vonkirschskommode 19.07.2022

Kirschs Kommode

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Kim

Um Kim herum bleibt immer Sommer:
das Haar sehr schwarz, die Haut sehr weiß;
ein Funke glimmt (und dann verglomm er);
im Garten summt das Maigeschmeiß.

Sie wohnt bei brummigen Dozenten,
statt Eltern Namen: Klaus und Grit.
Zu zweit, von unseren Momenten –
ich nahm kein Bild mir davon mit.

Vermutlich hat sie gut gerochen.
Und einmal aß sie LSD.
Sie strahlt, kein Teller war zerbrochen:
Kim, die ich niemals wiederseh.

 

Dies kleine Gedicht aus meinen Erinnerungen ist mir besonders lieb, das Wiederfinden der Gefühle und gleichzeitige Abstandnehmen von ihnen kommt hier ganz direkt zum Ausdruck. Es hat sich viel verändert seitdem, das „Maigeschmeiß“ ist (wie das mailich morgendliche, ohrenbetäubende Vogelgebrüll) als relativ alltägliche Erfahrung weitgehend verschwunden; Frühsommer und Sommer sind nicht mehr die Folge einer überwältigenden Explosion des lange von der Kälte klein gehaltenen Lebens, sondern vielmehr eine Zeit, in die die Natur gleichsam mit schon zusammengebissenen Zähnen geht, im festen Willen, sie tapfer durchzustehen. Da sich Gefühle durchaus nach dem Wetter und den Jahreszeiten richten, stellt sich mir die Frage, ob momentan nicht ungezählte klassische Gedichte, in denen beginnende Liebe und Frühling sowie erfüllte Liebe und Sommer gleichgesetzt werden, anfangen zu veralten und unverständlich zu werden. Und ob nicht mein Bedürfnis, Gedichte zu schreiben, in denen Erinnerung ganz unverkennbar Erinnerung ist (und nicht Wiedererleben), genau damit zu tun hat. Mai und Sommer, 1975 erlebt und gesagt, bedeutet etwas völlig anderes als Mai und Sommer, 2022 erlebt und gesagt – eine Feststellung, die eine Binsenweisheit wäre, wenn sie sich nicht ausgerechnet auf das bezöge, was als zyklisches Geschehen im Großen und Ganzen ewig und unveränderlich zu sein schien: die Jahreszeiten.

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