1. Isolation Berlin – Und aus den Wolken tropft die Zeit
Keine Frage, Isolation Berlin waren die Band des Jahres. Chuzpe und Attitude vereinen sich bei Isolation Berlin mit großem Pop und schroffem Punk. Sänger Tobi Bamborschke hat sich mit dieser Platte (und den beiden vorherigen EPs, die als „Berliner Schule / Protopop“ ebenfalls in diesem Jahr noch mal erschienen sind) bereits einen Platz als einer der besten Texter des Landes verdient, da ihm gelingt, seinen Drama-Queen-Ansatz mit der notwendigen Schnoddrigkeit zu verbinden, was bei aller Cleverness der Texte jede Verkopftheit vermeidet, aber nie ins Gefühlsduselige abrutscht. Bestes Beispiel ist „Schlachtensee“, in dem Sehnsucht und Fuck You so schön wie lange nicht mehr verbunden wird:
„Es ist so schwer, dir in die Augen zu sehen, wenn man weiß, es wird der letzte Abschied sein. Es rauscht in meinen Ohren und es fällt schon wieder Schnee. Der Schlachtensee ist lang und auch ohne dich ganz schön“.
2. Friends Of Gas – Fatal Schwach
Das Debüt der Münchener Band Friends Of Gas war die vielleicht größte Überraschung des Jahres. Ein kompromissloses Werk, das in seiner Schroffheit polarisiert, dafür aber die Bekehrten zu glühenden Verehrern macht. Bass & Drums bestimmen den Sound, darüber krächzt kehlig Sängerin Nina Walser Parolen des Nihilismus, der Verweigerung, der Auslöschung. Die gleichen Zeilen, wieder und wieder. Eine Platte wie ein Granitblock.
3. Leonard Cohen – You Want It Darker
Für mich war Leonard Cohen immer der größte aller Singer/Songwriter, höchstens noch Dylan neben ihm. Doch dass sein neues Album so weit oben platziert ist, hat nichts mit einer nostalgischen Milde oder Totentanz zu tun. „You Want It Darker“ ist schlicht sein bestes Album seit „The Future“ von 1992 und enthält nicht einen schwachen Song. Cohens tiefe Grummelstimme verkündet darauf wie gehabt Weisheiten, die man vermissen wird. Farewell, Field Commander Cohen!
4. Oum Shatt – Oum Shatt
https://www.youtube.com/watch?v=OHMuWVx3I1k
Arab-Psych-Rock gekreuzt mit Post-Punk-Attitude und Kraut-Rock-Drums – was gelesen absurd anmuten mag, wirkt auf Platte bei Oum Shatt. Ein großes Album, anders als alles, was man sonst in diesem Jahr gehört hat – und dabei dennoch eingängig, immer auf den Punkt und internationaler als es bei heimischen Gitarrenbands üblich ist.
5. Whitney – Light Upon The Lake
Aus der Asche der Smith Westerns sind Whitney entstanden. Ihr Wunderkindgitarrist Max Kakacek gründete mit Julien Ehrlich von Unknown Mortal Orchestra die Band Whitney und zusammen lieferten sie das beste Sommeralbum des Jahres ab. „Light Upon The Lake“ ist makelloser, von Byrds und Crosby Stills Nash & Young beeinflusster West-Coast-Pop, den sie mit der gleichen Gelassenheit spielen wie die arg vermissten Girls.
6. Die Heiterkeit – Pop & Tod
Die Heiterkeit mag Bandmitglieder-wechsel-dich spielen wie sonst nur The Fall, aber Fixstern Stella Sommer gelingt es Jahr um Jahr nicht nur eines der jeweilig besten Alben zu schreiben, sondern auch noch mit riesigen Schritten ihre Band im Songwriting weiterzuentwickeln. Ihr phänomenales Doppelalbum „Pop & Tod“ hat alles: die Harmonien, den subtilen Hass, die Songs und die schlechten Vibes – das Universum wird einmal ihnen gehören.
7. LUH. – Spiritual Songs For Lovers To Sing
“The Lucifer Youth Foundation (World Unite) are kids that play heavy, lost brothers looking for a place to call home” hieß es 2010 und so kündigte sich die beste britische Gitarrenband des letzten Jahrzehnts an. World Unite! Lucifer Youth Foundation aka WU LYF sampelten 2 Pac, spielten „Heavy Pop“ und schrien uns in „Dirt“ zum besten Revolutionsfeiervideoclip „no matter what they said / Dollar is not your friend“ entgegen. WU LYF sind längst Geschichte und Jahre später taucht Sänger Ellery nun mit dem neuen Projekt LUH wieder auf (was diesmal für „Lost Under Heaven“ steht, der Akronym-Fetisch ist ihm also auch in seinen years in the wilderness nicht abhanden gekommen). LUH. setzen noch stärker auf einen Sound der sonic Überwältigung, der Pathos ist Kern des Projekts, der Kampf für eine bessere Welt auch. Immer noch schreibt keiner bessere Zeilen für die Straße und die gestreckte Faust:
„To the powers of old,
to the powers that be
You have fucked up this world
but you will not fuck with me“
8. King Creosote – Astronaut Meets Appleman
Unzählige Platten hat der schottische Singer/Songwriter King Creosote bereits veröffentlicht, aber „Astronaut meets Appleman“ ist sein Meisterstück: Reich instrumentiert, Soundschicht auf Soundschicht, Dudelsack-Soli inklusive. Eine Art bodenständiger Psych-Folk, der ganz ohne Spinnereien und Vollbärte auskommmt.
9. Peter Doherty – Hamburg Demonstrations
Wer hätt’s gedacht? Wir schreiben 2016 und ausgerechnet Petey ist alive & kicking! Nur ein Jahr nach dem gelungenen Libertines-Comeback-Album legt Pete Doherty solo nach. Dass sein Soloalbum fern von der Heimat – und einem Leben unter dem Brennglas der Öffentlichkeit – in Hamburg entstanden ist, scheint ein Glücksfall für Doherty gewesen zu sein. Endlich einmal schafft er es dank des Produzenten Johann Scherer die Intimität der früher oft für umme ins Netz gehauenen Demos auch auf Platte einzufangen und schreibt seine besten Songs seit Jahren. Höhepunkte sind „Down For The Outing“ und „Hell To Pay At The Gates Of Heaven“, das Doherty in vollem Dylan-Modus zeigt und mit „Come on boys you gotta choose your weapon / J-45 or AK-47“ fragt: Dschihad oder nicht vielleicht doch lieber Sex & Drugs & Rock & Roll, boys?
10. David Bowie – Blackstar
Ashes to ashes, funk to funky
We know Major Tom’s a junkie
Strung out in heaven’s high
Hitting an all-time low
Wenn 2016 neben all dem sonstigen Scheiß für etwas in die Annalen eingeht, dann für den Abgang so vieler großer Musiker wie nie zuvor. Natürlich hat Isolation Berlins Max Bauer recht, wenn er sagt: „Die sind alle aus einer Generation: alt. Alte Männer sterben“, aber dennoch treffen Abschiede bei manchen mehr. Am Ende bleibt bei David Bowie festzuhalten, dass dies ein Abschied war, wie ihn wohl kaum jemand zuvor hinbekommen hat. Mit seinem besten Album seit Jahrzehnten und einem visuell wie textlich vollkommen ausformulierten Abschiedsgruß tritt der größte Konzeptkünstler von allen ab.
11. Pet Shop Boys – Super
12. Fat White Family – Songs For Our Mothers
13. Money – Suicide Songs
14. Bon Iver – 22, A Million
15. Toy – Clear Shot
16. The Wytches – All Your Happy Life
17. Parquet Courts – Human Performance
18. Family 5 – Was zählt
19. Nicolas Jaar – Sirens
20. Messer – Jalousie
21. Nicolas Sturm – Angst Angst Overkill
22. All diese Gewalt – Welt in Klammern
23. Black Heino – Heldentum und Idiotie
24. Glass Animals – How To Be A Human Being
25. Xiu Xiu – Plays The Music Of Twin Peaks
26. I Have A Tribe – Beneath The Yellow Moon
27. Ezra Furman – Big Fugitive Life EP
28. Kate Tempest – Let Them Eat Chaos
29. The Kills – Ash & Ice
30. Gurr – In My Head
Vorjahresgewinner:
* 2015: Ezra Furman – Perpetual Motion Peopl
* 2014: Ja, Panik – Libertatia
* 2013: Waxahatchee – Cerulean Salt
* 2012: This Many Boyfriends – This Many Boyfriends
* 2011: Ja, Panik – DMD KIU LIDT
* 2010: The Smith Westerns – The Smith Westerns
* 2009: Ja, Panik – The Angst & The Money
* 2008: Laura Marling – Alas I Can’t Swim
* 2007: The Good, The Bad & The Queen – The Good, The Bad & The Queen
* 2006: Love Is All – 9 Times The Same Song
und … und 2015?
1. Ezra Furman – Perpetual Motion People
2. Blur – The Magic Whip
3. Die Nerven – Out
4. Isolation Berlin – Körper EP
5. The Libertines – Anthems For Doomed Youth
6. Pisse – Mit Schinken durch die Menopause
7. Zugezogen Maskulin – Alles brennt
8. HEALTH – Death Magic
9. Protomartyr – The Agent Intellect
10. Courtney Barnett – Sometimes I Sit And Think, And Sometimes I Just Sit
mit Text? hier
und 2014?
1. Ja, Panik – Libertatia
2. Die Nerven – Fun
3. Trümmer – Trümmer
4. Parquet Courts – Sunbathing Animal
5. Amazing Snakeheads – Amphetamine Ballads
6. Parkay Quarts – Content Nausea
7. Die Heiterkeit – Monterey
8. La Roux – Trouble In Paradise
9. Jens Friebe – Nackte Angst zieh dich an, wir gehen aus
10. Fat White Family – Champagne Holocaust
mit Text? hier
und 2013?
1. Waxahatchee – Cerulean Salt
2. Gabriel Bruce – Love In Arms
3. Chuckamuck – Jiles
4. Parquet Courts – Light Up Gold
5. Foxygen – We Are The 21st Century Ambassadors Of Peace & Magic
6. Messer – Die Unsichtbaren
7. The Julie Ruin – Run Fast
8. Nick Cave & The Bad Seeds – Push The Sky Away
9. FIDLAR – FIDLAR
10. Babyshambles – Sequel To The Prequel
1. This Many Boyfriends – This Many Boyfriends
2. Die Nerven – Fluidum
3. Pond – Birds, Wives, Denim
4. Howler – America Give Up
5. Toy – Toy
6. Mystery Jets – Radlands
7. Chromatics – Kill For Love
8. Crocodiles – Endless Flowers
9. Die Heiterkeit – Herz Aus Gold
10. Django Django – Django Django
1. Ja, Panik – DMD KIU LIDT
2. WU LYF – Go Tell Fire To The Mountain
3. Chuckamuck – Wild For Adventure
4. Girls – Father, Son, Holy Ghost
5. The Smith Westerns – Dye It Blonde
6. Finn. – I Wish I Was Someone Else
7. Locas In Love – Lemming
8. Black Lips – Arabia Mountain
9. The Rapture – In The Grace Of Your Love
10. Josh T Pearson – Last Of The Country Gentlemen
1. The Smith Westerns: The Smith Westerns
2. Girls: Broken Dreams Club EP
3. Manic Street Preachers: Postcards From A Young Man
4. 1000 Robota: UFO
5. Sleigh Bells: Treats
6. LCD Soundsystem: This Is Happening
7. Wave Pictures: Susan Rode The Cyclone
8. Laura Marling: I Speak Because I Can
9. Television Personalities: A Memory Is Better Than Nothing
10. Christiane Rösinger: Songs Of L. & Hate
und 2009?
1. Ja, Panik – The Angst & The Money
2. The Horrors – Primary Colours
3. Girls – Album
4. Pet Shop Boys – Yes
5. Emmy The Great – First Love
6. The Wave Pictures – If You Leave It Alone
7. Manic Street Preachers – Journal For Plague Lovers
8. Let’s Wrestle – In The Court Of The Wrestling Let’s
9. La Roux – La Roux
10. Peter Doherty – Grace/Wastelands
und 2008?
1. Laura Marling – Alas I Can’t Swim
2. Glasvegas – Glasvegas
3. No Age – Nouns
4. Crystal Castles – Crystal Castles
5. Vampire Weekend – Vampire Weekend
6. Love Is All – A Hundred Things To Keep Me Up At Night
7. 1000 Robota – Er Nicht Du Nicht Sie Nicht
8. Johnny Flynn & The Sussex Wit – A Larum
9. Hot Chip – Made In The Dark
10. Santogold – Santogold
1. The Good, The Bad & The Queen – The Good, The Bad & The Queen
2. Die Türen – P-O-P-O
3. LCD Soundsystem – Sound Of Silver
4. Babyshambles – Shotters Nation
5. Tocotronic – Kapitulation
6. The White Stripes – Icky Thump
7. Jamie T – Panic Prevention
8. The Cribs – Men’s Needs, Women’s Needs, Whatever
9. Friska Viljor – Bravo!
10. The Rakes – Ten New Messages
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