vonfrida 31.10.2023

Frida, ich und du

Intimer Umgang mit Schmerz und Leid des Menschen in ihrer jeweiligen Rolle: Sozialisation, mothering, Feminist

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Ich kenne inzwischen etliche heteronormative Eltern-Trennungsgeschichten, meine eigene seit drei Jahren, und die vieler anderer, die ich auf der Suche nach einem neuen Netzwerk kennen gelernt habe; nach Menschen, die mich verstehen, die mein derzeitiges Erleben teilen.

Jede dieser Geschichten ist individuell erlebt.

Ich bin von Menschen im mothering mit einem und sehr viel mehr Kindern umgeben, in kurzfristiger oder langjähriger Trennung oder immer-wieder-kurz-davor, mit kleinen und auch größeren und ganz großen Kindern, Menschen in der Stadt und Menschen auf dem Land, junge Menschen und ältere, Menschen, die zu Freunden wurden und Menschen, die ich nur beim Alleinerziehenden Treff oder in linken Bubbles treffe, Menschen, denen ich nur flüchtig auf Elterneinflugschneisen begegnet bin und Menschen, mit denen ich inzwischen mein Leben teile.

Jede dieser Geschichten gleicht der anderen strukturell erschreckend auffällig.

So viele, so lange und sich im Kern gleichende Trennungsgeschichten von Menschen im mothering. So viele Wunden, Verletzungen, Trauer, Ängste und Sorgen und Ohnmachtserfahrungen und bei mir endlich auch mal wieder Wut.

Und die brauche ich auch, um mal wieder darüber zu schreiben…

Wut ist immanent bei diesem Thema, denn es geht um verletzte Grenzen, immer wieder verletzte Grenzen, um entstandene Trauma, um Scham und Trauer, und um Gewalt. Die hat Jede erlebt, die ist kein Einzelfall.

Die Metaebene ist im Strudel des Alltags nicht leicht einzunehmen.

Ich möchte versuchen, dich mitzunehmen auf die Metaebene. Denn sie ermöglicht Veränderung, Veränderung auf der strukturellen Ebene, um das individuelle Ertragen zu erleichtern.

 

Zersetzende Diskussionen verhindern die Metaebene

Trennt sich ein Elternpaar, müssen erstmal neue Strukturen im Alltag geschaffen werden: Umfang des Wechselmodells, Übergabesituationen, neue Wohnsituation, Lohnarbeit geht weiter oder wird aufgenommen, andere Wege und Abläufe, Kinder weiterhin in Institutionen einbinden (Kindergarten, Schule), Freundeskreise verändern sich, Finanzen werden umorganisiert, neu verhandelt und hart verteidigt.

Je nach ökonomischer, zeitlicher und wohnlicher Voraussetzung der Elternteile gibt es dabei mehr oder weniger Spielraum; was es aber bei allen gibt, ist ein riesiges Gebiet für weitere Machtkämpfe und Konfliktherde. Darein fließend findet sich auch die individuelle Trauerverarbeitung je Elternteil durch aufgestaute Wut, unerfüllte Hoffnung, tiefe Depression, generelle Überforderung, nahtlos neue Partnerschaften usw.

Wie ich häufig beobachte, findet sich dieser Spielraum, oder besser gesagt: das Tauziehen um Aufmerksamkeit in endlosen Sprach-, Text- und Voicemailnachrichten. Und dabei geht es nur scheinbar um tatsächlich zu diskutierende oder auszuhandelnde Inhalte das gemeinsame Kind betreffend, es geht vielmehr um etwas anderes, das aber erst nach Jahren offenbar wird, wenn die Kinder keine Beziehung mehr zu ihrem Vater haben / wollen.  Wahrscheinlich braucht der frisch getrennte Vater dieses Tauziehen um Aufmerksamkeit, weil seine Lebensstruktur eigentlich völlig überfordert damit ist, ein Kind oder mehrere nun alleine zu versorgen und mehrere Tage und Abende um sich zu haben. Alles, was hier misslingt, wird er an ihr auslassen müssen, wenn er sich nicht eingestehen möchte, dass sie dies vorher selbstverständlich geleistet hat und ihm ihre Care-Arbeit nun fehlt.

Also tut er alles, um als perfekter Vater zu erscheinen und dies nicht auffliegen zu lassen, dabei aber möglichst wenig Zeit und vor allem Geld selbst zu investieren.

Ihr bleibt insofern überhaupt keine Zeit, gar kein Raum, um mit Abstand und aus der Metaebene heraus die Dinge zu betrachten, zu verarbeiten und vielleicht sinnvolle neue Strukturen für den neuen Lebensabschnitt ihrer Trennung anzugehen.

TuSch

An dieser Stelle kann ich endlich mal eine sinnvolle Institution und Struktur anbieten: Die TuSch-Moderation

Dies ist eine kostenlose und von jedem Jugendamt angebotene Einrichtung, die minimal 8 Stunden moderiertes Elterngespräch umfasst. Sie wird zwar vom Jugendamt finanziert und muss insofern auch dort beantragt werden, wird aber in einer anderen Einrichtung (z.B. Werkschule) mit dortigem Personal begleitet.

Was du dafür tun musst: finde heraus, wer der/die zuständige CasemanagerIn beim Jugendamt für dein Kind ist und beantrage per Email das „Trennung- und Scheidungsgespräch“ (TuSch), das jedes Elternpaar (egal ob verheiratet oder nicht) kostenlos in Anspruch nehmen kann.

Denn bei diesem moderierten Gespräch geht es im Kern darum, die Paarebene endlich hinter sich zu lassen und die neue Elternebene zu gestalten und in Absprachen (Zielvereinbarungen) auszudifferenzieren.

Dann weißt du zumindest sehr bald, was bei seiner Vaterschaft wirklich herauskommt und stehst nicht mehr alleine vor der Ent-Täuschung. Und es hilft strukturell enorm, um aus dem verletzenden Kreislauf der Dauer-Konversation herauszukommen.

 

Streitkultur setzt sich im Kinde fort

Jedes Paar entwickelt im Laufe seiner Beziehung eine eigene Streitkultur, die je nach gesellschaftlicher Schicht, Kultur, Elternhaus, Umfeld usw. unterschiedlich ausgeprägt ist und sich auch im Laufe einer Beziehung, in der Länge der Trennungsphase, in einer eigenen Dynamik steigern und entwickeln kann. Darin gibt es verschiedene Abstufungen von Lautstärke, Wortwahl, Gewalt und Demütigung.

Schafft nun die eine Person endlich den Absprung in den Status Alleinerziehend und trägt das Mantra der Familienzerstörerin, ist die Streitkultur noch lange nicht beendet.

Sie setzt sich zum Einen in der Auseinandersetzung mit dem ehemaligen Partner, nun als Elternteil, fort (wie oben auch beschrieben), aber, und das ist eine wirklich perfide Erkenntnis, auch in der Beziehung zu den eigenen Kindern.

Denn je nachdem wie lange sie der Streitkultur ihrer Eltern ausgesetzt waren oder wie viel sie davon mitbekommen haben, setzen sie diese in ihrer Verunsicherung fort.

Diese Verunsicherung durch die neue Lebenssituation zeigt sich meist in ihrer Wut und wo und wie kann diese verarbeitet werden? In der Beziehung zum Anderen und dies ist in der Einsamkeit mit Kind die mothernde Person (und die Geschwister).

Insofern wird die Dynamik der Paarbeziehung von Gewalt und Demütigung noch lange fortgesetzt (1-2 Jahre scheint üblich zu sein), obwohl die Beziehung zum Patriarchen doch eigentlich beendet worden ist.

 

Selbstbild als mothernde Person, die gute Mutter

Des Weiteren entsteht ein neues Vakuum der Selbst- und Fremddefinition als Person im mothering. Gesellschaftlich gibt es das Label der „Alleinerziehenden“ (egal ob dies nun im Wechselmodell nur Phasenweise gelebt wird oder zu 100% bei ihr liegt).

Das Selbstbild als Mutter ist durch den Verlust des Partners ins Wanken geraten und gilt nun wieder mit dem eigenen Selbst zu füllen (wie es bei früheren Trennungen vielleicht möglich war). Doch da sind nun Kinder und es gibt das „neue“ (je nach Alter der Kinder) Selbstbild als Mutter, das den kompletten Alltag bestimmt. Doch dieses Selbstbild hat einen enormen Knacks (durch die vollzogene Trennung, die meistens auch noch mit gesellschaftlicher Ächtung durch Freundeskreis und Herkunftsfamilie einhergeht). Und es findet nicht mehr die Anerkennung im anderen Elternteil (denn das ist ja durch die Trennung abgetrennt und wahrscheinlich verärgert).

Somit steht sie nun allein damit, ihr Selbstbild als Mutter, möglichst noch als gute Mutter oder wie ihr Therapeut ihr irgendwann nahelegen wird als ausreichend gute Mutter, zu füllen; neben einem überfordernden berufstätigen Alltag als Alleinerziehende mit einem oder mehreren emotional verunsicherten Kindern.

Aus diesem Strudel um Anerkennung und Besänftigung der eigenen Ansprüche gibt es eigentlich nur den Ausweg der Rabenmutter, denn gut machen kannst du hier eh nichts mehr.

Hier sehe ich nur den Ausweg in andere Rollen zur Relativierung der Mutterrolle. Dies hat gesellschaftlich betrachtet die Folge, als Rabenmutter bewertet zu werden, weshalb ich dazu übergegangen bin, zu aller erst einmal selbst die Bewertungen fallen zu lassen, und mich gleichzeitig mit dem neuen Label anzufreunden.

Siehe dazu auch meine anderen Texte:

Rollenbeschreibung, ein Versuch – auch für nicht-eingeweihte

Das richtige Leben im Falschen,

Mothering II – Ein unkündbarer Job,

Mothering III – schwer zu greifen, schwer zu fassen, schwer nachzuvollziehen, schwer einfach

Diese ganzen schon in der Beziehungsstruktur sich abzeichnenden negativen Begleiterscheinungen einer Trennung sind bei vielen Frauen häufig der Ursprung der individuellen Angst vor einer Trennung vom Vater der gemeinsamen Kinder. Und es lässt sie davor zurückschrecken, diese tatsächlich zu vollziehen, auch wenn sie vielleicht schon häufiger im Freundinnenkreis angekündigt wurde.

 

Der Wahrheit patriarchaler Machtstrukturen ins Gesicht gucken

Kommen wir zu einem weiteren, mit sehr viel mehr Scham und Unaufrichtigkeit behandelten Thema, das Frauen allzu oft dazu verleitet, in einer unzumutbaren Beziehung auszuharren:

Solange die Beziehung zum Vater aufrecht erhalten wird, gibt es trotz aller Streitkultur die Möglichkeiten der weiblichen Regulation; zumindest bilden viele sich lange, sehr lange ein, sie könnten den Patriarchen und sein Verhalten erträglich für sich und die gemeinsamen Kinder regulieren, wenn sie an der Beziehung festhalten und diese durch Fürsorge, Caring, Sex und Co-Probantin am laufen halten. Dies hat noch den Anschein einer aktiven Rolle, wischst du diesen Schein aber mal beiseite: lässt sie sich benutzen.

Was sie dabei übersehen, ist, dass sie damit die vom Patriarchen etablierten Beziehungs- und Umgangsformen (und auch die Streitkultur) in ihren Kindern festigen und als einziges Familienmodell in deren Gefühlsebene fest verankern. Frühestens in der Pubertät, aber wahrscheinlich erst mit Anfang 30ig werden diese Kinder sich kritisch mit ihren Gefühlen dazu auseinandersetzen und vielleicht neue Strukturen für Liebe und Familie anlegen können, vielleicht…

Denn was bei allem Geschrei nach Gleichberechtigung und feministischen Ansprüchen die Frauen ständig verdrängen, ist, dass sie im Ausharren in einer patriarchalen Beziehungsstruktur für ihre Kinder damit auch ihre eigene Rolle als Care-Arbeiterin in der Familie festigen.

Wie sollen unsere Kinder denn ein anderes, ein hoffentlich aufmerksameres und wahrnehmungsvolleres Bild von Liebe und Beziehung bekommen, wenn sie selbst in patriarchal gewalttätigen Machtstrukturen großwerden und ihre eigene Mutter nur in der Rolle der patriarchalen Komplizin erleben, aber nie erfahren, dass sie ein eigenständiger Mensch mit Bedürfnissen und Selbstbestimmung über ihren eigenen Körper ist?!

Woher sollen andere, veränderte Konzepte von Familienbildern und ihren Rollen darin kommen, wenn wir sie nicht selbst leben?

Nach dem Überwinden der klassischen Kleinfamilie bietet sich dir die Möglichkeit, deine Selbstdefinition, deinen Sinn im Leben nicht nur in der ausreichend guten Mutter zu finden, sondern deinen Kindern einen Menschen vorzustellen, die für sich eintritt und sich nicht mehr benutzen lässt.

Damit möchte ich unsere Reise in die Metaebene beenden.

Denn nun bist du dran; und ich bin dran, die strukturellen Erfassungen in meine individuelle Geschichte zu integrieren.

Ich wünsche dir ganz viele Menschen um dich herum, die dich und deine Kinder dabei unterstützen.

 

Gedichte, wenn du magst, um nach der Metaebene auf die Gefühlsebene zurückzukehren:

bonding • caring • mothering

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