Der Journalist Fabian Kienert veröffentlichte im Sommer 2020 einen Artikel (Ermittlungsverfahren nach Indymedia Linksunten Verbot wegen „Bildung krimineller Vereinigung“ eingestellt) auf der Webseite von Radio Dreyeckland (RDL), in dem er das Archiv von linksunten.indymedia verlinkte. Das brachte ihm eine Anklage wegen angeblicher Unterstützung einer verbotenen Vereinigung ein. Die Anklage wurde vom Landgericht Karlsruhe zunächst nicht zugelassen, das Hauptverfahren dann aber vom Oberlandesgericht Stuttgart (= dasjenige Oberlandesgericht in Baden-Württemberg, bei dem die dortige oberlandesgerichtliche Staatsschutz-Zuständigkeit gebündelt ist [§ 120 GVG]), doch eröffnet.
Als nächstes steht nun die Terminierung der mündlichen Hauptverhandlung an (vgl. § 213 StPO und § 78c Absatz 1 Nr. 8 StGB). Für deren Terminierung und Durchführung liegt die Zuständigkeit jetzt wieder beim Landgericht Karlsruhe, bei dem die Staatsschutz-Zuständigkeit auf Landgerichts-Ebene in Baden-Württemberg gebündelt ist (vgl. § 74 GVG und Institution mit Tradition).
Nach der Entscheidung des Oberlandesgerichts hatte es Ende Juni zur Termin-Frage zunächst gehießen: „Die mündliche Verhandlung ist noch nicht terminiert. Derzeit ist eine solche für Januar/Februar 2024 angedacht.“
Gestern teilte die Pressestelle des Landgerichts auf Anfrage mit, daß es mit dem Januar des kommenden Jahres jedenfalls nichts mehr werden wird: „Termine für das von Ihnen genannte Strafverfahren sind bislang nicht bestimmt, nach Angaben des Vorsitzenden der Kammer sind solche jedenfalls noch nicht für Januar 2024 vorgesehen.“
In Vorbereitung für die mündliche Verhandlung, die – sofern nicht noch etwas dazwischen kommt – früher oder später im kommenden Jahr stattfinden wird, veröffentliche ich seit dem 31.10. in der Freitag Community einen FAQ-Katalog von vermutlich 30 Fragen und Antworten. Bisher sind eine Einleitung (Halloween-Kalender: Gruselgeschichten aus dem Deutschen Rechtsstaat) und die ersten fünf Frage-/Antwort-Paare erschienen:
- Frage 1: Was war bzw. ist linksunten?Kurz-Antwort: linksunten war insbesondere von 2009 bis 2017 (internet-Zeitung / open posting-Plattform) und ist seit April 2020 (Archiv) wieder eine Subdomain der Domain indymedia.org.
- Frage 2: Was ist der Unterschied zwischen einer Domain und einer Subdomain? Was ist eine Top Level Domain?Kurz-Antwort: Es gibt (viele) Domains ohne Subdomains, aber keine Subdomains ohne Domain. Top Level Domain (TLD) ist das Ende von internet-Adressen; die Domain das davor. Und wenn die Adresse eine Struktur wie linksunten.indymedia, en.wikipedia.org und bmj.bund.de hat, dann ist das Vorvorletzte die Subdomain.
- Frage 3: Was wurde 2017 (nach damaliger Darstellung des BMI) verboten?Kurz-Antwort: Die Darstellung war ambivalent: In der Verbotsverfügung selbst sprach das BMI von „Verein ‚linksunten.indymedia‘“, in der begleitenden Pressemitteilung dagegen von „Internetplattform ‚linksunten.indymedia‘“, die verboten worden sei.
- Frage 4: Was wurde nach (2020er-)Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) 2017 vom Bundesinnenministerium verboten?Kurz-Antwort: Verboten worden sei nicht das „unter der Internetadresse ‚linksunten.indymedia.org‘ betriebenen Veröffentlichungs- und Diskussionsportal“, sondern der „dahinter stehende Personenzusammenschlusses ‚linksunten.indymedia‘ als Organisation“.
Morgen und am Dienstag folgen Antworten auf die Fragen:
- Was ist der Haken an der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts?und
- Warum wird die Adresse linksunten.indymedia.org nicht wieder wieder für eine open publishing-Plattform mit laufend neuen Artikeln genutzt, obwohl das Bundesverwaltungsgericht 2020 entschieden hat, dass „Regelungsgegenstand des Verbotsbescheids […] nicht das Verbot des unter der Internetadresse ‚linksunten.indymedia.org‘ betriebenen Veröffentlichungs- und Diskussionsportals“1 sei?
Die Frage für Montag bleibt zunächst noch ein Geheimnis. 😉
1 https://www.bverwg.de/290120U6A1.19.0, Textziffer 33.