6. Dont Look Back
Im Grunde erzählt „Don’t Look Back“ ’nur‘ die Geschichte einer Konzerttour Bob Dylans durch England in 1966. P.A. Pennebacker gelingt es aber trotzdem, einen viel größeren Scope abzudecken, obwohl alles einfach „passiert“, wenig inszeniert ist oder darauf hingearbeitet erscheint.
„Don’t Look Back“ ist auch ein wunderbarer Einblick für all jene, denen nicht so ganz klar ist, warum dieser alte, enigmatische Katzen-Krächzer mit dem wirren Feudel auf dem Kopf mal die Verkörperung von „Coolness“ war.
Dylan ist irre „da“ und gleichzeitig in größter Lässigkeit immer woanders als alle ihn haben möchten.
Die Konzertaufnahmen von Dylan allein auf der Bühne, angestrahlt von einem einzigen Scheinwerfer sind ein Meisterstück. Total reduziert, null fancy, aber machen auch gerade deshalb deutlich, was für eine Präsenz Dylan hatte und dass er überhaupt keine Sperenzchen nötig hatte.
P.S.: Von den Liveaufnahmen sind übrigens „Love Minus Zero“ (ab 27:20) und „It’s Alright Ma, I’m Only Bleeding“ (ab 23.30) die Höhepunkte:
www.youtube.com/watch?v=5VvHyCy5kDs
7. Die Reifeprüfung
Neben „Bonnie & Clyde“ ist „Die Reifeprüfung“ („The Graduate“) der filmhistorisch wichtigste Film des Jahres, sozusagen das verspieltere Antlitz von New Hollywood zu Arthur Penns radikaler Gangsterpärchenballade. Doch auch ohne Maschinengewehrmorde liegt in „The Graduate“ ordentliche Sprengkraft, hat er doch einiges zu freier Liebe und freien Frauen zu erzählen. Mike Nichols Nachfolgefilm zu „Wer hat Angst vor Virgina Woolf?“ war zudem ein phänomenaler Erfolg, spielte weltweit 100 Millionen Dollar ein, war der erfolgreichste Film des Jahres und brachte Nichols im Folgejahr den Oscar für die beste Regie.
Nur der „Evangelische Filmbeobachter“ gab die übliche Spaßbremse:
„Verwaschener Hollywood-Film, bei dem nicht einmal klar wird, ob die bisweilen auftretende Komik gewollt oder ungewollt ist. Unnötig.“
8. Incident … und sie kannten kein Erbarmen
„Incident“ ist ein im besten Sinn unangenehmer Film.
Larry Peerces 1967er Drama nimmt sich zunächst viel Zeit, seine Charaktere einzuführen. Nach gut der Hälfte der Spielzeit sitzen nun all unsere Figuren zusammen in einem U-Bahn-Wagen und zwei junge, betrunkene Halbstarke (Tony Musante & Martin Sheen) terrorisieren alle Anwesenden. Fehlende Zivilcourage trifft auf rassistisches, homophobes Verhalten von jungen Schlägern und führt unweigerlich zur bitteren Eskalation.
Stark und verstörend.
9. 2 oder 3 Dinge, die ich von ihr weiß
Der Plot von „2 oder 3 Dinge, die ich von ihr weiß“ hängt am dünnsten Faden: eine junge Ehefrau aus den Hochhausbauten am Rande von Paris prostituiert sich.
Doch Godard ist weniger am Elend oder am Abstieg interessiert, sondern an der Kommodifizierung von allem und jedem. Aus dem Off flüstert er philosophische Exkurse – vom Existenzialismus über den Marxismus bis zur Psychogeographie des Situationismus – in den Bildern zeigt er schöne Menschen in besten Bildkompositionen und stärksten Farben. Das ist mal hypnotisch, mal egalig, immer schwer zu greifen, aber nie anstrengend (im Gegensatz zum späten Godard).
Im direkten Vergleich bevorzuge ich allerdings Godards im Vorjahr gedrehten „Masculin, Feminin“ (#5, 1966), der ähnliche Themen spielerischer verarbeitete.
10. Land in Trance
Mit nur 28 Jahren drehte Glauber Rocha diese erstaunliche Anklage gegen die brasilianischen Zustände. Ein komplexer Film, der in Rückblenden von den Fehlern und den enttäuschten Hoffnungen der Hauptfigur erzählt und die Korruption jeder Seite der Gesellschaft anklagt.
Das ist manchmal auch verwirrend und etwas anstrengend, belohnt aber mit einer fantastischen zehnminütigen Schluß-Montage, der es gelingt im schwarz-weißen Bild ein psychedelischen Polit-Feuerwerk zu zünden, das ich so höchstens bei Werner Herzogs Ende von „Lebenszeichen“ gesehen habe.
Allein dafür ist „Land In Trance“ (aka „Entranced Earth“) unbedingt sehenswert!
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