vonChristian Ihle 14.11.2011

Monarchie & Alltag

Neue Bands und wichtige Filme: „As long as the music’s loud enough, we won’t hear the world falling apart“.

Mehr über diesen Blog

“Anders, als das Gerücht es will, hat Jeffrey Eugenides einen schlechten Roman geschrieben. (…) Man muss daran erinnern, dass Literatur mit Form und Sprache zu tun hat und dass, wo beides fehlt, von Literatur keine Rede sein kann. (…) Die Reise geht quer durch Europa, und Eugenides verschont uns nicht mit Mitchells Eindrücken, die wie aus einem Polyglott-Führer abgeschrieben wirken. Natürlich kann man solche geradezu leichenblasse Passagen (es sind nicht wenige) überblättern, aber was man nicht übergehen kann, ist die vollkommene Unfähigkeit des Autors, seine Menschen aus dem Innern zu begreifen und eine Sprache dafür zu finden. Gerade für Madeleine, die eigentliche Hauptfigur, fallen ihm bloß Schablonen ein, und er redet von ihr wie ein Therapeut: »Rückblickend musste Madeleine sich eingestehen, dass ihr Liebesleben auf dem Campus hinter den Erwartungen zurückgeblieben war.« Eine Seite später: »Obwohl Madeleine sexuell nicht unerfahren ans College gekommen war, glich ihre Lernkurve das erste Jahr hindurch einer flachen Linie.« Eugenides richtet seinen flau-ironischen Blick wie mit einem Fernrohr auf Menschen, mit denen er eigentlich nichts zu tun hat. Bei der ersten und letzten Szene, die dem armen Mitchell Gelegenheit gäbe, der von ferne Geliebten nahezukommen, bemerkt er von ihr wenig mehr als die Form ihrer Beine: »Ihre Oberschenkel waren etwas voller, als er erwartet hatte.« Daraus kann ja dann nichts werden. (…)
Nein, das ist wirklich kein guter Roman.”

(Ulrich Greiner über Jeffrey Eugenides neuen Roman “Die Liebeshandlung” in der ZEIT)


Inhaltsverzeichnis:
* Teil 1: Alle Schmähkritiken über Bands, Künstler und Literatur
* Teil 2: Alle Schmähkritiken über Sport, Politik, Film & Fernsehen

Anzeige

Wenn dir der Artikel gefallen hat, dann teile ihn über Facebook oder Twitter. Falls du was zu sagen hast, freuen wir uns über Kommentare

https://blogs.taz.de/popblog/2011/11/14/schmahkritik-456-jeffrey-eugenides/

aktuell auf taz.de

kommentare

  • Leidr ganz und gar gerechtfertigt. Bin ich froh, dass ich nicht alleine bin. Die Kritik spricht mir aus dem Herzen. Konnte das angesichts der Lobpreisungen aber nur hilflos mitteilen….Böse: ,amerikanisches (?) Bildungsbürgergeschwätz,… 600 Seiten Langeweile mit (unerfüllter) Hoffnung auf tolles Ende….Einblick in Menschen dagegen gibt: Mittelreich von Bierbichler

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert