vonChristian Ihle 30.12.2008

Monarchie & Alltag

Neue Bands und wichtige Filme: „As long as the music’s loud enough, we won’t hear the world falling apart“.

Mehr über diesen Blog

10. Mystery Jets feat. Laura Marling: Young Love

[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=qz-FoGp3p0s[/youtube]

Der Indie-Pop-Song des Jahres aus England. Die Eel-Pie-Jungs ließen diesmal alle Indie-Progrock-Tendezen daheim und entschieden sich für puren Pop. Der Song wäre schon für sich genommen der große Höhepunkt ihres zweiten Albums gewesen (das leider nicht ganz dieses Niveau halten konnte), doch dann kommt nach 2:05 Minuten die mit unserer Album-des-Jahres-Krone ausgezeichnete Laura Marling um die Ecke und verzaubert, in jeder Hinsicht.

Charts: UK: 34

9. Be Your Own PET: Becky

[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=3cMiNDwyq3w[/youtube]

Völlig untergegangen ist die traurige Meldung, dass Be Your Own PET schon nach ihrem zweiten Album bereits ihre Band auflösten – obwohl doch der Altersdurchschnitt gerade einmal 20 betragen dürfte. „Becky“ ist zum Abschluss noch einmal eine wunderbare Erinnerung daran, wie wild und unverstellt diese Band war. Dazu erweitert es das bisher bekannte BYOP-Soundspektrum (wie viel Gitarren, Geschrei und Getrommel bringen wir in 1:20 Minute unter?) um ein New York Dolls Verständnis von Rock’n’Roll. Man kann nur hoffen, dass die Bandmitglieder einzeln weitermachen und dass „Becky“ nicht das letzte war, das wir von Sängerin Jemina Pearl gesehen haben. Ein Witz übrigens aus ihrem Heimatland: „Becky“ wurde wegen des gewalttätigen Inhalts nicht auf die US-Edition ihres Albums genommen!

8. The Mae-Shi: Run To Your Grave

[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=PUKAcKKQns4[/youtube]

Run To Your Grave klingt mit seiner einfachen, vor Spaß und Spielfreude überbordenden Melodie wie der kleine Bruder des MGMT-Hits „Kids“. Das Video setzt ebenso wie Vampire Weekends „A Punk“ auf die Freude an der schnellen, wilden Bewegung von ein paar normalen Typen. Warum sind Mae Shi eigentlich nicht so groß wie die beiden anderen Gruppen geworden? Man kann sich ja gar nicht vorstellen, dass irgendjemand, der diesen Song hört, ihm nicht verfällt? Eine großartige, das Video sogar noch in den Schatten stellende hyperaktive Liveshow haben die jungen Amerikaner übrigens auch noch zu bieten.

7. 1000 Robota: Ich blicke an dir vorbei

[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=VakUcS6trTQ[/youtube]

Vielleicht gerade weil „Ich blicke an dir vorbei“ völlig aus dem sonst so straff konstruierten Robota-Sound herausfällt, ist es der perfekte Albumcloser. Hier entdeckt man erstmals Verzweiflung statt Verachtung, Angst an stelle von Arroganz. Mag der Text auch von Pascal Finkenauer geschrieben sein, die Instrumentierung und Wucht ist ganz 1000 Robota.

6. HEARTSREVOLUTION: C.Y.O.A.

[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=WFPnl8aEPgo[/youtube]

Natürlich wird mancherorts über HEARTSREVOLUTION die gleiche Häme wie über Crystal Castles hereinbrechen – und vielleicht sogar mehr, da die Songs der beiden Amerikaner manchmal ja tatsächlich kaum von den Castles zu unterscheiden sind. „C.Y.O.A.“ hat etwas mehr frühe Ladytron-Elemente in seinem Mix aus Krach, Fiepsen und Pop sowie die besseren, wenn auch gänzlich sinnfreien Slogans. Foxes & Bunnies / Fire & Snow / We’re All Just Lost / Don’t Know Which Way To Go. Chose Your Own Adventure.

5. MGMT: Kids

[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=bIEOZCcaXzE[/youtube]
(inoffizielles Video)

Das Album der Neo-Hippies aus Brooklyn mag doch weit überschätzt sein, aber wenn die beiden die Popsau durch New York jagen, kann auch der Zyniker in mir nicht mehr anders als ran, ran. „Kids“ hat über die Monate dann doch noch „Time To Pretend“ geschlagen und ich zumindest wünsche mir manchmal, dass MGMT das Keyboard häufiger auspacken und Kinderliedmelodien schreiben statt uns mit Stirnbändern und Gitarrensoli aus der Hölle der 70er zu schockieren versuchen. Lustig genug eigentlich, dass ausgerechnet die beiden Songs, durch die MGMT derart durch die Decke gingen, bereits vor drei Jahren veröffentlicht wurden. Man kann das entweder als späte Gerechtigkeit interpretieren oder sich fragen, wie viel Bedeutung die Songs an sich eigentlich haben, wenn doch nur die mediale Präsentation über Hit oder Obskurität entscheidet.

Charts: UK: 25

4. Hot Chip: Ready For The Floor

[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=AW94AEmzFhQ[/youtube]

Hatten Hot Chip bisher immer nur verschämt – wie in „No Fit State“ – angedeutet, dass sie auch „richtigen“ Pop jederzeit machen könnten, zogen sie mit „Ready For The Floor“ alle Register. Dass sie es nicht beim Pop beruhen ließen, sondern auch gleich noch Wagenladungen Soul herankarrten und den legitimen Nachfolger zu Gnarls Barkleys „Crazy“ fabrizierten, macht all das nur noch bewundernswerter. Zudem ist „Ready For The Floor“ wohl der Song mit den meisten verschiedenen Stellen, die für sich genommen schon jeweils Song-des-Jahres-Material ergäben. You are my number one, guys. Beinah.

Charts: UK: 6

3. Wild Billy Childish & The Musicians Of The British Empire: He’s Making A Tape

Hier lässt die DIY-Legende, der ewige Punk, Billy Childish seiner Nurse Julie den Vortritt am Mikrofon und legt so seinen besten Song seit Jahren vor. Unverschämt Bubblegum und gleichzeitig unpoliert wie eine seit Jahren nicht mehr geputzte Garage ist der Ramones-via-The-Who-Hybrid eine Eifersuchtshymne für alle Nerdgirls dieser Welt: „He’s Making A Tape / It Isn’t For Me / He’s Making A Tape / And You Know What That Means“.

2. Glasvegas: Daddy’s Gone

[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=RfmClxKWhPY[/youtube]

Ist es ein schlechtes Zeichen für ein Musikjahr wenn sowohl Platz 1 wie auch 2 bereits 2007 veröffentlicht waren? Daddy’s Gone war neben dem herausragenden „Home Tapes“ Demo von Glasvegas letztes Jahr das große erste Ausrufezeichen der Schotten. Obwohl „Daddy’s Gone“ gemeinhin als der leichter zugängliche Song gesehen wird, war des Popblogs Liebling immer „It’s My Own Cheating Heart That Makes Me Cry“. Irgendwann musste man sich aber auch hier der einfachen Emotionalität von „Daddy’s Gone“ ergeben.

Charts: UK: 16

1. Crystal Castles vs. HEALTH: Crimewave

[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=rqMp91DahSU[/youtube]
(Die Filmausschnitte im Crimewave-Video sind übrigens aus “Otto; Or Up With Dead People” von Bruce La Bruce)

Die Insel des Friedens im Meer der fiependen, krachenden, quietschenden Atari-Maschinen, die nach Weltherrschaft greifen. „Crimewave“ erinnerte immer wieder an Miss Kittins „Rippin Kittin“, das damals die Melodie in den Electroclash brachte – und so war „Crimewave“ auch ein Hinweis, dass die 8-Bit-Schublade bei Crystal Castles zu klein war. Noch deutlicher wird das, wenn man HEALTHs Original kennt, das ein Art-Noise-Rock-Stampfer ist, an den nur noch die letzten 30 Sekunden von Crystal Castles Version erinnern.

Ebenfalls empfehlenswert
(im Gegensatz zu den Top 10 sind auch Mehrfachplatzierungen von Bands aufgeführt):

11. Glasvegas: Football & Flower Tops
12. Glasvegas: It’s My Own Cheating Heart That Makes Me Cry
13. Love Is All: Wishing Well
14. Chairlift: Bruises
15. Johnny Flynn & The Sussex Wit: Tickle Me Pink
16. Love Is All: A More Uncertain Future
17. Florence & The Machine: Kiss With A Fist
18. Felice Brothers: Frankie’s Gun
19. Lars Bang Larsen feat. Felix Müller: Aus dem Leben eines Umzugskartons
20. Laura Marling: Crawled Out Of The Sea

21. Yeti: Jermyn Girls
22. Laura Marling: Alas, I Can’t Swim
23. Johnny Flynn & The Sussex Wit: Hongkong Cemetary
24. Sons & Daughters: Guilt Complex
25. George Pringle: LCD I Love You But You Are Bringing Me Down (Sick I’m Drunk)
26. No Age: Teen Creeps
27. Little Joy: Don’t Watch Me Dancing
28. Neon Neon: I Lust You

29. Little Boots: Meddle
30. Scott Matthew: In The End

31. Black Kids: I’m Not Gonna Teach Your Boyfriend How To Dance With You
32. Santogold: L.E.S. Artistes
33. Magnetic Fields: California Girls
34. MGMT: Time To Pretend
35. HEARTSREVOLUTION: Wolves & Libertines
36. 1000 Robota: Heute
37. Love Is All: Movie Romance
38. Little Joy: How To Hang A Warhol
39. Let’ Wrestle: I Wouldn’t Lie To You
40. Glasvegas: Go Square Go

41. Get Well Soon: People Magazine Front Cover
42. Vampire Weekend: A Punk
43. Josh T Pearson: THE CLASH
44. Music Go Music: I Walk Alone
45. Ja, Panik: Wien, du bist ein Taschenmesser
46. Black Kids: I’ve Underestimated My Charme (Again)
47. Long Blondes: Century
48. Get Well Soon: Born Slippy
49. Pascow: Zuviel für Berlin
50. Sport: Der Schmerz

Und 2007?

1. The Cribs feat. Lee Ranaldo: “Be Safe”
2. Emmy The Great: “Easter Parade”
3. M.I.A.: “Paper Planes”
4. Babyshambles: “There She Goes (A Little Heartache)”
5. Die Türen: “Indie Stadt”
6. The Indelicates: „Julia, we don’t live in the 60ies“
7. Tocotronic: “Kapitulation”
8. Joe Lean & The Jing Jang Jong: “Lucio Starts Fires”
9. Black Lips: “Bad Kids”
10. Glasvegas: “It’s My Own Cheating Heart That Makes Me Cry” (demo)

Mit Text? hier

Und 2006?

1. The Strokes: “Heart In A Cage”
2. Love Is All: “Spinning & Scratching”
3. Dirty Pretty Things: “Bang Bang You’re Dead”
4. Guillemots: “Trains To Brazil”
5. Clap Your Hands Say Yeah: “Upon This Tidal Wave Of Young Blood”

Mit Text? hier

Weiterlesen:

* Alben des Jahres 2008
* Filme des Jahres 2008

Anzeige

Wenn dir der Artikel gefallen hat, dann teile ihn über Facebook oder Twitter. Falls du was zu sagen hast, freuen wir uns über Kommentare

https://blogs.taz.de/popblog/2008/12/30/die_zehn_besten_songs_2008/

aktuell auf taz.de

kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert