Anmerkung: „Enttäuschung entsteht durch die Nichterfüllung von Hoffnungen, durch den Konflikt zwischen einer Erwartung und dem tatsächlichen Ergebnis.“ Wir reden also nicht von den fünf schlechtesten Alben des Jahres, sondern von fünf, die die – zum Teil hohen – Erwartungen nicht erfüllen konnten.
5. Arctic Monkeys: Favourite Worst Nightmare
Von den Enttäuschungen ist „Favourite Worst Nightmare“ noch die beste Platte und würde man nur die beiden Singles kennen, möchte man gerne glauben, dass die Arctic Monkeys trotz zweier Alben und einer neuen EP in nur 15 Monaten weiterhin die Hits aus dem Ärmel schütteln. „Brianstorm“ war ein ordentlicher Rockkracher, der an „Juicebox“ der Strokes erinnerte, aber besser in das Monkey-Schema passte als der verwirrende Strokes-Ausflug in die Welt der ganz großen Riffs, die Folgesingle „Fluorescent Adolescent“ sogar einer der besten Songs des Jahres, der Melodieseligkeit mit wunderbaren Texten zu verbinden wusste. An den Texten von Alex Turner liegt das Misslingen von „Favourite Worst Nightmare“ ebenso wenig wie an der Instrumentierung oder der Gitarren-, Bass- und Drumarbeit: alles hervorragend!
Aber irgendwann in den 12 Monaten zwischen den beiden Alben muss Turner verlernt haben, diese unglaublichen Melodien zu schreiben, die das Debütalbum der Arctic Monkeys noch im Dutzend aufweisen konnte. Dort waren über die vier Singleveröffentlichungen hinaus noch eine Handvoll weiterer Wundertracks enthalten, ja, ihren besten („A Certain Romance“) versteckten sie gar als Albumcloser. Das alles fehlt auf dem zweiten Album. Es mag kein Albtraum sein und schon gar nicht der schlimmste, aber vor allem die fehlende Konsistenz im Vergleich zum Debüt lässt einen immer wieder gruseln.
4. Kaiser Chiefs: Yours Truly, Angry Mob
Dabei fängt es so gut an: von der sarkastischen Hymne auf eine am Boulevardtropf hängende Öffentlichkeit „Angry Mob“ über „Everything Is Average Nowadays“, den Schwestersong des Debütalbumknallers „Everyday I Love You Less And Less“, zur Pianoballade „Highroyds“ glaubt man schon, die Kaiser Chiefs hätten tatsächlich nach dem überraschenden Riesenerfolg des Debütalbums (allein in England mehr als 1,3 Millionen verkaufte Exemplare!) das Undenkbare geschafft und ein massentaugliches wie kredibles Werk abgeliefert.
Doch leider hat zuvor schon „Ruby“ den Hörraum betreten! Dass diese anfangs belanglose, durch heftigen Radioeinsatz dann belästigende Single zum größten Erfolg der britischen Band überhaupt wurde, bestätigt wieder einmal eine der vielen Theorien zum Komplex „Teufel“ und „Haufen“. Das Album wird Song um Song belangloser und der Hörer ärgert sich über eine verlorene schöne EP, die eigentlich in diesen 14 Songs stecken würde. Die Produktion ist so amtlich, dass jede Behörde (oder das WOM-Journal) „Yours Truly…“ als „Rockkracher“ durchwinken würde und das Coverbild nimmt die benommene Traurigkeit, die das Album gegen Ende verbreitet, vorweg. Everything is average nowadays, indeed.
3. Radiohead: In Rainbows
Radiohead haben musikalisch ihre Relevanz verloren, auch wenn sie mit In Rainbows soviel Wirbel verursachten wie mit keinem Album seit „Kid A“ vor 7 Jahren. Während der Marketinggimmick, das Album zunächst nur im Netz zu veröffentlichen und der Downloadgemeinde zu überlassen, welchen Obulus sie entrichten möge, in aller Munde war, enttäuscht In Rainbows auf musikalischer Seite. „Kid A“ war damals ein bemerkenswerter Schritt weg vom Prinzip Rockband, bei dem auch noch einige wirklich fantastische Songs („Idioteque“, „Everything In Ist Right Place“) abfielen. Die ein Jahr später veröffentlichte Schwesterplatte „Amnesiac“ war sogar das kompaktere, bessere Album mit weniger „Hits“, wohingegen „Hail To The Thief“ mit Ausnahme des wunderbaren „Wolf At The Door“ eine Enttäuschung war. Das neue Album beschreitet leider den zuletzt eingeschlagenen Weg weiter, nur dass wir zur Linderung nicht einmal mehr den einen Knallersong präsentiert bekommen. So muss es sich anhören, wenn Thom Yorke vor dem Spiegel masturbiert.
Eines haben Radiohead jedenfalls ohne Frage geschafft: „In Rainbows“ wird wegen seines Marketings und nicht wegen seiner Musik in die Geschichte eingehen.
2. Bloc Party: A Weekend In The City
Etwas naseweis erschien uns Kele Okereke schon immer, aber dass er so früh altert, konnte man doch nicht erwarten. Nach den fantastischen frühen Singles und dem in großen Teilen wirklich guten Debütalbum war der Zweitwurf der Briten leider über weite Strecken ein Langweileralbum par excellence. Natürlich können sie ihre Instrumente spielen, selbstredend gelingen Kele immer wieder tolle Zeilen und ohne Frage sind wir voll des Lobes, wenn eine Band über den Tellerrand Girls (oder Boys?) abschleppen und wasted sein hinausblickt, aber muss man dabei so gottverdammt langweilige Musik produzieren?
Bezeichnend dass die Nichtalbumsingle „Flux“, die gegen Ende des Jahres veröffentlicht wurde und Bloc Party im Discomodus zeigte, neben „Hunting For Witches“ der einzige relevante Bloc Party Song des Jahres war. Wie viele Einschlaflieder darf man eigentlich schreiben bis einem das „Party“ im Bandnamen entzogen wird? Ach, und Kreuzberg liegt in Westberlin.
1. Ian Brown: The World Is Yours
Ja, der Ian. King Monkey. The Greatest. Seit er mit den Stone Roses nun vor fast 20 Jahren Indiepop neuerfand, auf dem vielleicht besten Album aller Zeiten sang und zur wichtigsten Inspiration für Frontmänner britischer Rockbands wurde, als Liam Gallagher und Dicky Ashcroft noch mit dem Tennisschläger vor dem Spiegel posierten, ist Ian Brown sakrosankt – und das zurecht. Es ist gerade die ihm eigene Hybris, die ihn so sympathisch macht, die das zweite Stone Roses Album ebenso vergessen lässt wie den legendär-berüchtigten Reading-Auftritt 1995 oder die mitunter bizarr schlechte Produktion seines Debütalbums von 1998. Denn neben etlichen Wahnsinnssingles in den letzten zehn Solojahren hatte Brown immer diese unantastbare Coolness. Die Überzeugung, immer noch der Beste da draußen zu sein.
Doch selbst die Brown’sche Hybris und Gottsohnfantasien reichen nicht aus, um dieses neuen Album zu begründen: über dem End90er Hip-Hop entliehenen Beats und Streicherflächen singt Brown monoton beängstigend krude Texte über die Fütterung der 5.000, wie er die Kinder von der Straße bringt und – man mag es kaum schreiben – von Sinead O’Connor begleitet, wie wir unsere Jungs aus dem Irak zurückholen.
Nein, nicht einmal King Monkey kann einen Text wie „So what the fuck is this UK / Gunnin’ with this US of A / In Iraq and Iran and in Afghanistan” singen. Dass er dazu noch auf die Idee kam, die leidlich okaye frühere Single „F.E.A.R.“ für das neue Album elfmal neu aufzunehmen, macht The World Is Yours wahrlich nicht besser.
Christian Ihle
5. Razorlight – Razorlight
4. Mediengruppe Telekommander – Näher am Menschen
3. Belle & Sebastian – The Life Pursuit
2. Morrissey – Ringleader Of The Tormentors
1. Richard Ashcroft – Keys To The World
mit Text? hier
Solche Listen sind doch eh immer subjektiv und nur die Meinung des jeweiligen Schreibers. Mal abgesehn davon, dass ich in den meisten Fällen hier die Meinung sogar teile.
Und das mit der unterschiedlichen Songanzahl bei den Kaiser Chiefs könnte daran liegen, dass „boxing champ“ und „I learnt my lesson well“ bei der deutschen Veröffentlichung ein Lied sind. Das ist aber auch schon egal, weil eh jedes Lied wie das andere klingt.