vonChristian Ihle 26.12.2015

Monarchie & Alltag

Neue Bands und wichtige Filme: „As long as the music’s loud enough, we won’t hear the world falling apart“.

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1. Ezra Furman – Perpetual Motion People


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Lange war die Entscheidung für das Album des Jahres nicht mehr so eindeutig wie dank Ezra Furmans “Perpetual Motion People” in 2015. Ein melodieseliges Meisterwerk, das die queere Punkness von Lou Reed zu seiner Mitt-70er-Zeit mit der Drama Queen Attitude von Conor Oberst verheiratet und dabei Bowies “Rock’n’Roll Suicide” feiert. Dazu schrieb Furman Texte, die mühelos von trotzig-mutigen Selbstbehauptungshymnen (“Your body is yours / At the end of the day / And don’t let the hateful / Try and take it away / We want to be free / Yeah, we go our own way / And my body was made”) zu surrealistisch-komischen Stellen wechselten (“So I’ve been working on this letter to congress / Regarding some things that I think they should address / Showed up in court wearing an Indian headdress / Somehow I think maybe the message was lost”). Seit Jahren ist Furman schon auf den Bühnen dieser Welt unterwegs, aber 2015 war sein Triumph: “I want the universe. God knows I’ve been patient”!


2. Blur – The Magic Whip


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Es ist ein Klischee, bei Comebackbands zu schreiben, das Album sei besser als es jedes Recht dazu hätte, aber bei Blurs überraschender, lang erwarteter, aber noch öfter verschobener Rückkehr “The Magic Whip” stimmt es nun mal wirklich.
“The Magic Whip” ist auf der einen Seite eine Art Querschnitt durch alles, was Blur (und Damon Albarn) in den letzten 20 Jahren getrieben haben, aber andererseits eben trotzdem nie an die Vergangenheit anbiedernd, sondern völlig schlüssig jetzt – und vor allem: mehr als ein Damon-Albarn-Album. Die Rückkehr von Graham Coxon macht “The Magic Whip” zu einem richtigen Blur-Album, ja sogar bluriger als ihr letztes Langspiel-Lebenszeichen “Think Tank” in 2003. Von wunderbarsten Lala-Hits wie “ong ong” über Albarns durch den Pavementfilter gejagte Krautrockvorlieben (“Go Out”) zu sehnsuchtsgetränkten Songs über Entfremdung, die mit Klassikern wie “Out Of Time” auf Augehöhe sind (“New World Towers”).


3. Die Nerven – Out


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Es gibt wohl keine deutsche Band, die so konstant ein gutes Album nach dem nächsten veröffentlicht (siehe auch unsere Jahrescharts: Platz 2 in 2014 und Platz 2 in 2012) und sich dabei dennoch jedes Mal behutsam weiterentwickelt. Die Rotzigkeit des 2012er Debüts ist einer größeren Versiertheit gewichen, Sonic Youth und die frühen Blumfeld sind die großen Namen, mit denen der Stuttgarter Punkdreier nun ohne Frage verglichen werden darf. Dank des stärker in den Mittelpunkt gerückten Bassspiels von Julian Knoth ist aber auch der Blick auf Joy Division (“Jugend Ohne Geld”) und andere Post-Punk-Bands (“Barfuß durch die Scherben”) frei. Die deutsche Band der 2010er Jahre!


4. Isolation Berlin – Körper EP


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Eine der wenigen Bands, denen man zutraut, auf das Niveau der Nerven zu kommen: Isolation Berlin! Noch sind wir in Prä-Debüt-Tagen, aber alle (!) 11 bisher veröffentlichten Isolation Berlin – Songs sind Hits! Neben der ebenfalls wahnsinnig guten Power-Pop-Single “Annabelle” (das live gern mit dem hingerotzten “Und der nächste Song ist über die drittschönste Frau der Welt!” angekündigt wird) haben sie im vergangenen Jahr mit ihrer Körper EP einen weiteren Claim zur Greatness vorgelegt: ein wildes, unverschämtes, unangenehmes, rauhes Post-Punk-Ding, das sich nicht drum schert, wer was denkt, sondern einfach: macht. Gossenpoesie, wie sie besser nicht sein kann: “Wie eine kraftlose alte Raupe quält sich die U-Bahn durch die Stadt, nach Pankow und zurück. Ich hab die ganze Scheiße satt. Manchmal würd ich gern dem ganzen Dreck entfliehen, doch ich versinke in der Isolation Berlin”.


5. The Libertines – Anthems For Doomed Youth


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Das zweite große Comeback-Album des Jahres – und vielleicht sogar noch überraschender wie gut es tatsächlich geworden ist. With the battering it’s taken / I’m surprised that it’s still ticking: Wer auch nur aus den Augenwinkeln die Geschichte von Doherty & Barat verfolgt hat, konnte nicht glauben, dass die beiden in 2015 mit einem Album zurückkommen, das (bis auf das vorher nie richtig aufgenommene “You’re My Waterloo” von 1999) komplett aus neu geschriebenem Material bestehen würde.
Ein tröstender Trotz spricht aus den Lyrics. Wo es früher noch „the boy kicked out at the world / the world kicked back a lot fucking harder now“ hieß, schreiben sie jetzt „I believe, somehow / The world’s fucked but it won’t get me down”. Ja, wir hatten alles, haben noch mehr weggeworfen, haben nicht nur einmal auf die Fresse bekommen – aber wir stehen wieder auf, wir sind wieder da. Und so wird der Albumtitel auch treffend: es sind Geschichten über eine Jugend am Abgrund, aber es sind Hymnen darauf.


6. Pisse – Mit Schinken durch die Menopause


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Das beste Punkalbum des Jahres. Unverschämt, unbekümmert und in die Fresse: “’89 war’s vorbei, ach was ward ihr alle frei / alle auf zum Flüchtlingsheim, jeder haut nen Molli rein / SCHEISSBRDDR SCHEISSBRDDR”. Die Attitude stimmt & der Bock, dem anderen die Meinung ins Gesicht zu schreien, auch.

Du bist nicht Iggy Pop
Wenn du kein T-Shirt trägst
Du bist nicht Michael Jackson
Wenn Du rückwärts auf die Toilette gehst
Du bist nicht Lemmy
Wenn Du Dir ein T-Shirt kaufst
Im H&M in Bautzen
Mit Frakturschrift drauf.



7. Zugezogen Maskulin – Alles brennt


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Hippie-Hass (“Ich habe nicht laufen gelernt / um mit euch im Kreis zu chillen”) steht neben Hipster- und Hedonismus-Kritik, Horrorcore folgt auf Marx-Zitate und doch ist das Herz am rechten Fleck trotz Nihilismus allerorten. Wie Grim104 völlig richtig textet: “Beamer, Benz und Bentley – Lenin, Marx und Engels / Meine Nebenwidersprüche bringen mich grad in Bedrängnis”. Wenn man so will: Zugezogen Maskulin haben vielleicht nicht die Medizin mitgebracht, aber sie wissen wo die Wunde ist und legen die ganze Hand hinein.


8. HEALTH – Death Magic


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Mit ihrem ersten Album seit sechs Jahren sind die kalifornische Noise-Rock-Monster HEALTH mit einem Paukenschlag zurückgekehrt: einerseits sind Songs wie “Stonefist” solche mächtigen Lärmattacken, dass Godzilla dazu tanzen würde, andererseits waren HEALTH noch nie so melodiös, so sehr Pop wie auf Death Magic. “Life” oder “LA Looks” hätten auch auf dem Drive-Soundtrack nicht fehl am Platz gewirkt.


9. Protomartyr – The Agent Intellect


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In einem Jahr ohne Parquet Courts – Album war man dankbar für die Rückkehr der Parquet-Buddys von Protomartyr, die durchaus verwandt im Sound sind, aber einen deutlich muskulöseren, düstereren Ansatz pflegen. Eines der besten US-Indie-Rock-Alben des Jahres.


10. Courtney Barnett – Sometimes I Sit And Think, And Sometimes I Just Sit


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In Courtney Barnett vereinen sich Singer/Songwriter-Qualitäten in ihren skurril-pointierten Lyrics (“Underworked and oversexed”) mit Gitarren straight aus dem US-Indie der 90er. Ihr bester Song “Avant Gardener” über eine Panikattacke bei der Gartenarbeit hat nicht einmal den Sprung auf ihr Debütalbum geschafft, aber neu geschriebene Lieder wie “Elevator Operator” oder “Pedestrian At Best” entschädigen dafür ebenso wie der beste Albumtitel des Jahres.
Bei diesen Qualitäten ist es einfach schwer, ihrem Wunsch nachzukommen, und sie nicht auf ein Podest zu hieven: “Put me on a pedestal and I’ll only disappoint you”. Sorry, muss sein!


11. Christopher Owens – Chrissybaby Forever
12. Tocotronic – Rotes Album
13. Wave Pictures – The Great Big Flamingo Burning Moon
14. Sleep – Sleep
15. Sleater-Kinney – No Cities To Love


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16. Bill Ryder-Jones – West Kirby Country Primary
17. Locas In Love – Use Your Illusions 3&4
18. Fehlfarben – Über… Menschen
19. Bernd Begemann – Eine kurze Liste mit Forderungen
20. Locas In Love – Kalender


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21. Daniel Decker – Weißer Wal
22. Bilderbuch – Schick Schock
23. Desaparecidos – Payola
24. Car Seat Headrest – Teens Of Style
25. Joanna Gruesome – Peanut Butter
26. Waxahatchee – Ivy Tripp
27. Albert Hammond Jr. – Momentary Masters
28. Nathaniel Rateliff & The Night Sweats – Nathaniel Rateliff & The Night Sweats
29. Mile Me Deaf – Eerie Bits of Future Trips
30. Hot Chip – Why Make Sense?


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Vorjahresgewinner:

* 2014: Ja, Panik – Libertatia
* 2013: Waxahatchee – Cerulean Salt
* 2012: This Many Boyfriends – This Many Boyfriends
* 2011: Ja, Panik – DMD KIU LIDT
* 2010: The Smith Westerns – The Smith Westerns
* 2009: Ja, Panik – The Angst & The Money
* 2008: Laura Marling – Alas I Can’t Swim
* 2007: The Good, The Bad & The Queen – The Good, The Bad & The Queen
* 2006: Love Is All – 9 Times The Same Song



und 2014?





1. Ja, Panik – Libertatia
2. Die Nerven – Fun
3. Trümmer – Trümmer
4. Parquet Courts – Sunbathing Animal
5. Amazing Snakeheads – Amphetamine Ballads
6. Parkay Quarts – Content Nausea
7. Die Heiterkeit – Monterey
8. La Roux – Trouble In Paradise
9. Jens Friebe – Nackte Angst zieh dich an, wir gehen aus
10. Fat White Family – Champagne Holocaust

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und 2013?





1. Waxahatchee – Cerulean Salt
2. Gabriel Bruce – Love In Arms
3. Chuckamuck – Jiles
4. Parquet Courts – Light Up Gold
5. Foxygen – We Are The 21st Century Ambassadors Of Peace & Magic
6. Messer – Die Unsichtbaren
7. The Julie Ruin – Run Fast
8. Nick Cave & The Bad Seeds – Push The Sky Away
9. FIDLAR – FIDLAR
10. Babyshambles – Sequel To The Prequel

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und 2012?





1. This Many Boyfriends – This Many Boyfriends
2. Die Nerven – Fluidum
3. Pond – Birds, Wives, Denim
4. Howler – America Give Up
5. Toy – Toy
6. Mystery Jets – Radlands
7. Chromatics – Kill For Love
8. Crocodiles – Endless Flowers
9. Die Heiterkeit – Herz Aus Gold
10. Django Django – Django Django

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und 2011?






1. Ja, Panik – DMD KIU LIDT
2. WU LYF – Go Tell Fire To The Mountain
3. Chuckamuck – Wild For Adventure
4. Girls – Father, Son, Holy Ghost
5. The Smith Westerns – Dye It Blonde
6. Finn. – I Wish I Was Someone Else
7. Locas In Love – Lemming
8. Black Lips – Arabia Mountain
9. The Rapture – In The Grace Of Your Love
10. Josh T Pearson – Last Of The Country Gentlemen

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und 2010?






1. The Smith Westerns: The Smith Westerns
2. Girls: Broken Dreams Club EP
3. Manic Street Preachers: Postcards From A Young Man
4. 1000 Robota: UFO
5. Sleigh Bells: Treats
6. LCD Soundsystem: This Is Happening
7. Wave Pictures: Susan Rode The Cyclone
8. Laura Marling: I Speak Because I Can
9. Television Personalities: A Memory Is Better Than Nothing
10. Christiane Rösinger: Songs Of L. & Hate


und 2009?






1. Ja, Panik – The Angst & The Money
2. The Horrors – Primary Colours
3. Girls – Album
4. Pet Shop Boys – Yes
5. Emmy The Great – First Love
6. The Wave Pictures – If You Leave It Alone
7. Manic Street Preachers – Journal For Plague Lovers
8. Let’s Wrestle – In The Court Of The Wrestling Let’s
9. La Roux – La Roux
10. Peter Doherty – Grace/Wastelands
und 2008?






1. Laura Marling – Alas I Can’t Swim
2. Glasvegas – Glasvegas
3. No Age – Nouns
4. Crystal Castles – Crystal Castles
5. Vampire Weekend – Vampire Weekend
6. Love Is All – A Hundred Things To Keep Me Up At Night
7. 1000 Robota – Er Nicht Du Nicht Sie Nicht
8. Johnny Flynn & The Sussex Wit – A Larum
9. Hot Chip – Made In The Dark
10. Santogold – Santogold

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und 2007?






1. The Good, The Bad & The Queen – The Good, The Bad & The Queen
2. Die Türen – P-O-P-O
3. LCD Soundsystem – Sound Of Silver
4. Babyshambles – Shotters Nation
5. Tocotronic – Kapitulation
6. The White Stripes – Icky Thump
7. Jamie T – Panic Prevention
8. The Cribs – Men’s Needs, Women’s Needs, Whatever
9. Friska Viljor – Bravo!
10. The Rakes – Ten New Messages

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