vonfrida 14.02.2024

Frida, ich und du

Intimer Umgang mit Schmerz und Leid des Menschen in ihrer jeweiligen Rolle: Sozialisation, mothering, Feminist

Mehr über diesen Blog

Junge, arbeitslose, depressive, psychosengeplagte Menschen hocken auf dem Sofa und im Kühlschrank ihrer Mutter fest, haben keine Perspektive, die sie losreißt, und keine die sie rausschmeißt.

Liebe Menschen im mothering,

wer meine Texte kennt, weiß, dass sie sich häufig um Menschen im mothering drehen. Ich selbst habe ein Kind der Generation Alpha und arbeite mit jungen Menschen der Generation Z zusammen. Viele meiner Freunde sind Mütter genau dieser Generation und sie teilen mit mir ihre Erfahrungen und Erlebnisse. Diesmal geht es um diejenigen im mothering, die mit den jetzt jungen Menschen zu tun haben, mit der sogenannten Generation Z.

Neben Gedanken zu gesellschaftlichen, historisch gewachsenen und generationstypischen Gründen und Lösungsstrategien möchte ich dir die implementierte Verantwortungsverteilung offenlegen und dir Ideen aufzeigen, die dir vielleicht eine Handlungsmacht ermöglichen können.

 

Generation X im mothering

Blicken wir zunächst auf die Realität, die ich selbst erlebe und dank mir naher Menschen gut kenne, nämlich die der Generation X, die jetzt Eltern dieser jungen Menschen sind.

Bei diesen Menschen, die noch immer aktiv im mothering sind, nehme ich eine um sich greifende, massiv krasse Überforderung wahr: Eigentlich sind die Kinder schon fast oder ganz aus dem Haus und es könnte eine neue Lebensphase der Care-freien Zeit geben, in der endlich mal die langersehnte Selbstverwirklichung oder der nächste Karrieresprung oder die berufliche Umorientierung anstünde, aber irgendwie kommt sie aus dem Caring nicht raus.

Denn die Kinder kommen nicht „auf die eigenen Füße“, sondern hängern weiterhin im warmen und kühlschrankvollen Zuhause herum.

Vielversprechende Versuche gab es etliche: begonnene Ausbildungen, Praktika, Studiengänge, eigene Apartments oder WGs; alles abgebrochen.

Die jungen Menschen haben also schon viel Erfahrung im Scheitern gesammelt, ihr Selbstbewusstsein ist schon lange im Keller, vom Selbstwert ganz zu schweigen.

Die Schwierigkeiten dabei gestalten sich meist auch nicht verharmlosbar kurzweilig, sondern die jungen Menschen sind mit so viel Ernstzunehmendem überfordert, dass kein Ende dessen absehbar ist.

Ich glaube sogar, es ist ein Marker dieser Generation Z, auch wenn dieses Phänomen gar nicht so unbekannt ist.

 

Jede Mensch ist Teil ihrer Lebenszeitrealität

Die Lebenszeitrealität der letzten über zwanzig Jahre bedeutet für junge Menschen, so wie sie sind (was sie interessiert, welche Probleme sie haben, was sie beschäftigt…), eigentlich keine Perspektive, keinen sicheren Platz in der Gesellschaft, zu haben. Dieses Phänomen wurde zuerst bei der Generation Y, den Millennials, festgestellt.

abo

Zeiten wie diese brauchen Seiten wie diese, jetzt die wochentaz testen! 10 Ausgaben für 10 Euro im Probeabo: Lernen Sie 10 Wochen lang die linke Wochenzeitung kennen.

Um dieses Phänomen nachvollziehbarer zu machen, hier ein Schwenk in unsere Lebenszeitrealität: Es gab schon Spitzen dieses Eisberges im Berlin der Kinder vom Bahnhof Zoo, wo eine Heroinschwemme zu jugendlichen Sexarbeitern aus eigentlich „normalen“ Familien führte. Danach gab es eine riesige gesellschaftliche Kampagne durch alle Jugendstrukturen und die Nachfolgenden der Generation (Gen X) wurden mit dem Heroin-Puppenspieler weit genug abgeschreckt. Außerdem wurde das Problem des massiven Drogenschmuggels aus Berlin-Ost behoben und insofern verkakten damals nur ein paar junge Menschen ihre Jugend und ihren Start in die Gesellschaft.

Seit nun über zwanzig Jahren verbreitet sich dieses Phänomen mehr und mehr und weitere Bereiche destabilisierten und destabilisieren immer noch die Gesellschaft, ohne dass es so benannt wird (Arbeitslosigkeit, Bankenkrash, Kriege, Globalisierung, Umweltkatastrophen…). Denn je nachdem wie eine Gesellschaft mit Krisen umgeht, ermöglicht sie zB eine mitgestaltende oder eine ohnmächtige Teilhabe, eine offen zu diskutierende oder eine verleugnet zu ertragende.

Die von mir schon so häufig benannte Negativität speist sich genau daraus.

Besonders deutlich wahrnehmbar ist sie für mich seit der lockdowns.

Damals haben die festgelegten Regularien die Entwicklungsmöglichkeiten junger Menschen massiv eingeschränkt und ihnen Grenzen gesetzt, die aus ihrer Perspektive extrem und nicht verhandelbar waren, weil es für viele um zB die Verantwortung für den Tod der Großmutter oder des Opas ging. Während des Aushaltens dieser Grenzen durch Ausgangssperre, Kontaktverbot usw gab es keinerlei institutionelle Unterstützung (also keine gesellschaftliche Unterstützung), sondern nur individuelle durch die Familie, je nach ihren Kapazitäten, Kreativität, Wohlstand, Raum usw.

Damit stellte sich die gesellschaftliche Teilhabe zwei Jahre lang für junge Menschen als unmöglich dar.

Die gesellschaftlichen Probleme haben also für junge Menschen seit Bahnhof Zoo, seit den Millennials nochmals weiter zugenommen. Die jungen Menschen der Gen Z erleben / ertragen die krisenhaften Zustände und begreifen sie als festen Bestandteil ihrer Lebenszeitrealität, während wir Erwachsenen zum Einen häufig eine andere Perspektive und insofern einen anderen Umgang mit den Krisen haben und zum Anderen die Maßstäbe und Schablonen unserer jugendlichen Lebenszeitrealität auf unsere Kinder anwenden und gar nicht wahrnehmen, was da wirklich alles los ist und wie schlimm das auszuhalten ist.

 

Gen Z

Um die Sphäre heutiger junger Menschen zu verstehen, musst du digital bewandert und vernetzt sein – schon wieder so altbackene Begriffe der Gen X – also, deine Wahrnehmung ist so digital mit der Welt um dich herum verbunden, dass du immer erreichbar bist, eine globale Wahrnehmung hast und dein Endgerät alles mit dir teilt, jede Erfahrung, jede Information, jeden Kontakt, jede Beziehungsform, eigentlich jedes Gefühl; dein Lifestyle sollte interessant / extravagant und gut informiert sein über alles Mögliche, das deine Eltern weder kennen, noch verstehen, noch nachvollziehen können. Nebenbei solltest du dich mit Feiern, Drogen und Hedonismus auskennen und eine kritische Haltung zu Autorität, Sexismen und Geschlechterrollen haben und hast selbst schon erste Erfahrungen oder zumindest persönliche Eindrücke von psychischen Krankheiten und Diagnosen. Du wirst deinen eigenen Wert für den Arbeitsmarkt kennen, sollst aber auch auf deine psychische und physische Gesundheit achten. Und, ach ja, mit den Konfliktstrategien deiner Eltern untereinander umgehen können, während du auf der anderen Seite immer wieder fassungslos bist, wie unfähig deine Eltern sind, was Informationsfluss und Medienumgang angeht.

Das alles wird impliziert neben den irgendwie archaischen anmutenden Bildungsinhalten, die du für einen guten Abschluss aber unbedingt anwenden können musst, obwohl dir kein Mensch sagen kann, ob und wofür du diesen Abschluss unbedingt brauchst, denn der Arbeitsmarkt, derzeit geprägt durch die GenY, braucht eigentlich andere Typen, als die Schulen und Universitäten ausspucken, und auch das weißt du. Auf der anderen Seite halten sich die Gerüchte hartnäckig, dass es die simpelsten und die wahnwitzigsten Wege zum Millionen schweren Star gibt; auf jeden Fall musst du dich dafür immer wieder neu erfinden.

Und deine Eltern leben dir tagtäglich vor, dass sie ihre work-life-balance nicht geschissen kriegen. Warum nochmal?! Ahja, weil sie dich in die Welt gesetzt haben, zumindest sagst du ihnen das, um den Streit zu beenden.

Auf der anderen Seite siehst du tagtäglich, wie schlecht es ihnen geht und willst sie Stolz machen, aber genau das gelingt dir eigentlich nie, denn dafür klaffen eure Maßstäbe viel zu weit auseinander. Das begreifst du vielleicht noch nicht, aber dir ist schon völlig klar, dass du ihr Leben nicht führen würdest und sie dir eigentlich Leid tun.

So oder ähnlich stelle ich mir die Lebenszeitrealität aus der Perspektive der jetzt jungen Menschen vor.

Deshalb finde ich es auch so enorm wichtig zuzuhören, den jungen Menschen zuzuhören, weil nachempfinden kann ich das rein aus meiner Lebenszeitrealität meiner Jugend ganz sicher nicht und aus der Perspektive der reflektierten, ökonomisch und sozial abgesicherten Erwachsenen noch viel weniger.

 

Der Anteil der gesellschaftlichen Aufgabe

Die Gesellschaft (die menschliche Gemeinschaft der westeuropäischen Länder, genauer der in Deutschland lebenden Menschen) versagt in ihrer Aufgabe, jungen Menschen Perspektiven zu bieten, schon seit gut zwanzig Jahren (seit den lockdowns nochmal exponentiell erhöht).

Gemeint ist damit die gesellschaftliche Aufgabe, den jungen Menschen Ausbildungswege, Handlungsoptionen und Lebensperspektiven aufzuzeigen und anzubieten, die sie dazu anregen und befähigen, zu einem sinnstiftenden Teil der menschlichen Gemeinschaft zu werden oder auch einen individuellen, persönlich gestalteten Weg für sich finden zu können, um sich somit als Teil dieser Gesellschaft wahrnehmen zu können. Dafür besuchen sie verschiedene Institutionen, die sie bei der Bewältigung des Einstiegs in die Gesellschaft ihrer Lebenszeit unterstützen sollen.

So der eigentliche Plan.

 

Gesellschaftliches Modell der Kleinfamilie

Historisch betrachtet sind Kinder in Deutschland lange Zeit im Familien-„Besitz“ gewesen und es hat sich erst langsam eine „Einmischung“ der Gesellschaft in das Private der Familie ergeben; durch äußerst sinnvolle Einmischungen: wie Kinderschutzgesetze und die Offenlegung von familiärer Gewalt und Misshandlung. Dafür wurden Institutionen geschaffen und ausgebaut (Sozialarbeiter, Jugendamt, Familienhilfe, Familienberatung, Gesetzgebung, Ganztagsbetreuung, Jugendpsychologen usw). Das geht inzwischen soweit, dass den Eltern die Macht über ihre eigenen Kinder entzogen werden kann oder sie wird überwacht, aber nur bei Fällen, die „auffallen“. Aber das ist lebenszeitlich gesehen noch gar nicht so lange so.

Durch die Groß- und Urgroßelterngeneration vermittelt, die immer noch einen hohen Anteil an den Werten der Kindererziehung haben, ist es erstmal nachvollziehbar, dass viele Eltern erstmal noch eisern festhalten an der Macht, die sie über das ehemals kleine Würmchen, das sie zur Welt gebracht haben, hatten.

(Insofern fällt es dir übrigens auch besonders schwer zuzuhören, denn eigentlich weißt du ja, genau wie deine Eltern damals, inzwischen alles besser.)

Und wann ist denn der Zeitpunkt, zu welchem diese Macht sinnvoll fallen gelassen werden sollte? Wann können Eltern die Kontrolle über das Leben, die Termine, die Zukunftsplanung usw. ihrer Kinder in die Hände eben dieser geben? Wann ist der “richtige” Zeitpunkt, um die Verantwortung loszulassen?!

Es scheint nicht so selbstverständlich und erst recht nicht einfach zu sein, den „Besitz“ (Kontrolle, Verantwortung, Macht) am eigenen Kinde fallen zu lassen. Denn hier greift auch wieder eine höchst ungute Begleiterscheinung der weiblichen Sozialisation ein. Nämlich die, dass der „Wert“ eines weiblichen Menschen an ihrer Fruchtbarkeit, an ihrer Fähigkeit liegt, Nachkommen für die Gesellschaft zu produzieren (wobei in „produzieren“ nicht nur gebären, sondern eben auch das Aufziehen gesellschaftlich implementiert in der Verantwortung der Mutter liegt).

Somit liegt ein Selbstwert von mothernden Personen häufig am „Gelingen“ der Kinder. Da ist es natürlich schwierig, die Verantwortung einfach so fallen zu lassen, wenn an ihr auch der eigene Selbstwert hängt.

Nebenbei implementiert die Gesellschaft auch gerne, dass Verantwortung und Selbstausbeutung durch unbezahlte Care-Arbeit lange bei den Eltern bleiben soll und dass bitte erst der arbeitsmarkttechnisch perfekt anpassungsfähige Mensch aus dem Elternhaus entlassen wird.

Dieses Modell hätte vielleicht einen gewissen Sinn, solange die Gesellschaft tatsächlich Perspektiven und Möglichkeiten für die jungen Menschen bietet. Tut sie aber zunehmend weniger.

Insofern verschiebt sich der “richtige” Zeitpunkt auch ideologisch immer weiter nach hinten.

Gesellschaftlich implementiert scheint die Verantwortung für den jungen Menschen klassisch weiterhin bei der Familie zu liegen, in unserer Lebenszeitrealität – von zumeist alleinerziehenden Müttern – liegt sie denn also bei ihr.

Wer sich häufiger in meinem Blog umschaut, kennt meine Wahrnehmung zur weiblichen Sozialisation meiner Generation: Der einsame Mensch – auf Partnersuche im Patriarchat, Männliches Auge – beschützt und benutzt, Die Komplizin, Sozialisierte Illusionen – Die Intensität deines Leids zeigt die Stärke deiner Liebe, Den Patriarchen hinter uns lassen

Davon ausgehend sieht sich die Care-Arbeiterin also wieder in der mit viel Wert aufgeladenen Rolle, alles aufzufangen, zu regeln, klug zu beraten, Perspektiven und Handlungsmöglichkeiten aufzuzeigen, Wege zu bereiten, das Kinde hierhin und dorthin zu begleiten.

Begleiten… wohin eigentlich?!

In eine Gesellschaft, die für diese jungen Menschen keine Perspektive bietet, also eine Gemeinschaft, die sie eigentlich ablehnt, mit all ihren Problemen.

 

Mothering für Gen Z

Aus all diesen Eindrücken, Erfahrungen und Überlegungen heraus sehe ich keine Lösung für die Gen Z. Kann ich auch gar nicht, da es ihre Lebenszeitrealität ist und ich darüber nicht urteilen kann.

Was ich aber sehen und mit euch teilen kann, ist, dass es für die Personen im mothering eigentlich keinen Sinn macht, das gesellschaftliche Defizit weiterhin individuell auszugleichen und mit der Ausbeutung der Care-Arbeiterin weiterzumachen.

Denn das Dilemma wächst seit über zwanzig Jahren: die gesellschaftlichen Defizite sind viel zu hoch, die Wunden bei den jungen Menschen viel zu tief und ihre Zukunft ist unklarer denn je, aber sicherlich von Krisen gezeichnet. Und die sichtbaren Anzeichen dieser Auswirkungen werden derzeit nicht ausreichend durch Institutionen aufgefangen.

Und daran wird sich auch erstmal nichts ändern, während du weiterhin die unbezahlte Therapeutin, Sozialarbeiterin und Berufsberaterin spielst, neben der Aufrechterhaltung einer Infrastruktur für euren Lebensraum, der zunehmend zum Drogen-Auskatern-Raum mutiert.

Hinzu kommt, dass wir – als Menschen aus einer auf Sicherheit, Stabilität und Planbarkeit beruhenden Lebenszeitrealität kommend – weder absehen, noch einschätzen können, wie das Leben für die GenZ aussehen wird. Auch wenn wir uns noch so sehr bemühen, unsere Vorstellungen von Fähigkeiten, Kompetenzen und Motivationen auf unsere Kinder zu übertragen, ist es wie ein Lotteriespiel und die Personen im mothering kostet es sehr viel, diese Ansprüche (aus einer vergangenen Zeit) aufrechtzuerhalten.

Vermutlich kannst du selbst am besten fühlen, was es dich kostet und wie lange du das noch stemmen kannst, ohne völlig auszubrennen.

Hinzu kommt, dass du auch schon wieder betrogen wirst: Zuerst wächst du in einer Zeit auf, wo dir gesellschaftlich – insbesondere für den Arbeitsmarkt – die Gleichberechtigung als selbstverständlich herangetragen wurde. Bei der Partnerwahl vielleicht schon, aber spätestens mit der Familiengründung hast du dann schon die bittere Pille geschluckt, dass diese „Gleichberechtigung“ an der Türschwelle zum trauten Heim plötzlich verschwunden ist und du selbstverständlich die Care-Arbeit für alle Familienmitglieder übernimmst, aber niemand für dich.

Doch nun ist ein Ende absehbar und dir winkt wieder der Platz unter den gesellschaftlich Gleichberechtigten, wenn deine Kinder nun groß sind. Außerdem hat sich die Gesellschaft mit den Gen Y ja erheblich gewandelt: Das Individuum und dessen Bedürfnisse und Fähigkeiten stehen jetzt im Vordergrund. Was da alles möglich ist!

Und genau an dieser Stelle wirst du schon wieder hingehalten und durch deine weibliche Sozialisation emotional geknebelt an eine Überverantwortung, weil die Gesellschaft für die jungen Menschen keine niedrigschwelligen und in ausreichendem Maße zur Verfügung stehenden Unterstützungsstrukturen bietet, sondern stattdessen weiterhin dich ideologisch in der Verantwortung hält.

Meine Lösung, die mal wieder keine Lösung ist, da Prognosen derzeit unmöglich sind: Verweigere dich der Care-Arbeit, wo es nur geht, und nutze ohne Scham alles, was es an Institutionen und Menschen um dich herum gibt!

Verweigern kannst du dich individuell, indem du auf der einen Seite in der Beziehung zu deinen Kinder nicht mehr die Care-Arbeit leistest und sie denen als Selbstverständlichkeit offerierst, auf die sie einen lebenslangen Anspruch haben. Und indem auf der anderen Seite alle Menschen im Lebensraum deiner Kinder tatsächlich in die Verantwortung genommen werden: Väter, Großeltern, Nachbarn, Freundes-Eltern und Kindsfreunde, Ausbilder und Jugendfreizeitgestalter.

Und was die Institutionen angeht: In meiner Generation ist die Hemmschwelle für Therapien oder gar Kliniken noch enorm hoch, vom Jugendamt mal ganz zu schweigen. Diese nehmen wir erst verschämt in Kauf, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist, häufig auch erst, wenn wir wirklich ausgebrannt und verzweifelt sind, nachdem das Kind schon lange im Brunnen hockt.

Dabei wäre es sinnvoller, diese Institutionen von Anfang an einzuschalten und in die gesellschaftliche Verantwortung zu nehmen.

Ich kann nur immer wieder dazu ermutigen, frühzeitig die Verantwortung auf mehrere Schultern zu verteilen und nicht der anerzogenen Scham zu unterliegen, dass es deinen Wert mindert, wenn du Hilfe in Anspruch nimmst oder gar einforderst; und zwar auch schon dann, wenn es anstrengend wird und nicht erst, wenn du am Boden liegst.

Denn es mag sich zwar wie dein ganz individuelles Problem mit deinem Kind / deinen Kindern anfühlen und sicherlich werden dir Menschen leider auch sagen, dass du irgendeinen Schuldanteil an eurer jetzigen Situation hast. Aber ich kann dir sagen: der gesellschaftliche Anteil des Versagens ist so viel höher und je älter dein Kind ist, so viel ausschlaggebender.

Also lass dich nicht wieder in die Scham und Selbstzweifel drängen, sondern schreie laut und vernehmlich heraus, was du gerade stemmen und mal wieder gradebiegen sollst und bestehe an allen Stellen darauf, dass du nicht allein damit bist.

 

Ausblick auf die nächste Generation

Erste Studien zu den Generationen beschäftigen sich auch schon mit der aktuellen Generation – den Alphas – und kommen zu einer äußerst schwierigen Erstdefinition: überbehütet, sozial auffällig, sprachlich defizitär und überfordert.

Ich habe schon eine Akte beim Jugendamt für mein Kind anlegen lassen, bin mit der zuständigen Casemanagerin bekannt, nutze nach den Trennungs- und Scheidungsgesprächen (TuSch genannt; alle getrennten Eltern haben einen Anspruch auf eine bezahlte mehrstündige Moderation zur Ausdifferenzierung und Abklärung der Elternebene zwischen Kindsmutter und Kindsvater) nun die Familienhilfe vom Jugendamt, ohne dass schon irgendwas “Besorgniserregendes” passiert wäre. Damit verteile ich schon jetzt die Verantwortung für dieses Kind auf mehr Menschen, denn ich spüre schon, was in den nächsten zehn Jahren unbewältigt noch auf uns zukommt.

 

Anzeige

Wenn dir der Artikel gefallen hat, dann teile ihn über Facebook oder Twitter. Falls du was zu sagen hast, freuen wir uns über Kommentare

https://blogs.taz.de/frida/haengernd-auf-mamas-sofa/

aktuell auf taz.de

kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert