von 04.05.2014

taz Hausblog

Wie tickt die taz? Das Blog aus der und über die taz mit Einblicken, Kontroversen und aktuellen Entwicklungen.

Mehr über diesen Blog

Von Sebastian Heiser

Bei der taz gibt es mit diesem Hausblog etwas, was es sonst bundesweit in keinem Medium gibt: Transparenz und kritische Berichterstattung über sich selbst. Und damit stoßen wir auf erfreuliche Resonanz: Fünf Jahre nach der Gründung ist das Hausblog auf Platz 26 der deutschen Blog-Charts gestiegen. Wie kam es dazu?

Es brauchte erstens ein Unternehmen, in dem so etwas möglich ist. Bei der taz erklärt sich das einerseits daraus, dass jedes Unternehmen zur Transparenz gegenüber seinen Eigentümern verpflichtet ist – und das sind bei uns eben die 13.600 Mitglieder der Genossenschaft. Wer seine Leserschaft regelmäßig um Geld bittet, der muss ihr auch erläutern, was damit passiert. Gerade in Finanzdingen ist die taz deshalb sehr offenherzig. Andererseits erklärt sich unsere Transparenz auch durch das grün-alternative Spektrum, zu dem die taz zählt – und in dem Kritik und Selbstkritik zum Selbstverständnis dazugehören.

Zweitens brauchte es jemanden, der die Möglichkeit auch ergreift. Als Student hatte ich das Blog spiegelkritik.de betrieben, das sich am Spiegel und Spiegel Online abarbeiten wollte, aber leider nie das Niveau des großen Vorbilds bildblog.de erreicht hat. Noch mehr als über die journalistischen Fehler im Spiegel habe ich mich über den Umgang mit ihnen geärgert. Genauer: Den Nicht-Umgang. Die Journalisten – gerade beim Spiegel – dachten, es sei für ihre Arbeit essenziell, einen Nimbus der Unfehlbarkeit zu verbreiten und keine Fehler zuzugeben. Das ärgerte mich als Leser. Ich fand, Journalisten müssten mal von ihrem hohen Ross runterkommen, ihre Arbeit transparenter machen und sich der Kritik stellen.

Und dann wechselte ich die Seiten. Ab Mai 2008 hatte ich eine Stelle in der taz, zuerst befristet, ab Januar 2009 unbefristet. Im Frühjahr 2009 hatte die taz ein Blog „30 Jahre taz“ eingerichtet und darin von den Vorbereitungen des taz-Kongresses berichet. Ich schrieb mit und übernahm das anschließend brachliegende Blog, um meine Arbeit als Journalist zu erläutern. Zu den ersten Beiträgen gehörten Einblicke in eine Recherche zu McKinsey und gekauften Studentendaten vom Januar 2009 und die Erklärung Warum ich kein Binnen-I benutze vom März 2009. Ich legte einfach damit los, mich neben meiner Arbeit in der Berliner Lokalredaktion um das Blog zu kümmern – ohne Auftrag, ohne Legitimation. Auch das ist so wohl nur in der taz möglich. Im Oktober 2009 wurde das Blog dann in Hausblog umbenannt.

Ganz besonders freue ich mich über die angemehme Kommentarkultur mit konstruktiven, gehaltvollen Beiträgen – ganz anders also an vielen anderen Stellen im Internet. Jeder Kommentar wird gelesen, auf jede Frage gibt es eine Antwort, in vielen Fällen entwickeln sich lebhafte Debatten. Etwa zu der Frage, warum wir eine Woche vor der Bundestagswahl die Vorwürfe des Parteienforschers Franz Walter gegen Jürgen Trittin zu jahrzehntealten Pädosexualitäts-Positionen abgedruckt haben. Die Redaktion hatte sich heftig gegen den Vorwurf zu wehren, den Wahlkampf der Grünen zu sabotieren – blieb aber bei ihrer Auffassung, dass wir unsere Berichterstattung über relevante Vorgänge nicht davon abhängig machen, welcher politischen Seite das schaden könnte.

Die Kritik unserer Leser kann uns auch zu Einblicken verhelfen, die wir im journalistischen Tagesgeschäft nicht unmittelbar gewinnen konnten. Dass es etwa keine gute Idee ist, Philipp Rösler zu Rassismus zu befragen und nach seiner verweigerten Autorisierung der Interviewdruckfassung die Fragen ohne Antworten zu publizieren, erkannten wir erst durch den Proteststurm unserer Leser (963 Kommentare im Hausblog, so viele wie zu keinem anderen Posting).

In der taz sind wir also offen für Debatten, die uns selbst betreffen – aber die Transparenz hat auch ihre Grenzen. Das ist selbstverständlich, wenn es um den Schutz unserer Mitarbeiter geht: Wenn wir uns darum streiten, wer für den vakanten Posten einer Ressortleitung geeignet wäre, dann bleibt das natürlich intern. Das gilt genauso für unsere gegenseitige Kritik an Texten der Kollegen oder unsere Überlegungen zu künftigen Strukturveränderungen. Und wenn wir uns darüber auseinandersetzen, wie viel Offenheit und Selbstkritik im Hausblog möglich sein darf und warum dort neben offiziellen Verlautbarungen auch die Sichtweisen einzelner Mitarbeiter wiedergegeben werden, erfahren unsere Leser auch darüber: nichts.

Eine Auswahl meiner liebsten Beiträge:

Meine Vierte-Gewalt-Bilanz
So lief meine verdeckte Schleichwerbe-Recherche
Warum ich Migranten nicht als „Menschen“ bezeichne
Von wem die taz finanziell abhängig ist
Eine gescheiterte Recherche
Warum ist der taz-Shop voller Schikeria-Produkte?
– Wie ich Artikel für meine Leser vereinfache: Jeder Satz falsch
Unsere verflixte Abhängigkeit von der Drucktechnik
Wie man taz-Redakteur wird: Man muss es sich leisten können
Warum wir Journalisten zurücktreten sollten
Über Online-Journalismus und Ein-Euro-Shops

Die Resonanz: Im März gab es 96.300 Zugriffe auf die Seiten des Hausblogs. Das Medium Magazin kürte mich 2010 zum „Newcomer des Jahres“ und lobte, „wie er seine selbstkritische Grundhaltung öffentlich dokumentiert und so den Lesern die journalistische Arbeit transparent macht”. Allerdings bin ich grandios daran gescheitert, die Mitglieder der taz-Genossenschaft zu erreichen, bei denen ein besonderes Interesse an der taz vorausgesetzt werden kann und die damit zur Haupt-Zielgruppe gehören: 71 Prozent haben hier noch nie vorbeigeschaut, weitere 23 Prozent nur selten – so war es im Hausblog zu lesen.

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https://blogs.taz.de/hausblog/fuenf-jahre-taz-hausblog-so-viel-transparenz-wie-bei-keiner-anderen-zeitung/

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kommentare

  • Sie verhalten sich schön transparent, taz. Herzlichen Glückwunsch!

    Aus Leserinnensicht kann etwas mehr Transparenz im Sinne des Harvard-Prinzips auch nicht schaden, denke ich. Schlagwort Hausblog. Ich finde, das Lesen des Hausblogs ist im Vergleich zum vergangenen Jahr überwiegend richtig langweilig geworden. Die offiziellen Texte und auch Ihre Beiträge haben eine sehr gute Qualität, so ist es nicht. Mir fehlt allerdings: Die Lebendigkeit, die im vergangenen Jahr teilweise zu national beachteten Debatten führte. Mehr und weniger Massen an Menschen kamen hierher und diskutierten authentisch und spannend. Surfe ich den Blog dieser Tage an, kommt mir das Blog im Vergleich zum vergangenen Jahr seltsam untot vor. Wo ist die Community hin, die sich hier aktiv dauerhaft austauschte?

    Die Beruhigung war vielleicht von der taz genauso intendiert, um den dynamischen Traffic professioneller zu bewältigen. Nur: Steht die taz nicht für Rocken, Action, Bewegung, gesellschaftliche Debatte?

  • Na gut, ich versuche Sie zu überzeugen. Zuerst: In Schleswig-Holstein ist es heute ekelhaft kühl, dunkelgrau und regnerisch. Jede Aufmunterung tut gut. Weitere Argumente: Mein taktischer Hintergedanke ist gewesen, dass Sie beim Löschen meiner verbreiterten Quellenauswahl zu dem Vorfall bei der Partei AfD den Schmarrn von „Holger B.“ gleich mitlöschen. Der Kommentar von „Holger B.“ ist ein Pseudokommentar zu dem Blogbeitrag Die Bull-Analyse. Er hat nichts mit dem Sujet Wirtschaftliche Aussagekraft der Auflagenzahlen überregionaler Tageszeitungen zu tun. Hingegen schmuggelt er politische Werbung von rechts draußen auf die Internetseite. Der verlinkte Videobeitrag ist eine unsachliche Kritik an mutigen Journalisten, die über die Radikalisierung der AfD berichten und körperlich angegangen werden. Sie werden als Opfer dargestellt. Ich geh davon aus, dass die die betroffenen Journalisten der Veröffentlichung des Videos nicht zugestimmt haben. Youtube ist nicht wirklich Veröffentlichung, tausende kleine Teil-Öffentlichkeiten laufen über die kostenlose Video-Infrastruktur. taz.de dagegen ist weitaus mehr, langfristige, Veröffentlichung. Der Veröffentlichung rechter politischer Werbung müssen Sie keinen Raum geben.

    • Richtig, ich muss rechter politischer Werbung keinen Raum geben. Ich möchte aber. Ich persönlich neige zu einer sehr weitgehenden Rede- und Meinungsfreiheit, so wie sie etwa die USA in ihrer Verfassung verankert haben (zum Beispiel lehne ich ein Verbot von Nazi-Demos ab). Ich denke mir immer, dass ich überzeugt davon bin, die besseren Argumente zu haben und daher auf Löschung nicht angewiesen zu sein. Außerdem habe ich generell Bauchschmerzen damit, allgemeingültige Regeln aus subjektiven Überzeugungen abzuleiten. Was ist ein „Pseudokommentar“? Ab wann ist eine Meinung falsch genug, um gelöscht zu werden?

      Daher lösche ich hier zwar persönliche Beleidigungen oder falsche Tatsachenbehauptungen, aber keinen rechten Müll, so lange er sich noch irgendwie mit dem Thema auseinandersetzt. Ich habe Verständnis für andere Leute, die das anders sehen und andere Ansätze verfolgen, aber hier im Hausblog bleibt so etwas stehen.

      Sonnige Grüße dennoch!

  • Anlässlich der Transparenz im Hausblog, wie kommt es, dass die Kommentare unter der Bull-Analyse geschlossen wurden, ohne dass ich Antwort erhielt, warum nicht alle meiner Kommentare wie gebeten gelöscht wurden? So kenne ich den Hausblog nicht. Das ist nicht transparent.

    • Von „Meinungsbildung“ sehe ich unter der Bull-Analyse noch einen Kommentar, der mit „Tolle Bildauflösung und Kamera – Inhalt einseitig“ beginnt. Ist das der Kommentar, der auch noch gelöscht werden soll? Falls ja: Ich finde die Löschung dieses Kommentars unnötig, da er auch noch das Thema des Beitrags streift. Ich wollte dann nach der Antwort von „Holger B.“ verhindern, dass die Debatte vollends vom Thema des Beitrags weggeht und habe daher die weitere Debatte dazu geschlossen. Wenn ich den Kommentar auch noch lösche, steht die Antwort von „Holger B.“ ohne ihren Zusammenhang da, das finde ich unschön. Daher finde ich, der Kommentar kann bleiben. Ein allgemeines Recht, seine Kommentare löschen zu lassen, nur weil man das selbst wünscht, gibt es im Hausblog nicht. So ein Wunsch könnte im Einzelfall berechtigt sein, müsste dazu aber näher begründet werden und mich überzeugen, und das sehe ich hier eigentlich nicht.

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