vonChristian Ihle 06.10.2021

Monarchie & Alltag

Neue Bands und wichtige Filme: „As long as the music’s loud enough, we won’t hear the world falling apart“.

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21. Laisse-moi von Chantal Goya

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Jean-Luc Godards „Masculin, Feminin – Die Kinder von Marx & Coca-Cola“ ist randvoll mit eigens für Chantal Goya geschriebenen Songs, die in diesem Film Francoise Hardy und France Gall out-yé-yé-ed. Von den sechs Songs auf dem Sountrack sind „Tu M’as Trop Menti“ und „Laisse-Moi“ die beiden herausragenden Hits und klingen wie eine Storyboard-Zeichnung für Francoise Cactus‘ Stereo Total.
Verrückt, dass nicht jedes Kind diese Lieder singt!

22. River Deep-Mountain High von Ike & Tina Turner

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Eine der ganz großen Phil-Spector-Produktionen, vom verrückten Meister selbst als sein bestes Werk betrachtet – das als Beginn seines Endes gesehen werden kann. Enttäuscht von den Reaktionen in Amerika – nur Platz 88 und das dazugehörige Album wurde nicht einmal veröffentlicht – führte „River Deep…“ dazu, dass sich Spector erst einmal zwei Jahre vom Musikbusiness zurückzog, zum Quasi-Eremiten wurde und endgültig seinen Manien verfiel (nicht dass er danach nicht noch bemerkenswerte Alben produzierte! Ich bin ja trotz vieler Kritiker auch ein Freund von seinem Cohen- und Ramones-Werk).
Jedenfalls, über „River Deep, Mountain High“ kann nicht geschrieben werden, ohne Tina Turners Stimme zu erwähnen: wie sie sich gegen Ende des Songs alleine gegen diesen mächtigen, mächtigen Wall Of Sound stemmt, zwischen 2.45 und 3.00 fast begraben wird, „Baby“, „Baby“ schreit, nur um in den folgenden, letzten dreißig Sekunden des Songs noch einmal den Refrain aufzunehmen und Spectors Produktion unter *ihrer Stimme* zu begraben – das gehört sicherlich zu den machtvollsten Vocals der Musikgeschichte.

Eines der besten Punk-Cover aller Zeiten beruht übrigens auch auf „River Deep“: die Version der Saints von 1977 zeigt, dass auch das Songwritig selbst von Ike Turner eben erstklassig ist, weil die reduzierte Saints-Variante auch ohne all den ganzen Spector-Bombast knallt als gäb es keinen Morgen mehr.

23. Sunny von Bobby Hebb

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Eine Drumroll, eine Sekunde im Song, dann Bobby Hebb und eine walking bass line: „Sunny, yesterday my life was filled with rain“. Einmal gehört, nie mehr vergessen. Dass Bobby Hebb sein „Sunny“ geschrieben hat, nachdem sein Bruder vor einem Nachtklub in Nashville niedergestochen wurde, erklärt wohl die melancholische Tiefe, die in seinem Song liegt.

24. Trouble Every Day von The Mothers Of Invention

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Auf „Trouble Every Day“ bin ich gestoßen, als Moritz R von Der Plan in den Popblog’schen My Favourite Records auf die Frage nach dem „besten Song über Revolte, Aufruhr und Revolution“ antwortete: „Wenn, dann lass ich mir meine Protestsongs vom King aller Musikrebellen schreiben, Frank Zappa.“

Als letztes Jahr Amerika brannte, war Zappas „Trouble Every Day“ als Soundtrack immer in meinem Kopf: „Wednesday I watched the riot, I seen the cops out on the street / Watched ‚em throwin‘ rocks and stuff and chokin‘ in the heat / Listened to reports about the whisky passin‘ ‚round / Seen the smoke and fire and the market burnin‘ down“. Zappa schrieb die Zeilen aufgrund der Watts Riots 1965, den ärgsten Straßenkämpfen zwischen Polizei und schwarzer Bevölkerung vor Rodney King und George Floyd.

Zappa bei 2:52: „Hey, you know something people? / I’m not black but there’s a whole lots a times I wish I could say I’m not white„.

25. Wars Or Hands Of Time von The Master’s Apprentices

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Dass Pete Doherty für „Last Post On The Bugle“ (vom zweiten Libertines-Album) keine Credits an The Master’s Apprentices für ihren Garage-Rock-Song „Wars Or Hands Of Time“ abgeben musste, wundert mich immer noch. Von Melodie bis Intonation könnte Petes Version ohne sein Vorbild nicht existieren, das der erste australische Song gegen den Vietnam-Krieg war.

26. Substitute von The Who

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Neben „Can’t Seem To Make You Mine“ ein zweiter Song aus dieser Liste, den ich meiner pubertären Begegnung mit dem Cover-Album der Ramones „Acid Eaters“ verdanke. Bis heute einer meiner liebsten The Who – Songs, der genau den perfekten Spot zwischen Mod-Gitarre und Beatles-Harmonie trifft und in einer schönen Umkehrung einer Redewendung die Working-Class-Herkunft feiert: „I was born with a plastic spoon in my mouth“

27. The Sun Ain’t Gonna Shine (Anymore) von The Walker Brothers

https://www.youtube.com/watch?v=JhmQn7nrKdg

Ein Jahr zuvor veröffentlichte Frankie Valli eine erste Aufnahme von „The Sun Ain’t Gonna Shine Anymore“, aber erst das 1966er Recording der Walker Brothers, das ein Nummer-1-Hit in England war, verankerte den Song im popkulturellen Gedächtnis. Bevor Scott Walker Einzelgänger und Avangardist wurde, sang er hier auf einem Lied, dessen Instrumentierung zwischen Baroque Pop und Soundtrack-Score liegt. Passend also, dass Ari Asters Jahrzentfilm „Midsommar“ von 2019 – der sonnendurchfluteste Horrorfilm aller Zeiten – an seinem bitteren Ende mit „The Sun Ain’t Gonna Shine Anymore“ (in der Frankie Valli Version) endet.

28. Reach Out I’ll Be There von Four Tops

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Diese Motown-Single der Four Tops war in England und USA Nummer 1 und wurde (natürlich) auch wieder vom Songwriting-Team Holland–Dozier–Holland geschrieben. Bemerkenswert sind die Vocals von Levi Stubbs, der hier aus dem perfekt gesungenen samtweichenem Soul ausbricht und beinah in ein Schreien übergeht, was laut Stubbs ein bewusster „shout out to Dylan“ war.

29. Past, Present And Future von The Shangri-Las

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Obwohl Girl-Group-Songs normalerweise einem recht strikten Format folgen, sind ausgerechnet die Shangri-Las als eine der größten Girl-Groups aller Zeiten für einige der ungewöhnlichsten Singles der 60er verantwortlich. So besteht „Past, Present & Future“ eigentlich nur aus Spoken Word Lyrics, die mit dem gespenstischen „At the moment it doesn’t look good / At the moment it will never happen again / I don’t think it will ever happen again“ enden und musikalisch aus Beethovens „Mondscheinsonate“.
Ein Trick, den sich ein halbes Jahrhundert später übrigens Glasvegas auf ihrem Debütalbum in „Stabbed“ geliehen haben. Angesichts der Girl-Group-Harmonien in Songs wie „Daddy’s Gone“ bin ich mir sicher, dass die Schotten hier exakt diese Shangri-Las-Vorlage im Kopf hatten.

30. Train Song von Vashti Bunyan

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1966 veröffentlichte die Britin Vashti Bunyan ihr Hush-Hush-Folk-Lied „Train Song“, vier Jahre später zu allgemeiner Ignoranz ihr Debütalbum und beendete dann im Grunde mangels Resonanz ihre Karriere. Erst zu Beginn der 2000er wurde Bunyan wiederentdeckt und „Train Song“ erntete die verdiente Anerkennung. Simpler, hervorragender Psych-Folk.

31. Hey Joe von Jimi Hendrix

https://www.youtube.com/watch?v=rX-4eluL-HM

Hendrix, Marley, Morrisson – die drei Ikonen der Studentenzimmerwände, so durchgenudelt dass sogar das Frank Zappa auf dem Scheißhaus Bild daneben einen frischen Wind brachte! That said, mit den Jahren beginne ich zumindest die Faszination für Hendrix mehr zu verstehen, ist sein psychdelisches Gitarrenspiel doch gerade in den letzten zehn Jahren ein unbesungener Einfluss für die Tame Impala Generation gewesen (als Tame Impala noch gut waren).

32. You’re Gonna Miss Me von 13th Floor Elevators

https://www.youtube.com/watch?v=_c6gDKsPQDM

Nachdem die erste Minute des ersten (und einzigen Hits) der 13th Floor Elevators noch wie ein typischer Garage-Rock-Song klingt und kurz vor der Minutenschwelle den Refrain einbaut, bricht bei 1:01 auf einmal die Instrumentierung zusammen, Roky Erickson klingt noch beängstigender als sonst („I gave you a warning“), die Sonne geht leicht auf („you are gonna wake up wondering“), Erickson antwortet „I’m not coming home“, Mundharmonika-Freakout, Song zu Ende. Wow.

33. All Or Nothing von Small Faces

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Bevor Rod Stewart und der spätere Rolling Stone Ron Wood bei den Faces einstiegen, hatten sie noch das „Small“ im Namen und waren eine der zentralen Mod-Bands. Meine liebsten Small Faces Songs sind gleich vom Beginn ihrer Karriere, als sie noch richtig britisch klangen, aber dennoch den amerkanischen R&B schon stärker in ihr Werk integrierten als beispielsweise die Kinks oder The Who. Die großen beiden Songs sind „All Or Nothing“ und „My Mind’s Eye“, beide 1966 veröffentlicht.

34. Going All The Way von The Squires

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„Going All The Way“ ist die einzige Single, die die amerkanische Garage-Rock-Band The Squires aus Conneticut je veröffentlichte und damit sind die Squires ein gutes Beispiel für diese verrückte Zeit in der amerkanischen Rockmusik, als etliche Bands wenige Songs veröffentlichten, die zumeist von der Öffentlichkeit ignoriert wurden. Erst ein Jahrzehnt später erfuhren diese Songs im Zuge der Punk-Explosion ihre berechtige Anerkennung, als sie in den 70ern auf Trüffelschwein-Compilations wie den „Nuggets“-Episoden oder – wie hier – dem „Pebbles“-Sampler wiederentdeckt wurden.

35. Season Of The Witch von Donovan

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In seiner Struktur ein ungewöhnlicher Song, was wohl der Grund war, dass „Season Of The Witch“ bei aller heutigen Bekanntheit damals tatsächlich nicht als Single veröffentlicht wurde. Wie im 1968er Hit „Hurdy Gurdy Man“ vereint Donovan Singer/Songwriter-Folk mit psychedlischer Instrumentierung.

36. No Milk Today von Herman’s Hermits

https://www.youtube.com/watch?v=RmY4V1ywLVo

37. With A Girl Like You von The Troggs

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38. Russian Spy And I von The Hunters

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39. Lies von The Knickerbockers

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40. Scarborough Fair / Canticle von Simon & Garfunkel

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41. Summer In The City von The Lovin‘ Spoonful

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42. Hold On, I’m Comin‘ von Sam & Dave

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43. Psychotic Reaction von Count Five

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44. Eight Miles High von The Byrds

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45. It’s A Man’s Man’s Man’s World von James Brown

https://www.youtube.com/watch?v=7rq9OvaJyRc

46. Over, Under, Sideways, Down von The Yardbirds

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47. Jenny Jenny von The Sonics

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48. Les Cactus von Jacques Dutronc

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49. Love Me, Please Love Me von Michel Polnareff

https://www.youtube.com/watch?v=wptCl_Ey4sE

50. Li’l Red Riding Hood von Sam The Sham & The Pharaohs

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51. Rari von The Standells

52. Walk Away Renee von The Left Banke

53. Monday, Monday von The Mamas & The Papas

54. Time Won’t Let Me von The Outsiders

55. Hey Joe! von The Leaves

56. (I’m Not Your) Steppin‘ Stone von The Monkees

57. Don’t Look Back von The Remains

58. Se Telefonando von Mina

59. You Don’t Have To Say You Love Me von Dusty Springfield

60. Four Women von Nina Simone

61. Hog (I’m A Hog For You Baby) von The Groupies

62. Land Of 1000 Dances von Wilson Pickett

63. Nothin‘ von The Ugly Ducklings

64. You Can’t Hurry Love von The Supremes

65. Don’t Bring Me Down von The Animals

66. Flowers On The Wall von The Statler Brothers

67. Stay With Me von Lorraine Ellison

68. Making Time von The Creation

69. Secret Agent Man von Johnny Rivers

70. Ain’t Too Proud To Beg von The Temptations

71. Sit Down, I Think I Love You von The Mojo Men

72. Diddy Wah Diddy von Captain Beefheart The Magic Band

73. Don’t Come Home A Drinkin‘ (With Lovin‘ On Your Mind) von Loretta Lynn

74. Nessuno Mi Può Giudicare von Caterina Caselli

Retrospektive 1966:
1966: Die besten Singles des Jahres #1 – #10
1966: Die besten Singles des Jahres #11 – #20
1966: Die besten Singles des Jahres #21 – #73
1966: Die besten Alben des Jahres #1 – #5
1966: Die besten Alben des Jahres #6 – #15
1966: Die besten Filme des Jahres #1 – #10
1966: Die besten Filme des Jahres #11 – #19>/a>

Retrospektive 1965:
Retrospektive 1965: Songs, Alben, Filme

Im Rahmen einer groß angelegten Retrospektive, die auf eine Idee meines Freundes Lassie zurückgeht und in einem der letzten Podcasts mit Horst Motor zur Umsetzung gebracht wurde, blicken wir gemeinsam auf ein Jahr zurück und nominieren die besten Songs, Alben und Filme. Wer die Rankings der beiden ebenfalls lesen will und zudem die schöner aufbereiteten Listings finden will, kann sich hier auf motorhorst.de direkt vergnügen.

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https://blogs.taz.de/popblog/2021/10/06/1966-die-besten-songs-des-jahres-73-21/

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