vonDetlef Georgia Schulze 30.05.2023

Theorie als Praxis

Hier bloggt Detlef Georgia Schulze über theoretische Aspekte des Politischen.

Mehr über diesen Blog

Vorbemerkung: Die zunächst als Fortsetzung angekündigten Ausführungen zur etwaigen Strafbarkeit von Verkehrsblockaden werden verschoben. Statt dessen kommen hier zunächst unter A. eine paar aktuelle Nachträge, die sich seit Schreiben der bisherigen Teile dieser Artikel-Serie ergaben. Unter B. veröffentliche ich dann Fragen, die ich Staatsanwaltschaft und Gericht stellte – und die spärlichen Antworten, die ich darauf erhielt.

Nachträge

A. I. Im vorherigen Teil dieser Serie hatte ich Christian Raths Artikel im vorwärts vom 25.05.2023 zitiert; inzwischen ist auch ein Artikel im redaktionellen Teil der taz von ihm zum hiesigen Thema erscheinen; auch er spricht dort die offene Frage an, welcher Personenkreis von Staatsanwaltschaft und Gericht genau als Kriminelle Vereinigung angesehen wird:

„Das Amtsgericht geht nicht explizit auf die Frage ein, wie groß die kriminelle Vereinigung ist. Auf den ersten Blick deutet die bisher geringe Zahl von sieben genannten Beschuldigten darauf hin, dass nur die Führungsebene als kriminelle Vereinigung gelten könnte.“

Das wäre die im vorherigen Teil dieser Serie bereits angesprochene Möglichkeit der Konstruktion einer Vereinigung innerhalb der Vereinigung; Christian Rath setzt dann allerdings wie folgt fort:

„Allerdings ist im Münchener Beschluss auch explizit von einem Führungsteam, einem Kernteam, von Hintermännern die Rede, die noch nicht identifiziert seien. In der Vorstellung des Amtsgerichts scheint es also durchaus eine kriminelle Vereinigung unterhalb der Führungsebene zu geben.“

II. Auch Markus Sehl, der Autor eines Artikels zum hier interessierenden Thema in der Legal Tribune Online hat sich noch einmal geäußert – nun in Form zweier Twitter-posts; Sehl wurde dort von einem anderen Nutzer gefragt:

„haben Sie im Durchsuchungsbeschluss eine Definition und Subsumtion zur erheblichen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit gelesen?“

Die Frage bezieht sich darauf,

  • daß es am Ende von Abschnitt I. des Durchsuchungsbeschlusses heißt: „Damit geht von der Vereinigung ‚Die Letzte Generation‘ insgesamt eine erhebliche Gefährdung der öffentlichen Sicherheit aus“;

  • daß dieses „Damit“ aber nur eine Aufzählung vermeintlicher Tatsachen ist – aber ohne, daß diese in Bezug zu konkreten Normen und deren Auslegung gesetzt werden.

Markus Sehl antwortete auf die gestellte Frage:

„Definition sehe ich keine, die von mir erwähnten Aspekte (Struktur inkl. speziellem Finanzierungssystem, Eskalationsgefahr, Ausrichtung auf Straftaten nicht nur Nötigung etc., Gefahr b. Rettungseinsätzen) scheinen für den Richter Bausteine der erheblichen Gefährdung zu sein. […] Juristisch schulmäßiger Aufbau mit Definition – Subsumtion findet sich in der Praxis bei Beschlüssen meiner Erfahrung nach nicht immer.“
(https://twitter.com/markus_sehl/status/1663199859547963392; https://twitter.com/markus_sehl/status/1663200549133492225)

Das Fehlen eines „schulmäßige[n] Aufbau[s] mit Definition – Subsumtion“ anscheinend deshalb nachsichtig zu behandeln, weil er auch ansonsten nicht immer vorgenommen bzw. eingehalten wird, scheint mir das Problem, das damit unter dem Gesichtspunkt von

  • Artikel 20 Absatz 3 Grundgesetz („[…], die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden“)
  • § 102 Strafprozeßordnung („Bei dem, welcher als Täter oder Teilnehmer einer Straftat […] verdächtig ist, kann eine Durchsuchung […] vorgenommen werden“1)

    und

  • Artikel 103 Absatz 2 Grundgesetz („Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.“)

besteht, doch etwas arg herunterzuspielen. Denn

  • aus § 102 Strafprozeßordnung ergibt sich, daß ein Verdacht auf eine Straftat vorliegen muß, damit Durchsuchungen vorgenommen werden dürfen;
  • aus Artikel 103 Absatz 2 Grundgesetz ergibt sich, daß das, was Straftaten ausmacht, gesetzlich bestimmt sein muß;

    und

  • aus Artikel 20 Absatz 2 Grundgesetz ergibt sich, daß Exekutive und Justiz an die Gesetze gebunden sind.

Das Gegebensein der Tatbestandsvoraussetzung „einer Straftat […] verdächtig“ kann/darf also nur dann festgestellt werden, wenn gesagt wird,

  • um welche Straftat es sich handeln soll,
  • was wiederum die Tatbestandsvoraussetzungen der nämlich Strafnorm sind

    und

  • wie die Begriffe in den relevanten Normen definiert sind oder zu definieren sind,
  • und dann dargelegt wird, durch welche Elemente des inkriminierten Sachverhalts oder der inkriminierten Sachverhalte die einzelnen Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt werden.

III. Außerdem gibt es nunmehr auf der Webseite der Neuen Richtervereinigung eine Analyse der auch hier interessierenden Rechtsfragen – auch dort sind einige der von mir bereits angesprochenen Probleme benannt:

„Kann die Letzte Generation als eine homogene Vereinigung angesehen werden? Lokale Teilorganisationen der Letzten Generation sind von der bundesweiten Vereinigung weitgehend autark und unabhängig. Mit welchen Mitteln das gemeinsame Ziel verfolgt wird, scheinen diese Teilorganisationen unabhängig voneinander zu entscheiden.“
(https://www.neuerichter.de/fileadmin/user_upload/fg_strafrecht/2023_05_30_NRV_FG_StrafR_Die_letzte_Generation_als_kriminelle_Vereinigung.pdf, S. 1)

Sollten die Straftaten nur Zweck oder Tätigkeit2 „einzelne[r] Mitglieder [… sein] – nicht d[er] gesamte Vereinigung an sich – ist der Tatbestand nicht erfüllt (BGH NStZ 2015, 2703, 271 Rn. 30)“. (ebd.)

„Darüber hinaus darf die Begehung von Straftaten nicht von völlig untergeordneter Bedeutung sein (§ 129 Abs. 3 Nr. 2 StGB). Sie muss vielmehr das Erscheinungsbild der Vereinigung aus Sicht informierter Dritter mitprägen (LK-StGB/Krauß § 129 Rn. 65). Letzteres lässt sich noch nicht daraus ableiten, dass die Letzte Generation beabsichtigt, die politischen Entscheidungsträger durch ‚zivilen Ungehorsam‘ zu verfassungsrechtlich gebotenem Handeln zu bewegen (so aber LG Potsdam, Beschluss vom 19.04.2023 – 21 Qs 15/23). Ziviler Ungehorsam ist nicht per se strafbar. […]. Die Durchführung von Straßenblockaden ist jedoch ebenfalls nicht selbstverständlich strafrechtlich relevant.“ (ebd., S. 2)

Außerdem wird – vage4 – auf die Gesetzesbegründung der Bundesregierung für die Neufassung des § 129 StGB im Jahr 2017 hingewiesen; dort hieß es:

„Aus dem Schutzzweck der Norm, dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und der Bedeutung von § 129 StGB als Katalogtat für bestimmte strafprozessuale Möglichkeiten folgt darüber hinaus, dass die von der Vereinigung geplanten oder begangenen Straftaten eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit bedeuten und unter diesem Gesichtspunkt von einigem Gewicht sein müssen (so LK-Krauß, 12. Auflage, § 129 Rn. 58 unter Berufung auf die Rechtsprechung zu dem bisherigen § 129 StGB und m. w. N.).“
(https://dserver.bundestag.de/btd/18/112/1811275.pdf, S. 11)

Dabei ist aber zweierlei zu berücksichtigen: (1.) Das Amtsgericht München bejaht eine solche „erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit“ durch die „Letzte Generation“ – wenn auch ohne nähere Begründung (siehe oben); aber das Amtsgericht sagt jedenfalls nicht; es bedürfe gar keiner „erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit“. (Das heißt: Es folgt nicht zwangsläufig viel aus dem Kriterium, sondern Gerichte können sich auch als bloßes Lippenbekenntnis darauf beziehen.) (2.) Das besagte Kriterium steht nur in den Gesetzesmaterialien, aber nicht im Wortlaut der Norm. Wenn es trotzdem relevant sein soll, müßte es also implizit in einem der gesetzlichen Tatbestandsmerkmale enthalten sein, oder aber nötig sein, um den § 129 StGB vor dem Verdikt der Verfassungswidrigkeit zu retten. (Auf diese Probleme werde ich vielleicht bei späterer Gelegenheit eingehen.)

Fragen an Staatsanwaltschaft und Gericht

A. Ich habe der Münchener Generalstaatsanwalt und dem Amtsgericht München eine ganze Reihe von Fragen zu dem Ermittlungsverfahren, dem Durchsuchungsbeschluß und den tatsächlichen Durchsuchungen gestellt – und auch (allerdings knappe) Antworten erhalten. Alles drei (Fragen und die beiden Antworten) seien hier zitiert.

Die Fragen

I. Meine Fragen an Gericht und Staatsanwaltschaft waren ziemlich ähnlich; zwecks Vermeidung von inhaltlichen Wiederholung gebe ich die Fragen hier nicht hundert Prozent wörtlich wieder, sondern fasse sie zu einem gemeinsamen Fragenkatalog zusammen:

 

Zu dem Durchsuchungsbeschluß und zu dem Antrag für den Durchsuchungsbeschluß:

1. a) [an das Gericht:] Welchen Stellenwert haben die Ausführungen auf Bl. 1317 der Akten unten zur „Führungsstruktur“ für die Klassifzierung der „Letzten Generation“ als Ganzes als Vereinigung im Sinne des § 129 StGB?

b) [an die Staatsanwaltschaft:] Welche Rolle spielte diese „Führungsstruktur“ in dem staatsanwaltlichen Antrag für den Duchsuchungsbeschluß für die Klassifzierung der „Letzten Generation“ als Ganzes als Vereinigung im Sinne des § 129 StGB?

2. Sollen die in dem Beschluß benannten Beschuldigten zu dieser Führungsstruktur gehören?

3. a) [an das Gericht:] Wie (durch welchen Akt / welche Arten von Handlungen) kommt nach Auffassung des Ermittlungsrichters eine Mitgliedschaft in der gemeinten „Vereinigung“ zustande? Sollen z.B. alle TeilnehmerInnen an Blockaden Mitglieder der Vereinigung sein?

b) [an die Staatsanwaltschaft:] Wie (durch welchen Akt / welche Arten von Handlungen) kommt nach Auffassung Ihrer Auffassung eine Mitgliedschaft in der gemeinten „Vereinigung“ zustande? Sollen z.B. alle TeilnehmerInnen an Blockaden Mitglieder der Vereinigung sein?

4. Im Rahmen Ihres Verfahrens werden (nur) zwei der sieben Beschuldigten auch Straftaten außerhalb des § 129 StGB vorgeworfen – nämlich Straftaten nach § 316b (Störung öffentlicher Betriebe), § 303 (Sachbeschädigung) in Verbindung mit § 300c (Strafantrag; gemeint vermutlich: der Pipeline-Betreiberin) und § 123 (Hausfriedensbruch) StGB, wobei zwar nicht explizit gesagt wird, aber zu vermuten steht, daß damit eine der Pipeline-Aktionen gemeint ist.

Dazu folgende Fragen:

a) Stimmen Sie dieser Lesart zu? Und falls ja: Warum findet in dem Beschluß keine explizite Durchprüfung der Tatbestandsvoraussetzungen der genannten Normen statt und damit auch keine explizite Subsumtion der in der Rede stehenden Handlungen unter die genannten Normen – und sei es bloß auf der Ebene des Anfangsverdachts?

(Ergänzend: Warum werden in dem Beschluß ganz generell die Anforderungen an einen Anfangsverdacht nicht expliziert und konkret durchgeprüft?)

b) Einer der weiteren Beschuldigten werden Straftaten außerhalb des § 129 StGB zwar nicht im Rahmen Ihres Verfahrens, aber im Rahmen anderer Verfahren vorgeworfen. – Um wieviel Aktionen geht es dabei und welche Straftatbestände sollen dadurch verwirklicht worden sein?

c) Und eine weitere Frage zu diesem Komplex:

Nach welchen Kriterien differenzieren Staatsanwaltschaft und Gericht zwischen Straftaten, die vermeintliche Mitglieder der Vereinigung als (vermeintliche) Mitglieder begehen und solchen, die sie eventuell neben ihrer Mitgliedschaft begehen? Nach welchen Kriterien wird eine Zuordnung zwischen Straftaten und Vereinigung vorgenommen? Wer (welche Personenkreise oder Gremien der Vereinigung) entscheiden nach Ansicht von Staatsanwaltschaft und Gericht über die Durchführung von angeblichen Straftaten und welche Verbindlichkeit haben diese ‚Entscheidungen‘ für die einzelnen Mitglieder?

Auf Bl. 1317 heißt es: „dezentrale örtliche Aktivistengruppen brauchen gar keine Einblicke in die Führungsstruktur haben […] und [sollen] selbstständig die als ‘Aktionen’ bezeichneten Straftaten begehen“. – Was folgt daraus nach Ansicht von Staatsanwaltschaft und Gericht für die Abgrenzung von Mitgliedern und Nicht-Mitgliedern der angeblichen Vereinigung sowie für die Zuordnung von einzelnen angeblichen Straftaten zu der angeblichen Vereinigung?

d) Zwei der sieben Beschuldigten wird eine Unterstützung der vermeintlichen Vereinigung durch die Ermöglichung von Zugriff auf Konten vorgeworfen.

Dazu folgende Frage: Gibt es parallele Verfahren (ggf. zu anderen Aktenzeichen) gegen bekannte oder unbekannte Personen, denen weitere Unterstützungshandlungen oder Werbung um Mitglieder und UnterstützerInnen vorgeworfen wird (z.B. durch Leistung von Geldspenden; durch bestimmte Veröffentlichungen/Äußerungen oder Verlinkungen; zur-Verfügung-Stellung von technischem Equipment)?

 

Ergänzend möchte ich fragen:

1. Wurden neben den Durchsuchungen weitere Ermittlungsmaßnahmen, die einer gerichtlichen Genehmigung bedürfen, beantragt bzw. genehmigt und im Fall der etwaigen Genehmigung durchgeführt?

2. [an die Staatsanwaltschaft:] Führen Sie weitere Ermittlungsverfahren gegen Personen, die beschuldigt werden, die angebliche Vereinigung unterstützt oder für sie um Mitglieder oder UnterstützerInnen geworben zu haben [vgl. dazu bereits Frage 4. d) im vorherigen Abschnitt]?

[an das Gericht:] Wurden auch bereits Ermittlungsmaßnahmen der genannten Art gegen Personen gerichtlich genehmigt, die beschuldigt werden, die angebliche Vereinigung unterstützt oder für sie um Mitglieder oder UnterstützerInnen geworden zu haben?

3. [an das Gericht:] Der Beschluß geht nicht auf die §§ 16, 17 StGB ein. Die Frage, ob den Beschuldigten bewußt war, daß die Vereinigung, der sie angeblich angehören, als Kriminelle Vereinigung klassifiziert werden könnte, ist doch vorliegend sehr naheliegend.

a) [an Staatsanwaltschaft:] Daher möchte ich fragen, ob Sie in ihrem Antrag auf dieses Problem eingegangen sind?

b) [an das Gericht:] Warum geht der Beschluß nicht auf die §§ 16, 17 StGB ein?

4. a) [an das Gericht:] Warum führt der Beschluß keinerlei andere gerichtliche Entscheidungen und keinerlei rechtswissenschaftliche Literatur in Bezug auf die Auslegung von § 129 StGB an?

b) [an die Staatsanwaltschaft:] Waren derartige Referenzen in Ihrem Antrag enthalten? Und falls nein? Warum nicht?

5. a) [an das Gericht:] Warum fehlt in dem Beschluß eine konkrete Erörterung der einzelnen Tatbestandsmerkmale des § 129 Absatz 2 StGB?

b) [an die Staatsanwaltschaft:] Waren Sie in Ihrem Antrag auf § 129 Absatz 2 StGB eingegangen?

6. Warum geht der Beschluß nicht auf § 129 Absatz 3 Nr. 2 StGB ein?

7. Sind Ihnen irgendwelche früheren Fälle bekannt, in denen versucht wurde, TeilnehmerInnen an Blockaden und/oder OrganisatorInnen von Blockaden als Mitglieder einer Kriminellen Vereinigung zu kriminalisieren? Falls ja: War(en) einer oder mehrere dieser Versuche erfolgreich?

8. [an die Staatsanwaltschaft:] Zu Nr. 3. bis 7: Soweit Sie in Ihrem Antrag auf diese Punkte eingegangen waren:

a) Wie lautete Ihr diesbzgl. Vorbringen? Könnten Sie mir vielleicht eine anonymisierte Abschrift Ihres Antrages zur Verfügung stellen?

b) Falls auch Sie auf diese Punkte nicht eingegangen sind: Warum nicht?

 

Zur Durchführung der Durchsuchungen:

1. Auf der ersten Seite des Durchsuchungsbeschlusses ist von „Durchsuchung der Person, der Wohnung mit Nebenräumen und der Fahrzeuge“ die Rede. – Dazu folgende Frage: Wieviel Wohnungen und Fahrzeuge der Beschuldigten wurden durchsucht? Warum sind diese Wohnungen und Fahrzeuge in dem Beschluß nicht genannt? (Wie) wurde sichergestellt, daß ausschließlich Objekte durchsucht wurden, auf die sich der Beschluß erstreckt?

2. In der LTO vom 25.05.2023 heißt es, es seien „15 Objekte in sieben Bundesländern durchsucht“5 worden? Können Sie die Zahl 15 bestätigen und wie verteilt sich diese Zahl (oder die statt dessen korrekte Zahl) auf die sieben Beschuldigten?

3. RND meldete ebenfalls bereits am 25.05.2023: „Am Mittwoch gab es deutschlandweit Razzien gegen die Letzte Generation. Allerdings klingelte die Polizei auch bei einem Berliner Eventmanager, der keine Beziehung zur Gruppe hat.“6 Laut Bericht soll es sich um den „Eventunternehmer“ Stephan Hüttner aus Berlin-Lichtenberg handeln.

Dazu folgende Fragen:

a) Ist diese Person in dem Durchsuchungsbeschluß als beschuldigte Person erwähnt?

b) Falls nein: Gibt es in Bezug auf diese Personen einen separaten Durchsuchungsbeschluß oder was war ansonsten die Rechtsgrundlage für die Durchsuchung?

Die Antworten

II. Die Antwort der Pressestelle des Amtsgerichts München lautet folgendermaßen:

„Die Veröffentlichung der Entscheidung vom 16.05.2023 durch die Pressestelle des Amtsgerichts München erfolgte, da ein öffentliches Informationsinteresse an der Entscheidung besteht.
Ich bitte allerdings um Ihr Verständnis, dass durch die Pressestelle des Amtsgerichts München keine Kommentierung der in richterlicher Unabhängigkeit ergangenen Entscheidung erfolgt und auch keine Angaben zu einem laufenden staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren erfolgen.
Die ermittlungsführende Staatsanwaltschaft ist die Generalstaatsanwaltschaft München, bei der im Übrigen auch die Pressehoheit für das von Ihnen angesprochene laufende Ermittlungsverfahren liegt.
Ich bitte Sie daher freundlicherweise, Ihre Anfrage dorthin zu richten.“

Die Antwort der Pressestelle der Generalstaatsanwaltschaft München lautet:

„in der Anlage übersende ich Ihnen zunächst zur Information die PM von letzter Woche.
Zu Ihren Fragen kann ich Ihnen klarstellend mitteilen, dass sich der Vorwurf der Bildung bzw. Unterstützung einer kriminellen Vereinigung gegen alle sieben Beschuldigte richtet.
Fünf der Beschuldigten wird die Bildung, zwei weiteren die Unterstützung einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen.
Im Übrigen darf ich Sie um Verständnis bitten, dass aufgrund der laufenden Ermittlungen derzeit keine weiteren Auskünfte erteilt werden können.“

In der beigefügten Pressemitteilung finden sich – was meine Fragen anbelangt – immerhin nähere Zahlen zu den Durchsuchungen: insgesamt 15 (aber ohne Klarstellung, ob Wohnungen, Personen und Fahrzeuge getrennt gezählt wurden).

Diese 15 Durchsuchungen verteilen sich wie folgt auf die Bundesländer:

  • Berlin: 4
  • Bayern (Augsburg und München) und Hessen (Landkreis Fulda): je 3
  • Sachsen (Dresden): 2
  • Hamburg, Sachsen-Anhalt (Magdeburg) und Schleswig-Holstein (Kreis Segeberg): je 1

Der Schlußsatz der Pressemitteilung lautet: „Medienauskünfte zu dem Ermittlungsverfahren erteilt die Generalstaatsanwaltschaft München.“

Ob damit meine – in vorliegender Artikel-Serie vorgebrachten – Bedenken gegen den Durchsuchungsbeschluß ausgeräumt sind, sei dem Urteil der LeserInnen überlassen.


Fortsetzung folgt.


Bisher sind erschienen:

Der Durchsuchungsbeschluß in Sachen „Letzte Generation“

Es folgt noch:

  • Anhang: Noch einmal speziell zu den Blockaden
     

1 Hv. hinzugefügt.

2 Die „Tätigkeit“ als zweite Tatbestands-Alternative fällt in der Stellungnahme allerdings unter den Tisch.

3 https://dejure.org/ext/adba8ed92bbc8bf3604e4a5315053cee, S. 19, Textziffer 13: „Erforderlich ist insoweit, dass die Organisation nach dem fest gefassten Willen der für ihre Willensbildung maßgeblichen Personen das Ziel verfolgt, strafbare Handlungen zu begehen. Das bloße Bewusstsein, dass es zu Straftaten kommen könne (so noch BGH, Urteil vom 21. Dezember 1977 – 3 StR 427/77, BGHSt 27, 325, 328) genügt nicht (BGH, Urteil vom 21. Oktober 2004 – 3 StR 94/04, BGHSt 49, 268, 271 f.), ebenso wenig, dass der Zweck nur von einzelnen Mitgliedern verfolgt, nicht aber auch von den übrigen Mitgliedern getragen wird (BGH, Beschluss vom 17.Dezember 1992 – StB 21-25/92, BGHR StGB § 129 Gruppenwille 2).“ (FN hinzugefügt).

4 „Der BGH forderte 2012, dass von den beabsichtigten Straftaten eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht (BGH NJW 2012, 325, 317 Rn. 12). Ob dieses ungeschriebene Erfordernis auch nach der Reform des Tatbestands 2017 aufrecht zu erhalten ist, ist umstritten. Fischer vertrat kürzlich, der Gesetzgeber habe mit der Mindesthöchststrafe von zwei Jahren eine abschließende Entscheidung getroffen (https://www.lto.de/recht/meinung/m/kriminelle-vereinigung-thomas-fischer-letzte-generation/; so auch HK-Gs/Hartmann § 129 Rn. 6). Hierauf scheint auch der Wille hinzudeuten, den Rahmenbeschluss 2008/841/JI umzusetzen, der keine solche Einschränkung vorsieht (wegen des Widerstreits zwischen Normwortlaut und in den Materialien zu Tage tretenden Gesetzgeberwillen – wonach die Rechtsprechung zur Erheblichkeitsschwelle bekannt und Grundlage der Regelung war – hält Koch die Vorschrift gar für mit Art. 103 Abs. 2 GG unvereinbar verfassungsblog.de/verhaltnismasigkeit-normenklarheit-und-%c2%a7-129-stgb/). Dennoch wird in der herrschenden Literatur weiterhin am Erheblichkeitskriterium festgehalten (so Kindhäuser/Neumann/Paeffgen/Saliger/Eschelbach § 129 Rn. 50; MüKo StGB/Schäfer/Anstötz § 129 Rn. 40; Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben/Schittenhelm § 129 Rn. 6; LK-StGB/Krauß § 129 Rn. 53; Höffler, verfassungsblog.de/ziviler-ungehorsam-testfall-fur-den-demokratischen-rechtsstaat/; iE auch Kuhli/Papenfuß, KriPoZ 2023, 71, 74 f. über § 129 Abs. 3 Nr. 2 StGB).“

Anzeige

Wenn dir der Artikel gefallen hat, dann teile ihn über Facebook oder Twitter. Falls du was zu sagen hast, freuen wir uns über Kommentare

https://blogs.taz.de/theorie-praxis/der-durchsuchungsbeschluss-in-sachen-letzte-generation-nachtraege/

aktuell auf taz.de

kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert