vongnu 16.03.2019

GNU – Literarische Grotesken

Damals wie Heute das zynische Lächeln über die menschliche Irrfahrt. | © Fabian Fox Fotografie

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Parma-Village, 03:00 AM
Leuchtreklame zieht sie an, wie die Motten. Der Moment, wenn ein einsamer Streuner, angetrieben vom Wunsch einer warmen Mahlzeit, aus der dunklen Gasse, auf den grünlich beleuchteten Vorplatz einer ranzigen Kneipe tritt. Die Kombüse stillt fettige Sehnsüchte.

Chasey: Mahlzeit, die Herren.

Chasey, ein Mann, eine Gestalt. Vom Leben durch die Mangel genommen, gekämmter Oberlippenbart, abgewetzte Lederjacke, schwere Stiefel, glimmende Zigarette. Wahrlich das Leben kann einen Hund nichts mehr anhaben.

Guiseppe: Du?

Guiseppe, ein kleiner Herr, untersetzt, gekämmter Oberlippenbart, weiße Robbe, traditioneller Bäckerhut, Mehl und Teigreste, Spritzer von Tomatensaft.

Chasey: Ich habe Hunger.

Guiseppe: Das haben sie alle. Sie haben die Einladung, nehme ich an.

Chasey: Nur Hunger, von einer Einladung weiß ich nichts.

Guiseppe rennen Schweißperlen über den Nacken. Er muss Zeit gewinnen.

Guiseppe: Hunger, ah ja, natürlich Hunger, das haben sie alle.

Chasey: Hunger, deswegen, bin ich hier. Ich habe einen richtigen Appetit und da draußen sagt man über den Laden, dass man hier noch eine warme Mahlzeit bekommt.

Chasey schnippst den Zigarettenstummel mit einer lässigen Handbewegung auf den verschmierten Fußboden.

Guiseppe: Woher?

Chasey: Es gibt ´ne Werbung, oder? Ich bin hier richtig, oder? Das ist doch »Papa-Pizza-Pizzas-Place«, oder? Heißt es da nicht »Papa-Pizza stillt den Hunger und stopft die Mäuler«, oder?

Guiseppe: Das wollen alle.

Chasey: Ich will nicht mehr länger hungern, ich will nicht mehr fressen und trotzdem hungern. Ich will die Pizza essen, die von Papa-Pizza.

Guiseppe: Und eine Einladung? Wo ist die Einladung?

Chasey: Es gibt keine Einladung. Also pack dein Nudelholz und klatsch´ mir den Teig auf die heiße Ofenplatte.

Eine Stimme ertönt, sonor, wie heißes Olivenöl, das die Kehle benetzt.
 Guiseppe glaubt, nur er allein, kann diese Stimme vernehmen. Es ist Papa-Pizza.



Papa-Pizza: Gib ihm das, wonach er verlangt.

Chasey: Verdammt, ich höre schon Stimmen, die Stimmen des Hungers.

Guiseppe: Eine Pizza reicht nicht aus, um deinen Hunger zu stillen. Die Welt hungert dich aus – wie viele Tage – die Pizza heilt dich. Der Weltschmerz ist aufzerrend, nicht wahr?

Chasey:  Beschissene Plauderei. Ich verstehe nichts, rein gar nichts.

Guiseppe: Um der Verlockung zu widerstehen, musst du essen, was dich verlockt. Pizza ist es, Pizza, die vollkommen ist. Der Teig ist die Erde, er wächst auf der Erde, er ist das Korn, der Weizensamen, der im lehmigen Grund gedeiht.

Guiseppe scheint zu wachsen, er schöpft Vertrauen aus dem pizzatistischen Gefüge.

Chasey: Lalle nicht, ich habe Hunger, ok?! Klatsch mir einfach einen Teigfladen auf den Herd.

Guiseppe: Vertraust du der Pizza?

Erneut wabert die ölige Stimmte durch den schäbigen Laden.

Papa-Pizza: Ich vertraue auf den Kaloriengehalt und die gesättigten Fettsäuren, die meinen Hunger stillen mögen.

Chasey: Danke, dass wollt ich gerade auch sagen. Ich vertraue auf den Kaloriengehalt und die gesättigten Fettsäuren, die meinen Hunger stillen mögen.

Guiseppe: Pizza ist mehr, viel mehr. Pizza lässt sich nicht auf ihre Zutaten reduzieren. Ein jeder Pizzabäcker ist ein Heiliger, je besser er sein Handwerk versteht, desto heiliger ist er. Pizzabäcker sind Mittler im kosmologischen Gefüge.

Chasey: Soll ich jetzt den Küchenjunge um Buße bitten, damit er mir ´ne verdammte Pizza in den Ofen schiebt.

Guiseppe: Keiner kann deine Füße reinwaschen. Die Haut ist der Spiegel der Seele und die Seele wiederum der Spiegel des Darms. Eine unreine Haut an den Zehenspitzen, lässt sich letztendlich mit einen nicht intakten Darmtrakt begründen. Nicht gesalbte Speisen geißeln tagtäglich den Darmtrakt.
Der Darm ist ein Empfänger des Göttlichen. Ich ehre das Göttliche und mein empfindliches Organ, indem ich jeden Tag hier Pizza esse. Die Pizza stillt mein Hunger und befreit mich vom Joch des Hungers. Sie spendet Geschmack in der Not und nimmt einen wärmend auf, in ihrer heißen Fettschicht aus zerlaufenen Käse.

Chasey: Verdammt, mir wird das zu blöd, ich geh einfach zu Sally Joe´s Burgerladen.

Erneut wabert die ölige Stimme durch den Raum.

Papa-Pizza: Verschwinde Guiseppe, ich werde mit ihm sprechen. Er muss eine Einladung haben, nicht ohne Grund trieb in das pizzatistische Gefüge an dieser Stunde vor die Schwelle des »Papa-Pizza-Pizzas-Place«.

Chasey: Was soll diese verdammte Scheiße hier?

Guiseppe: Du wirst es sehen, oh Jünger des Heißhungers. Auch ich hungerte, ausgezehrt auf der Suche nach Antworten.

Guiseppe schiebt einen fettfleckigen Vorhang beiseite. Dahinter lauert eine Kreatur, halb Mensch, halb Pizza, hypnotisierende Tomatenaugen.

Chasey: Was zur…

Papa-Pizza: Ich bin Papa-Pizza und du bist im Dom der Parma-Pizza-Bewegung gestrandet? Doch nicht ohne Sinn und Absicht? Dich treibt der Hunger um. Ich kann ihn stillen.

Chasey: Ist mir eben vergangen.

Papa-Pizza: Pizza ist der Inbegriff des Universums. Die spirituellen Jünger der pizzatistischen Bewegung verzerren jeden Tag lediglich zwei runde, ausgewalkte Teigfladen gleichzeitig. Lege die beiden runden Teigwaren aus der Tiefkühltruhe nebeneinander und du erhältst eine liegende Acht.

Chasey: Die Unendlichkeit.

Guiseppe: Zwei Pizzen sind die einzigen Produkte, denen die Kraft beiwohnt, das Unendliche, auf zwei mal 30 cm Durchmesser zu reduzieren. Die Unendlichkeit, bei der deren Bemessung, bisher die intellektuellsten Köpfe scheiterten, sie scheitern und scheitern und stets aufs Neue, doch der Pizza ist es gelungen, eine Antwort zu finden.

Chasey: Ich hätte einfach Burger essen sollen.

Papa-Pizza: Höre zu, es passiert etwas unvorhergesehenes Großes, wenn sich Mensch und Pizza verbinden. Hier hast du eine Pizza.

Chasey: Danke, wurde ja auch Zeit.

Papa-Pizza: Unser täglich Brot gib uns heute. So lautet der Vers eines bekannten Stoßgebets. Pizza ist veredeltes Brot. Brot wird durch Tomatenmark und Käse zu etwas Heiligem.

Chasey macht sich gierig über die, über und über, mit Fett triefende Pizza her.

Chasey: Kann man die Hintergrundgeräusche auch abstellen?

Papa-Pizza: Du hast gekostet und bist beseelt. Erkennst du die Größe von Papa-Pizza an. Denn wenn Mensch und Pizza sich vereinen,…

Chasey: Ja, ich weiß schon, passiert etwas unvorhergesehenes Großes. Meinetwegen, ich erkenne die Größe einer sprechenden Pizza an. Verdammt, hab ich das wirklich laut gesagt, so weit hat mich der Hunger schon getrieben.

Papa-Pizza: Eröffne eine Filiale, einen weiteren Dom der Parma-Pizza-Bewegung. Alles, was du bisher glaubtest, über ein System, das Narrenfreiheit hat, ist schlichtweg falsch. Einzig die Parma-Pizza-Bewegung, gemeinhin auch als Parma-Pizza-Party bezeichnet, ist Gewinner der Globalisierung und des Kapitalismus. Auf welchen Kontinent du auch blickst, Papa-Pizza ist nicht weit entfernt, die Parma-Pizza-Bewegung ist expandiert und hat sich durchgesetzt. Die Rettung in einer Welt, in der es viele Fragen und immer weniger Antworten gibt. Trage du die Botschaft hinaus und beende das Leid der Hungernden. Dann und wann werde ich deiner Filiale einen Besuch abstatten und sehen, ob dein Dienst, dem Wohle der Parma-Pizza-Bewegung, zuträglich ist.

Chasey zündet sich eine neue Zigarette an.

Chasey: Paps, so einfach läuft das nicht. Was hab ich von dem Blödsinn.

Papa-Pizza: Pizza.

Chasey: Klingt gar nicht so unvernünftig. Was ist dein Ziel?

Papa-Pizza: Wenn wir Marktführer sind und alle von der Pizza zerren, werden wir am Tag des 1. Pizza-Priester, Pizzen servieren, doch keine normalen Pizzen, wenn du verstehst.

Chasey: Und alle müssen die Limo trinken?

Papa-Pizza: Die pizzatistische Erlösung wartet auf alle Angehörigen, die von Pizza zerren, jener Ort, der sich zwischen zwei aneinandergereihten Aufbackpizzen befindet.

Chasey überlegte, sollen die ganzen Pizzawichser an ihrem Fett krepieren, er machte da nicht mit, aber als Eingeweihter könnte er die »Papa-Pizza-Pizzas-Places« am Tag des 1. Pizza-Priesters plündern und anschließend die Kohle in Las Vegas verzocken, heiraten wollte er auch noch. Laut ließ er verlauten.

Chasey: Ok, Papa-Pizza ich bin dabei und erkenne in deiner pizzatistischen Perfektion, den Großmut deines überaus großzügigen Angebotes an. Du verteilst Pizza und schenkst einen Bißen Heiligkeit in einer trostlosen Welt und dabei belässt du es nicht nur bei einer Pizza, im Gegenteil, in dieser Pizza liegen verheißungsvolle Versprechen auf das pizzatistische Paradiese. Oh du, Pizza aller Pizzen (zu dick aufgetragen – nein) oh du Vater aller Väter. Wenn Mensch und Pizza sich vereinen, passiert etwas unvorhergesehenes Großes.

Chasey fällt auf die Knie und züngelt am Belag von Papa-Pizza.

Carlo betritt die Stube. Baseballjacke, Blue Jeans, Sonnenbrille. Etwas verstört.

Carlo: Woah Scheiße, ich wollte nicht stören, man.

Chasey: Schon gut.

Guiseppe: Nein, er darf sie nicht sehen.

Carlo: Ich habe hier so ´ne Einladung von einem Girl aus der Tomaten-Konservenfabrik. Sie sagt, dass hier die Parma-Pizza-Party steigt. Ich wusste nicht, dass das jetzt so ´ne Fettisch-Sache wird.

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