‚www.links­unten.indymedia.org‘“ vorstellen mag) hatte oder weiterhin hat, hat das Amtsgericht in seinem Durchsuchungsbeschluß aber nicht getroffen. Es hat ja nicht einmal Feststellun­gen dazu getroffen, ob der/die vermeintliche Verein(igung) überhaupt noch existiert (s. dazu den II. Teil dieser Artikel-Serie).

Der Beschluß des Amtsgerichts hängt vollständig in der Luft.

Resümee

Kommen wir noch einmal zurück auf den Vergleich zwischen § 85 Strafgesetzbuch (um den es in dem rdl-Verfahren geht) und den §§ 129, 129a StGB (über kriminelle und ter­roristische Vereinigungen):

  • Im Rahmen der §§ 129, 129a StGB ist die Werbung „um Mitglieder oder Unter­stützer“ strafbar;
  • im Rahmen des § 85 StGB ist die Werbung gar nicht strafbar;
  • im Rahmen der §§ 129, 129a StGB ist die Unterstützung generell strafbar;
  • im Rahmen des § 85 StGB ist nur die Unterstützung des organisatorischen Zu­sammenhalt[s] oder [… der] weitere[n] Betätigung“ der Vereinigung strafbar.

Daraus ergeben sich zwingend zwei Schlußfolgerungen:

  • Der Straftatbestand des § 85 StGB ist enger als der der §§ 129, 129a StGB;
  • das, was nicht einmal im Rahmen §§ 129, 129a StGB (in Bezug auf kriminelle und terroristische Vereinigungen) strafbar ist, ist im Rahmen des § 85 StGB (in Bezug auf gegen die verfassungsmäßige Ordnung und/oder die Völkerverständigung gerichtete Vereinigungen) erst recht nicht strafbar.

Aus den §§ 129, 129a StGB wurde nun aber 2003 die bloße Sympathiewerbung nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes und auch dem eindeutigen Willen des Bundes­tages – und auch anerkannt vom Bundesgerichtshof – herausgenommen; die Werbung insgesamt wurde schon 1968 nicht in den § 85 StGB nicht eingefügt und seitdem nicht hinzugefügt.

Aber mehr Sympathie für linksunten.indymedia als die – zweifelsohne legale [18] – Ableh­nung des Verbotes läßt sich aus dem rdl-Artikel keinesfalls herauslesen.

 

Anmerkungen

 

[1] „Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich ge­gen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind verboten.“ (http://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_9.html)

[2] Absatz 1 von § 85 StGB definiert also

  • sowohl die Arten von Vereinigungen, um die es in Absatz 1 und 2 geht (das heißt: Absatz 1 nennt dann die Vereinigungen, um die es auch in Absatz 2 geht),
  • als auch speziell die – höhere – Strafbarkeit von sog. „Rädelsführer[n] oder Hinterm[ä]nn[ern]“ solcher Vereinigung (die im Zusammenhang mit rdl ohne Bedeutung ist).

[3] Es handelt sich im übrigen nicht um das Archiv einer Vereinigung (Protokolle von Sitzungen, Mitglie­derlisten, die Buchhaltung etc.), sondern es handelt sich um das Archiv eines von der angeblichen Verei­nigung herausgegebenen Mediums.

[4] http://www.bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav?startbk=Bundesanzeiger_BGBl&jumpTo=bgbl164s0593.pdf, S. 598.

[5] http://www.bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav?startbk=Bundesanzeiger_BGBl&jumpTo=bgbl168s0741b.pdf, S. 742.

[6] BTag-Drs. V/898, S. 3 (§ 88 Abs. 2): „Wer sich an einer in Absatz 1 bezeichneten Vereinigung oder an einer für sie geschaffenen Ersatzorganisation als Mitglied beteiligt, für sie wirbt oder sie unterstützt, wird mit Gefängnis bis zu drei Jahren bestraft.“ (Hv. i.O.)
Der Regierungsentwurf bemühte sich seinerseits im folgende Abgrenzung:

„Im Sinne des § 87 Abs. 2 wirbt für eine verbotene Partei oder eine für sie geschaffene Ersatzorgani­sation nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nur derjenige, der für diese bestimmte Partei oder Ersatzorganisation selbst, für die Aufrechterhaltung oder Stärkung ihres organisatori­schen Zusammenhalts, für ihre Aufgaben und Ziele wirbt. Wer ohne diese zielgerichtete Beziehung auf die Partei oder Ersatzorganisation lediglich etwa für eine auch von dieser verfochtene Ideologie oder für gleichartige politische Ziele eintritt, ist nicht nach § 87 Abs. 2 strafbar. […]. Auch die Forde­rung, eine verbotene Partei wieder zuzulassen, ist, wenn mit ihr nicht eine vom Täter gewollte Unter­stützung der verbotswidrig weiter bestehenden Partei oder eine gezielte Werbung für sie verbunden ist, nicht strafbar.“
Die vom Bundestag 1968 beschlossene Gesetzfassung ist also enger und sollte enger sein, als es zuvor der Regierungsentwurf noch vor sah.

[7] Abstrakt läßt sich sicherlich auch „Werbung“ unter „Unterstützung“ subsumieren, aber die Systematik des früheren Nebeneinanders von Werbung und Unterstützung, der nunmehrige Wegfall der Werbung und die generelle Liberalisierungs-Absicht sprechen dafür, die „Unterstützung“ auf materielle Handlungen zu begrenzen.

[8] Wir können dies – im Unterschied zum vorhergehenden ‚allgemeinen‘ Werbungs-Tatbestand – nun­mehr ‚spezifischen‘ Werbungs-Tatbestand nennen: nämlich gerade Werbung „um Mitglieder oder Unter­stützer“.

[9] Ursprungsfassung von 1872 – 1951: „Die Theilnahme an einer Verbindung, zu deren Zwecken oder Beschäftigungen gehört, Maßregeln der Verwaltung oder die Vollziehung von Gesetzen durch ungesetzli­che Mittel zu verhindern oder zu entkräften, ist an den Mitgliedern mit Gefängniß bis zu einem Jahre, an den Stiftern und Vorstehern der Verbindung mit Gefängniß von drei Monaten bis zu zwei Jahren zu be­strafen.“ (https://lexetius.de/StGB/129,13)

[10] 1969: Ersetzung von „Gefängnis“ durch „Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren“ (https://lexetius.de/StGB/129,9).
1970: die Ersetzung von „strafbare Handlungen“ durch „Straftaten“ sowie Hinzufügung der Alter­native „oder Geldstrafe“ (https://lexetius.de/StGB/129,8).

[11] Nichts in dem Artikel von Radio Dreyeckland geht in eine derartig konkrete Richtung:

  • Werbung um „Personen, die bereit sind, sich mitgliedschaftlich in die Organisation der Vereini­gung einzufügen“;
  • „Anstiftung zu einer konkreten Beihilfehandlung oder auf die Gewinnung von Anhängern, die zu einer über den Einzelfall hinausgehenden Zusammenarbeit, […], bereit sind“ (dies könnte in Be­zug auf eine ein Medium herausgebende Vereinigung vielleicht heißen: Spende von Computern oder Geld; Leistung von computer-technischen Hilfsarbeiten oder ähnliches).

Allenfalls läßt sich dem Artikel die Anregung / ‚Werbung‘ / Erleichterung, die Texte in dem Archiv von links­unten.indymedia zu lesen (nicht einmal: die Text für richtig zu befinden!) und das Verbot schlecht zu fin­den, entnehmen. – Das ist aber maximal Sympathie-Werbung, die (auch) im Rahmen der §§ 129, 129a StGB nicht mehr strafbar ist.

[12] http://www.bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav?startbk=Bundesanzeiger_BGBl&jumpTo=bgbl202s1054.pdf, S. 1058.

[13] Strafbarkeit liegt vor, wenn ein Verhalten einen Straftatbestand (vorsätzlich oder – in manchen Fällen ausreichend: fahrlässig) erfüllt sowie das Verhalten rechtswidrig und schuldhaft ist. Die Erfüllung eines Straftatbestandes ist dabei in der Regel zugleich rechtswidrig und schuldhaft – nur ausnahmsweise entfällt die Rechtswidrigkeit (z.B. bei Notwehr, § 32 StGB) oder die Schuld (z.B. bei Unzurechungsfähigkeit; z.B. § 20 StGB).

[14] „Die Tatbestandlichkeit des Verbrechens ist ein Produkt von höchstem zivilisatorischen Rang, die unverzichtbare Grundlage eines rechtsstaatlichen Strafrechts, das kein Wollen, keine Gesinnung usw. als solche bestrafen darf.“ (Helmut Ridder, In Sachen „Mescalero“. Plädoyer vor dem Landgericht Bielefeld, in: Demokratie und Recht 1978, 224 – 229 [225])
Folglich erübrigt der vom Amtsgericht Karlsruhe behauptete Umstand, daß der rdl-Artikel

von dem angesprochenen Leserkreis zweifelsohne als eine sich die unterstützende Tendenz [der in der Bebilderung des Artikels zu sehenden Parole „Wir sind alle linksunten“] zu eigen machende Meinungsäußerung verstanden werden muss[te]“ (Durchsuchungsbeschluß, S. 11),

nicht den Nachweis, daß der Autor des Artikels die vermeintliche Vereinigung tatsächlich unterstützt hat. Das vom Gericht behauptete LeserInnen-Verständnis erübrigt nicht die Tat des/der Beschuldigten – soll letztereR verurteilt werden.

[15] § 261 StPO: „Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.“ (http://www.gesetze-im-internet.de/stpo/__261.html)

[16] http://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_103.html.

[17] „der Begriff des Unterstützens [setzt] nicht voraus, daß der Organisation nachweisbar ein durch den Täter verursachter meßbarer Nutzen in bezug auf ihr politisches Ziel oder ihre Tätigkeit entstanden ist“.

[18] „Die mit einem Eintreten für eine Aufhebung des Verbots [dort: des PKK-Verbotes) verbundenen Solidarisierungseffekte sind, auch dann, wenn damit zugleich eine Sympathie für die verbotene Vereinigung ausgedrückt wird, im Interesse der freien Meinungsäußerung hinzunehmen (vgl. BVerfG, NVwZ 2002, 709 <710>).“ (BVerfG, Beschl. v. 26.09.2006 zum Az, 1 BvR 605/04; https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2006/09/rk20060926_1bvr060504.html, Textziffer 56)

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