vonChristian Ihle 02.01.2022

Monarchie & Alltag

Neue Bands und wichtige Filme: „As long as the music’s loud enough, we won’t hear the world falling apart“.

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1. Titane (Julia Ducournau)

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„Titane“, Julia Ducournaus zweiter Film nach „Raw“ (der 2017 mein Film des Jahres war), ist ein wildes, kaltes, unberechenbares Biest. Ducournau entwickelt mit „Titane“ ein anderes Kino, das im Finden seiner neuer Sprache auch nicht jeden Satz zu Ende formuliert, aber in der Wildheit seiner Bilder überwältigend ist und irgendwann auch das Denken hinter sich lässt.

Ein wirklich transgressiver Film in jeder Hinsicht.

2. Pig (Michael Sarnoski)

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Plakat, Nicolas Cage und die Geschichte um den mit seinem Schwein (Nicht Cage) im Wald allein lebenden Eremiten (Nicolas Cage), der nach Schweinsentführung auf Rachefeldzug geht, schreit so nach B-Movie-Haha und Cage-Vehikel, dass die Smartheit des Films erst gegen Ende wirklich bewusst wird, weil Regisseur Michael Sarnoski ständig in Genre-Codes spricht, aber nie einen Genre-Film erzählt.

„Pig“ täuscht „John Wick“ an, führt aber eine im Grunde tieftraurige Geschichte um verlorene Menschen ohne Liebe in ihrem Leben zu ihrem konsequenten, ruhigen Ende. Ein in vielerlei Hinsicht bemerkenswerter Film mit der ernsthaftesten Nicolas-Cage-Rolle seit Jahrzehnten, der durch sein konsequentes Nichteinlösen von Andeutungen mehrfach Zuschauererwartungen völlig ins Leere laufen lässt.

3. Der Rausch (Thomas Vinterberg)

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Eine erstaunliche Gratwanderung gelingt Thomas Vinterberg in „Der Rausch“: während man in einem Hollywood-Film à la „Leaving Las Vegas“ natürlich den Weg der beginnenden Alkoholiker in den Untergang vorgezeichnet sähe und als Zuschauer nur auf die Häkchen in der Melodram-Checkbox wartete, verweigert sich Vinterberg einem formelhaften Film und bricht in jede Richtung aus.

In die größte Tragik, in das größte Glück und trifft so eine viel subtilere Aussage über Alkohol, nämlich dass er das Öl ist, das den Motor der Gesellschaft auf jeder Ebene schmiert und nur in verschiedenen Verkleidungen unterschiedliche Akzeptanz erfährt.

Der beste Film Vinterbergs seit „It’s All About Love“ und ein so überraschender wie verdienter weltweiter Arthouse-Hit, der ihn bis zu Oscar-Weihen geführt hat.

4. What Do We See When We Look At The Sky (Alexandre Koberidze)

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Ein modernes Märchen im Geiste des Klassikers „Die große Liebe meines Lebens“, nur dass sich das zukünftige Pärchen hier nicht am Empire State Building, sondern in einem kleinen georgischen Biergarten verpasst. Und, nun ja, vorher mit einem Fluch belegt wurde, der ihr Erscheinungsbild von einem Tag auf den anderen veränderte, weshalb sie nun nebeneinander herleben, ohne sich erkennen zu können. Bis, ja bis, ein Filmteam in die Stadt kommt…

5. Quo Vadis, Aida (Jasmila Zbanic)

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Der jugoslawische Bürgerkrieg, 1995, Srebrenica. Die serbische Armee nähert sich dem bosnischen Städtchen und die Völkergemeinschaft ist sich nicht einig, wie der Konflikt zu stoppen ist. Wer kann, flüchtet in den UNO-Stützpunkt, wo auch Aida als Übersetzerin arbeitet. Als die UNO sich auf einen Deal mit dem serbischen Anführer Ratko Mladic einlässt, ahnen die Bosnier das schreckliche Ende und Aida versucht verzweifelt, ihre beiden erwachsenen Söhne zu verstecken.

„Quo Vadis, Aida?“ gelingt es, die Dramatik dieser Stunden mit einer ungemeinen Spannung einzufangen und gleichzeitig das große Ganze des Massakers von Srebrenica nicht aus den Augen zu verlieren.

6. The French Dispatch (Wes Anderson)

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Der Wes Anderson – Film to end all Wes Anderson – Filme, sein stilistisches Meisterwerk.
Nach einem eher schwachen Beginn (Owen Wilsons Radfahrt als Klischee-Franzose) in diesem Episodenfilm findet Anderson in seinen Groove und kommt spätestens bei der bezaubernd-verfremdeten Nacherzählung der Studentenrevolte des französischen Mai ’68 völlig zu sich. Wie er hier eine Anderson’sche Version einer Godard’schen Revolution erfindet, ist so wunderbar, dass meine größte Kritik an „The French Dispatch“ nur sein kann, dass er aus dieser Idee keinen ganzen Spielfilm entwickelt hat.

Diese smarte, wilde, witzige, poetische („in a good way“) Kurzgeschichte wollte ich nie enden sehen. Und Jarvis singt dazu „Aline“.

7. The Night House / The House At Night (David Bruckner) auf DISNEY+

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David Bruckners „The Night House“ ist ein Film aus der Ari Aster – Schule, also wie „Hereditary“ oder „Midsommar“ im Grunde Trauerbewältigung im Gewand eines Horrorfilms.

Geschickt verweigert Bruckner zunächst eine eindeutige Positionierung und lässt im „Rosemary’s Baby“ – Style offen, ob die Geräusche und die Sichtungen im Haus überhaupt echt sind oder dem ganz offensichtlich sehr fraglichen mentalen Zustand der Witwe (Rebecca Hall) entspringen.

„The Night House“ ist atmosphärisch stark, mit einigen erschreckend gut inszenierten Szenen und einer Rebecca Hall in der Hauptrolle, die wie schon in „Christine“ eine Frau im Nervenzusammenbruch so gespenstisch gut einfängt, dass man sich um das Wohlergehen nicht nur des Charakters, sondern der Schauspielerin dahinter sorgt.

8. Dune (Denis Villeneuve)

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In den Kategorien Überwältigung, Set Design und Stil der Film des Jahres. Als erster Part einer auf zwei Teilen angelegten Verfilmung aber erzählerisch mehr eine einzige, lange Exposition als ein in sich geschlossener Film, so dass ein letztgültiges Urteil über „Dune“ wohl erst mit Erscheinen des zweiten Teils gefällt werden kann. Der Anfang ist gemacht und allein die Bilder und Bauten verdienen sich ihren Platz in den Top 10.

9. Pieces Of A Woman (Kornél Mundruczó) auf NETFLIX

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„Pieces Of A Woman“ beginnt mit einer 25minütigen Szene einer Hausgeburt, an deren Ende das nur wenige Minuten lebende Baby verstirbt. Die folgende Trauerarbeit zerstört alle menschlichen Beziehungen.

Kornél Mundruczó filmt mit einer sich ständig, aber ruhig bewegenden Kamera und führt seine beiden Hauptdarsteller Vanessa Kirby und Shia LeBoeuf zu Karrierebestleistungen.
„Pieces Of A Woman“ erschütterte mich ziemlich.

10. The Scary Of Sixty-First (Dasha Nekrasova)

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Gefilmt wie Abel Ferrara in den 70ern erzählt „The Scary Of Sixty-First“ von Verschwörungstheorien, einem Abstieg in den Wahnsinn und Jeffrey Epstein. Eine äußert ungewöhnliche Kombination aus spekulativem Okkult-Horror und dokumentarischen Fakten führt in diesem von Dasha Nekrasova gedrehten, geschriebenen und gespielten Psychothriller in ein Rabbit Hole aus Blut, Pädophilie und Prince Andrew („She was always into the UK!“ – „Anglophilia is one thing, but pedophilia?“).

11. Forest (Benedek Fliegauf)

Sechs Kurzgeschichten aus dem kontemporären Ungarn – jede besteht im Grunde aus einer Szene, einem Raum und wird von einer Handkamera gefilmt. Hitzige Diskussionen über Gott und Wunderheiler, über Schuld und Vertrauen. Jede einzelne dieser Geschichten erschüttert, stößt ab und lässt verzweifeln.

12. Hail Satan? (Penny Lane) auf MUBI

Faszinierende Doku über The Satanic Temple, der sich entgegen der Erwartungen/Klischees nicht als Lobbyvereinigung von kirchenverbrennenden Black Metal Freaks herausstellt, sondern als Sammelbecken von aufrichtigen (und gut trollenden) Kämpfern für den Laizismus.

13. The Velvet Underground (Todd Haynes) auf APPLETV+

Warhols „Screen Tests“, Einblicke in seine „Factory“ und die wenige Liveaufnahmen machen „The Velvet Underground“ zu einer Musikdokumentation, die tatsächlich so cool aussieht wie damals die sonnenbebrillte, lederbejackte, schwarzbehoste Band selbst, die eiseskalt in die blumenbunte Hippielandschaft blickte.

14. Bad Luck Banging or Loony Porn (Radu Jude)

Radu Jude, radikalster Kritiker Rumäniens, verknüpft diesmal seine wie immer didaktisch-aphoristische Anklage gegen die Zustände mit einer Amateur-Porno-Farce, was sowohl einen interessanten Gegenpol zum im Film stattfindenden Diskurs bietet als auch anfangs den Ton einer leichteren Komödie annimmt. Das klingt trockener als es letztendlich ist, denn immerhin endet alles in einer Wonder-Woman-Fantasie, in der die schärfsten Kritiker mit den größten Dildos oral niedergestochen werden.

15. Shane / Crock of Gold: A Few Rounds With Shane MacGowan (Julien Temple)

„Shane“ ist insbesondere in seinen Aufnahmen aus der Punkzeit und der frühen Pogues-Ära ein ungemein mitreissender Film, der in seinen letzten Minuten anrührend wird und Shane MacGowan das Denkmal baut, das er verdient hat, ohne dabei den Schmerz zu vergessen, der durch ein solches Leben auch verursacht wird.

16. Shiva Baby (Emma Seligman) auf MUBI

Ein jüdischer Leichenschmaus gone horribly wrong! Was soll auch passieren, wenn man als junge Studentin sich im Bett ein paar Scheinchen dazu verdient und dann ausgerechnet auf einem Leichenschmaus dem Sugar Daddy begegnet, der auf einmal Frau und Kind hat und den sogar die eigene Mutter kennt? Emma Seligman exerziert die Peinlichkeitskaskade mit größter Konsequenz durch und schafft diese bemerkenswerte Mischung aus Peinlichkeit, scharfem Witz, Fremdscham und Schadenfreude in knackigen 77 Minuten zu vereinen und bei einer absurd überladenen Heimfahrt am Schluss ALLE Protagonisten in einen kleinen Van zu laden und dort sogar mit einem berührenden Hoffnungszeichen für unsere geplagte Hauptfigur zu enden.

17. Promising Young Woman (Emerald Fennell)

Tonal zwischen Groteske und Revengethriller schwankend, aber mit klarer Attitude, die (was mich letztlich dann doch ziemlich beeindruckt hat) auch bis zum Ende knallhart durchgezogen wird und zwar auf eine nicht unbedingt erwartbare Weise, was den zu machenden Punkt über Misogynie mit mehr Härte heimzimmert als das jede reine Revenge-Fantasie à la „I Spit On Your Grave“ je könnte.

18. Censor (Prano Bailey-Bond)

Eine Verneigung vor den Video Nasties der frühen 80er: eine britische Angestellte in der Film-Zensur-Behörde glaubt bei der Sichtung eines Horrorfilms zu entdecken, dass hier ihre eigene Geschichte um die bei einem gemeinsamen Ausflug im Wald verschwundene Schwester erzählt wird.

19. Beyond The Infinite Two Minutes (Junta Yamaguchi)

Sehr smarter und ziemlich sweeter Zeitreisefilm, der (ernsthaft) in Echtzeit spielt und ohne Schnitt gedreht wurde. Wie das geht? Die Zeitreise ist hier zwei Minuten in die Zukunft, die beiden Ebenen werden sozusagen gleichzeitig erzählt und nutzen die Begrenztheit des Settings: ein Cafe im Erdgeschoss, eine Wohnung im ersten Stock und ein Mac, der bei der Kommunikation hilft. That’s it.

Wie man trotzdem clever, schlüssig und abwechslungsreich eine Geschichte über einen Zeitsprung filmen kann, ist nicht nur bemerkenswert, sondern auch durchwegs unterhaltsam. Chapeau.

20. A Quiet Place 2 (John Krasinski) auf AMAZON PRIME

Tighter, durchweg gelungener Creature-Film, der zwar im Vergleich zum ersten Teil nichts Neues erzählt, aber handwerklich sehr stark inszeniert ist. Erstaunlich, dass ausgerechnet ein eigentlicher Schauspieler wie John Krasinski so gekonnt Regie führt.

21. The Last Duel (Ridley Scott) auf DISNEY+

Auch wenn mir die „Rashomon“ im Mittelalter-Struktur mit einer aus drei Perspektiven erzählten Geschichte nicht so ganz einleuchten will, weil Ridley Scott diesen Kniff nämlich nicht nutzt, um wie Kurosawa mit der Subjektivität von Wahrheit per se zu spielen, sondern erzählt die gleiche Geschichte eben dreimal, nur mit zusätzlichen Einzelinformationen angereichert.
Na gut, sei es wie es ist, dass „The Last Duel“ trotzdem nicht langweilig wurde, spricht ja für Scotts Inszenierung, die deftig und flott ist.
Ridleys bester Film seit „American Gangster“ von 2007.

22. Beckett (Ferdinando Cito Filomarino) auf NETFLIX

Ein verliebtes Pärchen, ein Urlaub in Griechenland, eine verhängnisvolle Autofahrt, ein Tod, eine Entdeckung… und dann geht sie ab, die wilde Verfolgung ins Nirgendwo.

Dass der Polit-Paranoia-Film „Beckett“ in Griechenland spielt, verstehe ich mal als (unabsichtliche?) Hommage an den Genre-Großmeister Costa-Gavras. „Beckett“ funktioniert vor allem als Thriller, der den Zuschauer genau wie seine Hauptfigur im Unklaren lässt, was hier eigentlich passiert.

23. Cat Sick Blues (Dave Jackson)

„Cat Sick Blues“ ist creepy, eklig und hart – ich kann jeden verstehen, der sich diese Erfahrung nicht geben möchte. Doch ist „Cat Sick Blues“ keineswegs ein billiger Horrorstreifen, der nur mit viel Blut und maximaler Sickness den Gorehounds Katzenminze gibt, sondern dürfte selbst für diese Zielgruppe kein einfach zu schluckender Brocken sein. Dave Jacksons Film ist einer der bemerkenswertesten grenzüberschreitenden Filme der jüngeren Vergangenheit. Sicher kein Vergnügen, aber doch ein Erlebnis.

24. Run (Aneesh Chaganty) auf AMAZON PRIME

Insbesondere in der ersten Hälfte generiert Aneesh Chaganty sehr gelungen eine Spannung, die vor allem aus dem überzeugenden Katz-und-Maus-Spiel von zwei smarten Charakteren entsteht.
Gegen Ende steht sicher die eine oder andere Übertreibung im Medizinschrank, aber „Run“ bleibt knackig erzählt und durchgehend spannend. Eine wirksame Arznei gegen Langeweile.

25. The Empty Man (David Prior) auf DISNEY+

Ein ungewöhnlicher und atmosphärisch sehr starker Horrorfilm, der beinah absurde 137 Minuten dauert, aber tatsächlich nie zu lang wirkt. „The Empty Man“ ist sicher nicht fehlerfrei, trotz der starken Atmosphäre zum Beispiel im eigenen Worldbuilding, das für mich nicht immer Sinn ergibt: im Grunde spielt „Empty Man“ zwei völlig unterschiedliche Konzepte aus, einmal einen „Candyman“-Slasher und dann den Nihilismus-Kult, die nie so recht zusammengebracht oder erklärt werden, sondern wie zwei Filme in einem wirken. Aber mir gefällt, wie David Prior in seinem Debütspielfilm einen ganz eigenen Weg geht, einige bemerkenswert creepy inszenierte, mit einem tollen Drone-Score unterlegte Szenen findet und trotz mancher Horror-Tropes einen wirklich originellen Film dreht, der klar aus der Masse der Horror-Produktionen heraussticht,

26. Tunnel (Kim Seong-hun) auf AMAZON PRIME

Vor fünf Jahren in Südkorea erschienen und dort ein Riesenerfolg mit mehr als 7 Millionen Zuschauern, aber erst jetzt in Deutschland erhältlich: „Tunnel“ ist ein Katastrophenfilm, aber einer, der viel anders macht, als man es erwartet.

27. Palm Springs (Max Barbakow) auf AMAZON PRIME

Einer der besten Zugänge im Groundhog-Day-Subgenre – und das mit einem recht einfachen Kniff: wie wäre es, wenn nicht nur der Typ den gleichen Tag immer wieder aufs Neue erleben muss, sondern auch eine Frau? Und ist das womöglich, womöglich eine Allegorie auf das Prinzip Ehe?

28. Swan Song (Benjamin Cleary) auf APPLETV+

Zwischen sehr eleganter Black-Mirror-Folge und „Ex Machina“ singt „Swan Song“ sein Lied über Tod, Trauer und Verlust.

29. Candyman (Nia DaCosta)

Horrorfilm für Leute, die keine Horrorfilme mögen – und das meine ich nicht negativ.
„Candyman“ bleibt erstaunlich zurückhaltend in seiner Darstellung, arbeitet stattdessen mehr über Atmosphäre und eine unterschwellige Botschaft des sich steigernden Wahnsinns.

30. The Sadness (Robert Jabbaz)

So blutig und nihilistisch, dass auch Gore-Hounds mit den Ohren schlackern würden, sagten sie.
Und tatsächlich hält „The Sadness“ einige enorme Gewaltspitzen bereit und ist der Unterton wirklich so nihilistisch, dass er die üblichen Hoffungsschimmer des Zombie-Genres verweigert,

31. Polizeiruf 110: Bis Mitternacht (Dominik Graf) in der ARD MEDIATHEK

Mit dem quasi in Echtzeit ablaufenden „Bis Mitternacht“ aus der Polizeiruf-110-Reihe gelingt Dominik Graf einer der besten TV-Krimis der letzten Jahre.

32. Red Penguins (Gabe Polsky) auf AMAZON PRIME

Kapitalismus vs. Kommunismus on Ice!
Eine sehr, sehr unterhaltsame Dokumentation über die Idee des amerikanischen NHL-Eishockey-Teams Pittsburgh Penguins, direkt nach dem Fall des Eisernen Vorhangs mittels einer Kooperation mit dem Moskauer Armeeklub sich den russischen Markt zu erschließen.

Es geht natürlich schief, was in Culture Clashes so schief gehen kann, aber die Geschichten sind so irr – und die Protagonisten ebenfalls – dass es einen Heidenspaß macht, diesem Wahnsinn zuzuschauen.

33. The Dry (Robert Connolly) auf AMAZON PRIME

„The Dry“ ist ein trocken inszeniertes Thrillerdrama um alte Schuld und junge Verzweiflung, um Generationskonflikte und Existenzängste im Hinterland.

Robert Connolly erzählt diese Geschichte vielleicht etwas zu komplex für seinen eigentlich geradlinigen Angang, glänzt aber durchgehend mit starker Atmosphäre.

34. Summer Of Soul (Questlove) auf DISNEY+

Tolle, lang verlorene Aufnahmen eines Musikfestivals in Harlem, 1969. Aufgetreten sind die wichtigsten schwarzen Performer ihrer Zeit (Nina Simone, Sly & The Family Stone, Staple Singers, Mahalia Jackson…), das Publikum war enthusiastisch, die Kostüme vogelwild wunderbar (Rubrik: muss man tragen können).

Questlove (The Roots) verbindet diese Aufnahmen in seinem Debütfilm mit dem soziokulturellen Umfeld der ausgehenden 60er. Doch „Summer Of Soul“ wird zu einer kämpferischen Feier des Schwarzseins, weniger zu einem Beklagen der Umstände.

35. The Nest (Sean Durkin)

Die Rückkehr von Sean Durkin nach neun Jahren, nach dem Sleeper-Hit „Martha Marcy May Marlene“, ist ein ähnlich langsam aufbauender Film, der viel andeutet und stark auf Atmosphäre setzt.

36. Beginning (Dea Kulumbegashvili) auf MUBI

„Beginning“ ist ein sehr langsamer, genau beobachteter und oft auch stiller Film über patriarchalische Machtstrukturen und das Leiden der Frau. Dass zwischen Chantal Akerman’sche Szenen der Langeweile und Ödnis in der Hausarbeit harte, unangenehm sitzende Darstellungen von verbaler Gewalt und physischer Vergewaltigung stattfinden, hebt „Beginning“ aber in seiner Wirkung deutlich über beschauliches Kunstkino hinaus.

37. Fabian (Dominik Graf)

Ein filmisch bemerkenswerter Versuch, der nicht immer gelingt, aber allein aufgrund seines Willens zum Anderssein eine willkommene Bereicherung für den deutschen Film ist.

38. Matthias & Maxime (Xavier Dolan)

Vielleicht der bisher zugänglichste, mainstreamigste Film von Xavier Dolan, for better or worse.

39. Passing (Rebecca Hall) auf NETFLIX

Ein Film der Andeutungen und des Zwischendenzeilenlesens über Identität und Erfüllung, über das bessere Leben, das immer anderswo gelebt wird, und wie man sich mit seinem eigenen arrangiert.
Vielleicht etwas zu leise, aber als ästhetisch gelungener Film wertvoll und von Schauspielerin Rebecca Hall mit großer Eleganz inszeniert.

40. Limbo (Soi Cheang)

Thriller aus Hongkong, der weniger über seine Serienkillerschnitzeljagd reüssiert als durch die bedrückende Atmosphäre und die monochrome Molochwelt, die er in seinen Schwarz-Weiß-Bilder entwirft. „Limbo“ suhlt sich trotz der Film-Noir-Eleganz seiner Kamera im Müll der verregneten Großstadt.

41. Benedetta (Paul Verhoeven)

Paul Verhoevens Verfilmung eines Non-Fiction-Romans über eine lesbische Nonne, die eine italienische Stadt vor der Pest bewahrt, ist volle Kanne Nunsploitation.
Selbst zugefügte Stigmata, eine Marienfigur als Holzdildo, Pestbeulen, Visionen eines Metzel-Jesus, Menschenverbrennungen – you name it!

42. Nomadland (Chloé Zhao) auf DISNEY+

Dramaturgisch ist „Nomadland“ ohne rechten Anfang und jedes Ende, was symbolisch für das Umherziehende seiner Protagonisten vielleicht auch richtig ist, aber im Gegensatz zu Zhaos Vorgängerfilm „The Rider“ dadurch auch weit weniger emotionalen Impact hat.

43. Cash Truck (Guy Ritchie)

Die Stärken sind weniger im Skript, der Charakterentwicklung oder gar den Actionszenen zu finden, sondern in der von Ritchie erstaunlich düster eingefangenen Atmosphäre, die doch einen ständigen Sog erzeugt. Solides Blockbusterkino, das dann und wann eine Ahnung vermittelt, dass hier auch ein überdurchschnittlicher Film versteckt sein könnte.

44. Judas & The Black Messiah (Shaka King)

„Judas and the Black Messiah“ ist das Beispiel eines Films, dessen (reale) Story viel zu stark ist, als dass seine Verfilmung nicht durchgängig packend sein könnte, aber andererseits ständig wie eine verschenkte Gelegenheit wirkt, dieser Geschichte ihre angemessene filmische Entsprechung zu geben.

45. Wheel of Fortune & Fantasy (Ryusuke Hamaguchi)

Drei kleine, einfache Kurzgeschichten über Gefühle und Beziehungen im Verlauf der Zeit. Bescheiden im Ansatz, aber in den Dialogen (und „Wheel of Fortune and Fantasy“ ist sehr dialoglastig) immer interessant.

46. Der menschliche Faktor (Ronny Trocker)

Dank überzeugender Performance von Sabine Timoteo und Mark Waschke (Noah aus „Dark“) bleibt dieser Blick in das Leben zweier Unsympathen mit First-World-Problems griffig genug, um gern bis zum Ende hinzuschauen.

47. Matrix: Resurrections (Lana Wachowski)

Für sich genommen ein ordentliche Blockbuster mit einigen Schwächen, aber die Latte des ersten Teils wird deutlich gerissen.

48. Godzilla vs Kong (Adam Wingard)

Ein großer lauter Popcorn-Film mit wenig Hirn, aber viel Bumms – also genau das richtige für den großen Kino-Restart nach Corona. Adam Wingard hält die Spielzeit mit unter zwei Stunden angenehm in Zaum und wird immer dann gut, wenn wir die Alpha-Monster bei der Arbeit sehen, während fast alle menschlichen Interaktionen im besten Fall nur die Zeit zum nächsten Kongschlag überbrücken.

49. Green Knight (David Lowery)

Visuell wirkt „The Green Knight“ auf mich meist wie Terry Gilliam ohne dessen Absurditätsausflüge, auch wenn Lowery darüber hinaus einige albtraumhaft-psychedelische Sequenzen gelingen, die zum besten des Films gehören.

50. Blood Red Sky (Peter Thorwardt) auf NETFLIX

Peter Thorwarth inszeniert in seinem Netflix-Überraschungshit einen Hybriden aus „Stirb Langsam 2“ und Vampiraction. Die erste halbe Stunde ist ihm dabei mit einem sehr tighten Aufbau einer Flugzeugentführung großartig gelungen. Der vampirige Teil des Films wird dann unweigerlich quatschiger und verliert an Spannung, ist aber für dieses Genre dennoch überdurchschnittlich.

Die Vorjahressieger:

2020: Enfant Terrible (D, Regie: Oskar Roehler)

2019: Midsommar (USA, Regie: Ari Aster)

2018: Hereditary (USA, Regie: Ari Aster)

2017: RAW (F/BEL, Regie: Julia Ducournau)

2016: Green Room (USA, Regie: Jeremy Saulnier)

2015: Victoria (D, Regie: Sebastian Schipper)

2014: Boyhood (USA, Regie: Richard Linklater)

2013: Upstream Colour (USA, Regie: Shane Carruth)

2012: Drive (USA, Regie: Nicolas Winding Refn)

2011: Submarine (UK, Regie: Richard Aoyade)

2010: Bad Lieutenant: Port Of Call – New Orleans (USA, Regie: Werner Herzog)

2009: Inglorious Basterds (USA, Regie: Quentin Tarantino)

2008: No Country For Old Men (USA, Regie: Joel & Ethan Coen)

2007: Ex Drummer (Belgien, Regie: Koen Mortier)

2006: Match Point (USA, Regie: Woody Allen)

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