Organisatorisch gesehen ist das Ziel jeder Verwaltungstätigkeit, die Akte schließen zu können; der Vorgang ist erledigt, alle dazugehörigen Dokumente sind versammelt und abgelegt.
Immer wenn über Existenzgrundlagen eines Menschen zu entscheiden ist, kann so das Verwaltungsziel auch dadurch erreicht werden, dass der Mensch stirbt. Der Rentner, dem der Zuschuss zur Heizung nicht bewilligt wird, erfriert in seiner Wohnung; die psychisch Kranke, vom Jobcenter unter Druck gesetzt, Termine einzuhalten und sich auf Stellen zu bewerben, springt aus dem Fenster; der unerwünschte Ausländer erleidet, von Abschiebung bedroht, einen Herzinfarkt.
Das Papier amtlicher Akten ist nicht geduldig, es ist selbstbezogen, alles Äußere, auch äußerste Not ändert an ihm kein Komma. Genau darin liegt, auf der formalen Ebene, die unerbittliche Botschaft jedes bürokratischen Vorgangs, mit dem lebenswichtige menschliche Dinge geregelt werden, das Papier (nicht in jedem Fall der Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin der Behörde) sagt: Erfülle meine Voraussetzungen, auch wenn du nicht weißt, wie, oder geh vor die Hunde oder stirb, es ist mir egal.
Und Menschen wissen nicht, wie sie die Voraussetzungen erfüllen sollen, gehen vor die Hunde oder sterben: Klappe zu, Affe tot, Akte geschlossen.
Menschen, deren Spur ich verliere – Gedichte zu Kursteilnehmern (4)
Nasir
Verhuscht, wenn sie ihn necken, lächelt er.
Und würd sich gern in seinem Hemd verstecken,
die schmale Brust kein nächstes Mal mehr strecken;
sein leiser Widerspruch wird seltener:
Er hat entschieden. Und er kann nicht mehr.
Er ist getauft, ein Christ. Um zu bezwecken,
dass sie, des Nachts, ihn nicht ins Flugzeug stecken.
Doch macht der Schritt ihn täglich düsterer.
Der neue Gott hilft ihm nicht gegen Ängste,
erlaubt jedoch als Gegenmittel Schnaps.
Die letzte Nacht war immer nicht die längste,
in Zeitlupe vollzieht sich sein Kollaps.
Und schuldbewusst vertut er seine Stunden,
verspätet sich, setzt aus und ist verschwunden.