vonChristian Ihle & Horst Motor 16.01.2008

Monarchie & Alltag

Neue Bands und wichtige Filme: „As long as the music’s loud enough, we won’t hear the world falling apart“.

Mehr über diesen Blog

Anmerkung: „Enttäuschung entsteht durch die Nichterfüllung von Hoffnungen, durch den Konflikt zwischen einer Erwartung und dem tatsächlichen Ergebnis.“ Wir reden also nicht von den fünf schlechtesten Alben des Jahres, sondern von fünf, die die – zum Teil hohen – Erwartungen nicht erfüllen konnten.

5. Arctic Monkeys: Favourite Worst Nightmare

Von den Enttäuschungen ist „Favourite Worst Nightmare“ noch die beste Platte und würde man nur die beiden Singles kennen, möchte man gerne glauben, dass die Arctic Monkeys trotz zweier Alben und einer neuen EP in nur 15 Monaten weiterhin die Hits aus dem Ärmel schütteln. „Brianstorm“ war ein ordentlicher Rockkracher, der an „Juicebox“ der Strokes erinnerte, aber besser in das Monkey-Schema passte als der verwirrende Strokes-Ausflug in die Welt der ganz großen Riffs, die Folgesingle „Fluorescent Adolescent“ sogar einer der besten Songs des Jahres, der Melodieseligkeit mit wunderbaren Texten zu verbinden wusste. An den Texten von Alex Turner liegt das Misslingen von „Favourite Worst Nightmare“ ebenso wenig wie an der Instrumentierung oder der Gitarren-, Bass- und Drumarbeit: alles hervorragend!
Aber irgendwann in den 12 Monaten zwischen den beiden Alben muss Turner verlernt haben, diese unglaublichen Melodien zu schreiben, die das Debütalbum der Arctic Monkeys noch im Dutzend aufweisen konnte. Dort waren über die vier Singleveröffentlichungen hinaus noch eine Handvoll weiterer Wundertracks enthalten, ja, ihren besten („A Certain Romance“) versteckten sie gar als Albumcloser. Das alles fehlt auf dem zweiten Album. Es mag kein Albtraum sein und schon gar nicht der schlimmste, aber vor allem die fehlende Konsistenz im Vergleich zum Debüt lässt einen immer wieder gruseln.

4. Kaiser Chiefs: Yours Truly, Angry Mob

Dabei fängt es so gut an: von der sarkastischen Hymne auf eine am Boulevardtropf hängende Öffentlichkeit „Angry Mob“ über „Everything Is Average Nowadays“, den Schwestersong des Debütalbumknallers „Everyday I Love You Less And Less“, zur Pianoballade „Highroyds“ glaubt man schon, die Kaiser Chiefs hätten tatsächlich nach dem überraschenden Riesenerfolg des Debütalbums (allein in England mehr als 1,3 Millionen verkaufte Exemplare!) das Undenkbare geschafft und ein massentaugliches wie kredibles Werk abgeliefert.
Doch leider hat zuvor schon „Ruby“ den Hörraum betreten! Dass diese anfangs belanglose, durch heftigen Radioeinsatz dann belästigende Single zum größten Erfolg der britischen Band überhaupt wurde, bestätigt wieder einmal eine der vielen Theorien zum Komplex „Teufel“ und „Haufen“. Das Album wird Song um Song belangloser und der Hörer ärgert sich über eine verlorene schöne EP, die eigentlich in diesen 14 Songs stecken würde. Die Produktion ist so amtlich, dass jede Behörde (oder das WOM-Journal) „Yours Truly…“ als „Rockkracher“ durchwinken würde und das Coverbild nimmt die benommene Traurigkeit, die das Album gegen Ende verbreitet, vorweg. Everything is average nowadays, indeed.

3. Radiohead: In Rainbows

Radiohead haben musikalisch ihre Relevanz verloren, auch wenn sie mit In Rainbows soviel Wirbel verursachten wie mit keinem Album seit „Kid A“ vor 7 Jahren. Während der Marketinggimmick, das Album zunächst nur im Netz zu veröffentlichen und der Downloadgemeinde zu überlassen, welchen Obulus sie entrichten möge, in aller Munde war, enttäuscht In Rainbows auf musikalischer Seite. „Kid A“ war damals ein bemerkenswerter Schritt weg vom Prinzip Rockband, bei dem auch noch einige wirklich fantastische Songs („Idioteque“, „Everything In Ist Right Place“) abfielen. Die ein Jahr später veröffentlichte Schwesterplatte „Amnesiac“ war sogar das kompaktere, bessere Album mit weniger „Hits“, wohingegen „Hail To The Thief“ mit Ausnahme des wunderbaren „Wolf At The Door“ eine Enttäuschung war. Das neue Album beschreitet leider den zuletzt eingeschlagenen Weg weiter, nur dass wir zur Linderung nicht einmal mehr den einen Knallersong präsentiert bekommen. So muss es sich anhören, wenn Thom Yorke vor dem Spiegel masturbiert.
Eines haben Radiohead jedenfalls ohne Frage geschafft: „In Rainbows“ wird wegen seines Marketings und nicht wegen seiner Musik in die Geschichte eingehen.

2. Bloc Party: A Weekend In The City

Etwas naseweis erschien uns Kele Okereke schon immer, aber dass er so früh altert, konnte man doch nicht erwarten. Nach den fantastischen frühen Singles und dem in großen Teilen wirklich guten Debütalbum war der Zweitwurf der Briten leider über weite Strecken ein Langweileralbum par excellence. Natürlich können sie ihre Instrumente spielen, selbstredend gelingen Kele immer wieder tolle Zeilen und ohne Frage sind wir voll des Lobes, wenn eine Band über den Tellerrand Girls (oder Boys?) abschleppen und wasted sein hinausblickt, aber muss man dabei so gottverdammt langweilige Musik produzieren?
Bezeichnend dass die Nichtalbumsingle „Flux“, die gegen Ende des Jahres veröffentlicht wurde und Bloc Party im Discomodus zeigte, neben „Hunting For Witches“ der einzige relevante Bloc Party Song des Jahres war. Wie viele Einschlaflieder darf man eigentlich schreiben bis einem das „Party“ im Bandnamen entzogen wird? Ach, und Kreuzberg liegt in Westberlin.

1. Ian Brown: The World Is Yours

Ja, der Ian. King Monkey. The Greatest. Seit er mit den Stone Roses nun vor fast 20 Jahren Indiepop neuerfand, auf dem vielleicht besten Album aller Zeiten sang und zur wichtigsten Inspiration für Frontmänner britischer Rockbands wurde, als Liam Gallagher und Dicky Ashcroft noch mit dem Tennisschläger vor dem Spiegel posierten, ist Ian Brown sakrosankt – und das zurecht. Es ist gerade die ihm eigene Hybris, die ihn so sympathisch macht, die das zweite Stone Roses Album ebenso vergessen lässt wie den legendär-berüchtigten Reading-Auftritt 1995 oder die mitunter bizarr schlechte Produktion seines Debütalbums von 1998. Denn neben etlichen Wahnsinnssingles in den letzten zehn Solojahren hatte Brown immer diese unantastbare Coolness. Die Überzeugung, immer noch der Beste da draußen zu sein.
Doch selbst die Brown’sche Hybris und Gottsohnfantasien reichen nicht aus, um dieses neuen Album zu begründen: über dem End90er Hip-Hop entliehenen Beats und Streicherflächen singt Brown monoton beängstigend krude Texte über die Fütterung der 5.000, wie er die Kinder von der Straße bringt und – man mag es kaum schreiben – von Sinead O’Connor begleitet, wie wir unsere Jungs aus dem Irak zurückholen.
Nein, nicht einmal King Monkey kann einen Text wie „So what the fuck is this UK / Gunnin’ with this US of A / In Iraq and Iran and in Afghanistan” singen. Dass er dazu noch auf die Idee kam, die leidlich okaye frühere Single „F.E.A.R.“ für das neue Album elfmal neu aufzunehmen, macht The World Is Yours wahrlich nicht besser.

Christian Ihle

Und letztes Jahr?

5. Razorlight – Razorlight
4. Mediengruppe Telekommander – Näher am Menschen
3. Belle & Sebastian – The Life Pursuit
2. Morrissey – Ringleader Of The Tormentors
1. Richard Ashcroft – Keys To The World

mit Text? hier

Anzeige

Wenn dir der Artikel gefallen hat, dann teile ihn über Facebook oder Twitter. Falls du was zu sagen hast, freuen wir uns über Kommentare

https://blogs.taz.de/popblog/2008/01/16/die-enttaeuschungen-2007/

aktuell auf taz.de

kommentare

  • Solche Listen sind doch eh immer subjektiv und nur die Meinung des jeweiligen Schreibers. Mal abgesehn davon, dass ich in den meisten Fällen hier die Meinung sogar teile.

    Und das mit der unterschiedlichen Songanzahl bei den Kaiser Chiefs könnte daran liegen, dass „boxing champ“ und „I learnt my lesson well“ bei der deutschen Veröffentlichung ein Lied sind. Das ist aber auch schon egal, weil eh jedes Lied wie das andere klingt.

  • mein gott wie schlecht recherchiert. wenn ich highroyds für eine pianoballade halte schreibe ich besser nicht drüber..

    gruss

  • die kaiser chiefs sind unfassbar öde gesellen: sich selbst beim interview als „best band in the world“ bezeichnet. als der autor dieser zeilen zart widersprach, keine antwort gewusst. also käskästchen gespielt, aus dem gedächnis die brüste der kollegin gemalt, die vorher interview hatte und sich dann darüber beschwert, dass der deutsche popjournalist per se humorlos sei. naja, was kann man schon von der „band zum wiesnhit 2007“ (abendzeitung münchen) erwarten? das wahre favourite worst nightmare.

  • Ich find In Rainbows auch toll. Und um mich zu enttäuschen müssten die Kaiser Chiefs schon ganz andere Sachen machen als schlechte Platten (Kinder essen?). Und jetzt muss ich deswegen das ganze popblog auseinandernehmen? Natürlich nicht. Höchstens, wenn es nicht bald neue Gallagherisms gibt.

  • Kompletter Schwachsinn diese Liste. Ich bezweifle stark, dass sich der Autor die Platten mehr als 1 Mal angehört hat und erst recht dass er sich intensiv mit ihnen beschäftigt hat, um überhaupt ein Urteil abgeben zu können. Stattdessen versteckt er seine musikalische Inkompetenz hinter absolut niveaufreien Aussagen.
    Bezogen auf Radiohead: In Rainbows muss nicht jedem gefallen, ist aber zum einen das in sich stimmigste Album seit Kid A, zum anderen Musikalisch ein absolutes Meisterwerk. Das sollte jeder erkennen und anerkennen der sich mit Musik beschäftigt, selbst wenn er Radiohead nicht mag. Die Behauptung, dass In Rainbows keinen „Knallersong“ zu bieten habe stimmt übrigens auch nicht, aber vermutlich hat der Autor die Platte nichteinmal zu Ende gehört. „Nude“, „Jigsaw Falling Into Place“, „Videotape“ zum Beispiel.
    Der Letzte Satz der Radiohead-Kritik wird alleine schon mit den Plattenverkäufen belegt, die Radiohead trotz (nicht wegen) des Gratisangebots zuvor erzielt hat.

  • Noch mal Daniel: „Enttäuschung entsteht durch die Nichterfüllung von Hoffnungen, durch den Konflikt zwischen einer Erwartung und dem tatsächlichen Ergebnis.“.

    Radiohead: Erwartung, dass nach dem schwachen HTTT wieder etwas in der Nähe von Amnesiac / Kid A kommen könnte. Tatsächliches Ergebnis: HTTT ohne Wolf At The Door. Folge: Enttäuschung.

    Bloc Party: Hoffnung, dass sie sich nicht noch weiter in die Richtung der unsäglichen Zwischenalbumsingle „Two More Years“ bewegen. Tatsächliches Ergebnis: Ein Album, das mit Ausnahme von zwei, drei Songs wie Two More Years auf Albumlänge klingt. Gähn.

    Ian Brown: Erwartung, dass etwas von der Qualität der bisherigen Soloalben (gerne der ersten beiden) erscheinen würde. Tatsächliches Ergebnis: The World Is Yours.

    Aber schön, dass die Liste genau ihr Ziel erfüllt: die Musikspiesser auf den Plan zu rufen, die entgegenschreien „aber die können ihre Instrumente doch total toll spielen!“, „aber die haben doch Millionen Platten verkauft!“, „aber das ist doch Radiohead!“. Schade um den Platz in der Zeitung!

  • Die Liste ist vor allem Unsinn, weil sie bitterschlechte Alben (wie das von Ian Brown, vollkommen unerträglich) mit entweder mauen Alben (Artic Monkeys: eine durch und durch langweilige Band, woher die mal die Hits hatten, eine Wunder) von tollen Bands oder von Bands, die ihre Instrumente spielen können und leider nicht nach den Libs klingen, vermischt. Radiohead und Bloc Party sind gute Alben, wenn auch nicht auf dem bisherigen Innovationslevel.

  • Bei Bloc Party waren einfach die Erwartungen höher als zum Beispiel bei Kaiser Chiefs. Da hat es mich ja nicht wirklich überrascht, dass es kein relevantes Album wurde, deshalb die „höhere“ Bloc Party Platzierung. Das Bloc Party Album an sich ist natürlich shcon besser als das Kaiser Chiefs, aber neben ein paar Songs (meinetwegen auch noch „Waiting For The 7.18“) eben ganz viel, was ich einfach schrecklich langweilig finde.

  • Aber Bloc Party tust Du schon unrecht. Auf Platz 2 ist hart. Das Album ist zwar enttäuschend, hat aber ja wirklich Lichtblicke. + The Prayer war auch relevant.
    & Our Earthly Pleasures, Maximo Park war ja nun auch enttäuschend. Da lagen meine Ansprüche allerdings noch nen Zacken höher. Aber allein die Melone von Paul Smith 2007 … Was soll das denn?!!

  • Werter Herr Ihle, Die Bewertung von „In Rainbows“ (Radiohead)kann durchaus darauf hindeuten, dass sich gewisse kognitive Verschattungen bei Ihnen in bemerkenswerter Dominanz ausbreiten. Noch dazu ist Ihre Bewertung quälend zu lesen und entbehrt jeglicher Unterhaltsamkeit, abgesehen davon, dass Ihr musikalisches Verständnis nicht gerade ausgeprägt erscheint. Aber Sie scheinen sich ja auch eher für sexuelle Praktiken zu interessieren! Ein überwältigendes Niveau! Schade um den Platz in der Zeitung.

  • Bullshit – In Rainbows ist für mich wie für viele Album des Jahres. Nicht umsonst funktionieren free-fee Download und CD-Verkauf so gut, dass das album in allen charts in den top10 eingestiegen ist (england + america auf 1). Irren 100-tausende!?

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert