vongnu 09.07.2019

GNU – Literarische Grotesken

Damals wie Heute das zynische Lächeln über die menschliche Irrfahrt. | © Fabian Fox Fotografie

Mehr über diesen Blog

Was bisher passierte:
Everybodys Darling Charlie Manello hat die wahre Wahrheit von einem sprechenden Delfin namens Peter, besser bekannt als Flipper, erfahren. Zur umfassenden Aufklärung der Gesellschaft, hat er die Aktion #FREEFLIPPER ins Leben gerufen. Hierbei handelt es sich um bedruckte T-Shirts mit Manellos skizzierter Abbildung eines Delfins. Die Erlöse der Kampagne sollten zum Einen, die Befreiung Peters, der als lebender Außenposten der Weltraumbehörde auf dem Mond Europa festsitzt, gewährleisten und zum Anderen Manello eine umfassende Pension und somit ein beschwerdefreies Leben im vorzeitigen Ruhestand ermöglichen. Zwischenzeitlich agierte er unter dem Deckmantel der Sonderkomission zur Förderung von Kunst und Kulturellen Entwicklung, um den Argwohn der Behörden beiseite zu wischen.
Gewissenhaft füllte er seine neue Funktion aus und entdeckte diverse Verbrechen an deutschen Theaterhäusern. Plötzlich verschwand er von der Bildfläche. Schließlich musste es ja so kommen und was andere als verdeckten Angriff von den betroffenen Intendanten werteten, entpuppte sich für Manello als behördliches Attentat. Zumindest vermutete er so, als er in einer Kaschemme mit seiner Hermes Baby aufwachte. Die Oben mussten genug von seinen Tun haben und wollten klammheimlich die Akte Manello ad acta legen. Sein inszenierter Abschiedsbrief und Rotwein. Als einige Burschen das Parkett betreten und sich die Lichtkegel auf ihn richten, dämmert es Manello. Er steht im Lineup neben dem Delfinmann. Bereit für die Befreiung des Seins und die Reinkarnation einer Kunstfigur. Die Komplexität eines höheren Grades an Verwirrung offenbart sich in einem beseelten Konzert.

MANELLO:

Hi, ich bin Charlie Manello. Ich weiß nicht wirklich, wieso ich gerade hier bin.

Hey, die meinen es scheinbar gut mit mir, es gibt sogar Rotwein.

Gewiss die Folterknechte der CIA und ich, der räudige Hund auf der Richtbank. Wie gnädig, einem Mann den letzten Nikotinschock zu gewähren, beinahe ist alles da, was man zum Leben braucht. Mir fiele da noch etwas anderes ein, doch in solchen Situationen will man nicht kleinlich werden. Wieso sie allerdings diesen unmilitärischen Frack anhaben? Seltsam, ich glaube es ist ihre perfide Methodik des Strafens, das weltliche Fegefeuer.
Dort sind sie und ich, demütig blicke ich meinem Schicksal ins Antlitz – den Abgeordneten der Vereinigten Staaten von Amerika.

Ich kann es kaum glauben, der sagenumwobene Delfinmann hat Pläne mit meiner Person. Mein wacher Geist gewährte mir tiefe Einblicke und nun darf ich zum Dank an einem heiligen Akt teilnehmen und teilhaben. Ein maritimer Opulus steigt aus den Untiefen des Ozeans.
Der Delfinmann. Ich sagte, der Delfinmann. Macht Platz für den Delfinmann.

Er ist ein Gott. Nein, nicht Neptun, nicht Poseidon. Er ist ein Gott, zürnend wie aus dem alten Testament. Eine Erscheinung, tobend wie die sturmgepeitschte See.

Ein junger Mann erhebt sich aus dem Publikum, empört über Manellos Anmaßung und die kruden Gedankensprünge, für die er auch noch zu allem Überdruss Eintrittsgeld entrichten musste. Er würde diese Auffassungen nicht einmal schwerlich im Rahmen einer Benefizveranstaltung ertragen können. Er glaubt nicht an Delfine, er glaubt an Mollusken. In einer Kurzschlußreaktion zerrt er Manello von der Bühne und ruft die Revolution der Weichtiere aus. Manello, besoffen, sieht nur die eifrige Tat, die anzettelnden Worte bleiben ungehört. Dem jungen Revolutionär bleibt keine andere Wahl. Die Einweihung in die tiefen Pläne der See. Es braucht neue Mitstreiter – Delfinbube – eine Schule Tümmler zieht durch die sanften Wogen des Meeres.

MANELLO:

Hey du, genau du, ich meine dich! DELFINBUBE!
Versteht ihr nicht die Tragweite. Für euch ist es ein Konzert. Ihr habt die Ehre an einer heiligen Messe teilzuhaben.

Es war ein seltsamer Moment, ein Spektakel, dem ich bewohnen durfte. Ein Spektakel, das beinahe so, wie eine totale Sonnenfinsternis, sich nur alle Jahrhunderte ereignete und dessen man bewusst oder unbewusst, nur seinerzeit einmal im Leben teilnehmen durfte. Der Delfinmann trat hervor, um in einen maritimen Initiationssritus den gesalbten Jüngling zu taufen und ihn fortan in die Stellung des Novizen, des Delfinbuben zu heben, sodass er fortan demütig seinem Schicksal folgen und als Mittler zwischen zwei Völkern, zwischen Land und Wasser, zwischen Tümmlern und Menschen auftreten sollte. Ich schmeckte Salz auf meiner Zunge. Der Delfinmann träufelte Brackwasser auf das selige Haupt seines Knechtes und erhob das Wort:
Delfine sind die Wächter des Meeres. Der Delfmann erhob das Wort: Delfine sind die Wächter des Meeres.

Die Schätze der Erde liegen unter dem Meer. In der Tiefe schlummert die Reinheit der Salzbäder. Orte, an die kaum ein Sterblicher zuvor denken konnte. Tangwälder dichter als die Tropen. Teppiche aus Schweröl und Bomben aus Methangas, für alle Zeit in Eis konserviert. Ich spreche vom Bermudadreieck. Gischt umschäumt die Seele. Im Weltraum ziehen die Wrackteile eines implodierten Spaceshuttles gemählich neben Satelliten ihre Kreise. Und dort ist ein Hund. Er leuchtet, wie ein Stern. Laika, weiß uns den Weg. Robben kreischen oder sind es gar Seehunde. Die Wogen tragen den Dampfer zu jenen berüchtigten Ort, die Salzkruste ist Schorf auf meiner Haut. Es kribbelt, ich erkenne das Übel, das Salz scharbt an meinen Pusteln. Gleißende Sonne. Es ist wenig übrig von mir, die saure Tinktur entfernt die Kalkplatten, die sich um meine Seele gelegt haben. Eine Schule großer Tümmler hängt sich in die Schallwellen der Schiffsschraube. Er betritt das Deck. Zwinkernd sagt er mir, Domenique liebt sie, ich strecke ihm die Hand zum Dank entgegen. Das ist nicht nötig. Er drückt einen grünen Kaugummi aus Seegras in meine Handflächen. Er hat den Geschmack bereits verloren. Dann winkt er im Licht einer gleißenden Sonne. Die Delfine halten inne und strecken mir ihre fröhlichen Nasen entgegen. Domenique, wo war sie? Beifall, Applaus. Ein Platscher, er tauchte Tief. Die Entscheidung fortan bei den Delfinen zu leben. Die Geburtsstunde des Delfinmanns, eines besseren Menschen. 12 Knoten. Wellenbrecher und das tönende Geräusch eines einfahrenden Zuges.

Dann New-Age-Kram, das Zeitalter der Algen wird ausgerufen.

MANELLO:

2019 – zu was sind Delfingesänge gut? Das Zeitalter des New Age hat längst begonnen. Zwischen Absinth und Ayahuasca. BWL-Yuppies streben in der Vorstadt nach Bewusstseinserweiterung. San Pedro ist durchdrungen vom Elektrosmog der Smartphones. Schamanen tragen Ralph Lauren und sind auf der Suche nach schnellen Sex mit europäischen Pauschaltouristinnen.
Was bringen Delfinlaute?
Meditation ist das neue Feierabendbier. Auf Facebook gibt es die Koordinaten zu Gott. Zwischen Himmel und Hölle. Sehnsüchtig mastubieren wir vor den analogen Reisefotografien vor Yucatan. Wieso Delfinlaute? New Age mein Freund. Wieso Delfinlaute? Klick Kluck Klick. Wieso Delfinlaute? Kennen wir das nicht längst? Eine Stimme gibt Anleitungen zur progressiven Muskelentspannung. Progressiver Rock ist out. Techno das neue LSD. Schon wieder die Frage, wieso Delfinlaute. Delfine sind real. Delfine sind newer, als new Age. Sie meinen es ehrlich mit uns. Delfine sind unsere Freunde. Echt jetzt? Ja, hörst du sie lachen.

Poppen wir ein paar Pillen. Es sind Algen, das Psychadelikum des Atlantischen Ozeans. Es gibt eine Verbindung zwischen Ayahuasca, Absinth, Algen und Atlantik. Merkt A – der Buchstabe A (A wie Algen). Es stimuliert unsere Sinne zur besseren Kontaktaufnahme mit diesem göttlichen Mischwesen, es spricht zwar unsere Sprache, doch verständigen wir uns nun auf einer tiefer liegenden neuronalen Ebene.
Spirulina.

Musik ist Poesie. Unsere Herzen Ambra. Allein auf der See. Wir müssen das nicht tun. Ein einziger Moment, der uns vergessen lässt. Leuchtturm der Zukunft. Das Meer. Lauscht den Delfinen. Sie erzählen euch. Das Meer. Lauscht den Delfinen. Sie erzählen euch. Ihre Stimmen die Wahrheit. Die Liebe ertränkt in einem Meer aus Blut. Delfinschreie sind der Echolot zu etwas Emotion. Schließt die Augen lauscht dem Delfinmann. Er hat euch zu berichten.

Alle sind göttlich, die Menschen bestehen zu 90% aus Wasser, ebenjene Flüssigkeit, in der Delfine sich tümmeln.

*Apropos, obwohl Manello wieder schriftstellerisch tätig ist, hat sich an der Welt leider wenig geändert.
Die Delfine sind weiterhin bedroht, die Menschen auch. Tätig werden; trendy Fashion und maritimer Lifestyle zugunsten der Wahrheit. Ganz einfach, T-Shirt kaufen für ebenjene positiven Nebenaspekte.

https://www.youtube.com/watch?v=2NEYeJniEys

Anzeige

Wenn dir der Artikel gefallen hat, dann teile ihn über Facebook oder Twitter. Falls du was zu sagen hast, freuen wir uns über Kommentare

https://blogs.taz.de/gnu/delfinmann/

aktuell auf taz.de

kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert